Was passierte am 4. November 2011 in Zwickau?

Vom NSU bewohntes und in Brand gestecktes Haus in Zwickau. Bild: André Karwath. Lizenz: CC-BY-SA-2.5

Verhalten von Beate Zschäpe und Polizei geben Rätsel auf - Der NSU-Untersuchungsausschuss II des Bundestages beleuchtet den Tag, als das Terrortrio bekannt wurde

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Die Situation erscheint kurios: Vor dem Oberlandesgericht in München hat die Hauptangeklagte Beate Zschäpe gestanden, am 4. November 2011 die Wohnung in der Zwickauer Frühlingstraße angezündet zu haben - doch in Berlin zweifelt der neue NSU-Untersuchungsausschuss an dieser Version und legt Dinge offen, die Zschäpe entlasten könnten. Was wird im ungeklärten NSU-Mordkomplex eigentlich gespielt?

Seit Dezember 2015 arbeitet der Bundestagsausschuss "Terrorgruppe NSU II" unter Leitung des CDU-Abgeordneten Clemens Binninger. Der Sicherheitspolitiker war schon Mitglied des ersten Ausschusses, dessen Verdienst es war, NSU-Spuren offengelegt zu haben, die in den Sicherheitsapparat der Bundesrepublik Deutschland führen. Mit der Eröffnung des Zschäpe-Prozesses im Mai 2013 hatte der Ausschuss unter Vorsitz Sebastian Edathys (SPD) seine Arbeit beendet - unvollendet auf halbem Wege.

Die Hauptverhandlung in München sollte nicht durch eine Parallelaufklärung in Berlin gestört werden. Doch, was als Entlastung geplant war, entwickelte sich zur Belastung. Das wachsende Ausmaß des Komplexes wie die Flut an Widersprüchen sind für das Oberlandesgericht München schwer zu managen. Die immer neue Verlängerung der Prozessdauer bringt das zum Ausdruck. Es kam zu neuen Untersuchungsausschüssen, unter anderem in Hessen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, die die Hintergründe des "NSU" aufklären sollen.

Nach über zwei Jahren Pause nahmen auch die NSU-Aufklärer im Bundestag ihre Arbeit wieder auf. Sie wollen nun untersuchen, was sie im Ausschuss Nummer 1 nicht geschafft hatten. Außerdem wollen sie die Schlüsselfälle des NSU-Komplexes noch einmal extra beleuchten: Die Nagelbombe von 2004 in der Kölner Keupstraße, den Mord in Kassel von 2006, bei dem ein Verfassungsschützer anwesend war, den Mord an der Polizistin Kiesewetter von 2007 in Heilbronn.

Aber auch den 4. November 2011, als in Eisenach Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos tot in einem Wohnmobil gefunden wurden, als in Zwickau ihre Wohnung in die Luft flog und die Terrorgruppe namens "NSU" (Nationalsozialistischer Untergrund) bekannt wurde. Was passierte am 4. November 2011 in Zwickau? Dieser Frage ging der Ausschuss in Berlin jetzt nach.

Was machte Zschäpe?

Die Abläufe an jenem 4. November: Gegen 9 Uhr überfielen mutmaßlich Böhnhardt und Mundlos eine Bank in Eisenach. Gegen 12 Uhr fielen in einem Wohnmobil in der Siedlung Eisenach-Stregda drei Schüsse. Gegen 12:30 Uhr wurden in dem Fahrzeug die beiden toten Männer entdeckt. Gegen 14:30 Uhr wurde in ihrer Wohnung in der Frühlingstraße 26 in Zwickau die Internetverbindung getrennt. Gegen 15 Uhr explodierte die Wohnung. Die Bewohnerin Beate Zschäpe war auf der Flucht. Sie stellte sich am 8. November in Jena der Polizei.

Vor dem Oberlandesgericht (OLG) in München hat die Angeklagte im Dezember 2015 erklärt, die Wohnung angezündet zu haben, nachdem sie im Radio vom Tod von zwei Männern in Eisenach gehört habe. Sie sei sich sicher gewesen, dass die Toten die zwei Uwe waren. Den neuen Bundestags-U-Ausschuss beeindruckt dieses Geständnis nicht.

Er will selbst herausfinden: War Zschäpe tatsächlich die Brandstifterin in Zwickau? Wie und wann erfuhr sie tatsächlich vom Tod ihrer Freunde Böhnhardt und Mundlos? Halfen ihr Personen bei der Flucht? Wenn sie vor Brandausbruch das Haus verlassen haben sollte, wie konnte sie dann die Täterin gewesen sein? Ungeklärt scheint aber auch: Wo wollte Zschäpe überhaupt hin? Warum stellte sie sich schließlich der Polizei?

Die Kriminalpolizei in Zwickau hatte schon gegen 10 Uhr am 4. November 2011 von Thüringer Kollegen Informationen über den Bankraub in Eisenach erhalten.