Staffel 2 von "Ringe der Macht": FĂĽr wen ist eigentlich diese Serie?
Eigentlich spricht alles dafĂĽr, dass die teuerste Fernsehserie aller Zeiten ein Erfolg wird. Leider fehlt Amazon aber die wichtigste Zutat: eine gute Story.

(Bild: Amazon)
Die zweite Staffel von Amazons Herr-der-Ringe-Serie "Ringe der Macht" schließt sich ausgehend von den ersten vier Episoden nahtlos an den Auftakt der Serie aus dem vergangenen Jahr an. Das gilt nicht nur für die Erzählung, auch die Besetzung ist weitgehend konstant geblieben und die Produktionsqualität ist ebenfalls sehr ähnlich – sie hat sich, wenn überhaupt, noch verbessert.
In der zweiten Staffel von "Die Ringe der Macht" wird umso deutlicher, wie sehr die Produzenten der Serie das Quellmaterial umgebaut und zusammengestaucht haben. Um zu verstehen, warum das so ist, muss man sich die sehr komplizierte Urheberrechte-Situation vor Augen führen, in die Amazon sich hineinmanövriert hat.
Auf der Suche nach der Zielgruppe
Die Macher der Serie haben die Rechte an Tolkiens Herr der Ringe inklusive des Anhangs und am Hobbit. Sie können aber aufgrund einer Vereinbarung mit dem Produktionsstudio der Peter-Jackson-Kinofilme kein Material nutzen, was sich direkt mit diesen Filmen überschneidet – was als Quellmaterial der Serie eigentlich nur den Teil des Herr-der-Ringe-Anhangs übrig lässt, der sich mit dem zweiten Zeitalter von Tolkiens Fantasy-Universum befasst. Tolkiens Hauptwerke "Der Hobbit" und "Der Herr der Ringe" spielen dagegen im dritten Zeitalter seiner Chronologie. Das für die Serie verfügbare Quellmaterial erstreckt sich über knapp dreieinhalb tausend Jahre von Tolkiens Mythologie. Allerdings diente das nur als Vorgeschichte zu dessen zwei Hauptwerken, was dazu führt, dass die im Anhang skizzierten Ereignisse sich ziemlich spärlich über diese drei Millennia verteilen.
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Die Amazon-Produzenten haben dieses Problem gelöst, in dem sie Figuren und Ereignisse, die eigentlich hunderte und tausende Jahre auseinanderliegen, zusammengerafft haben und nun versuchen, daraus eine kohärente Erzählung zu schmieden. Für sich genommen ist das nicht schlimm, im Fall von "Die Ringe der Macht" ergibt sich aber ein grundlegendes Problem: das der Zielgruppe der Serie. Nach anderthalb Staffeln dieser exorbitant teuren Serie, die offensichtlich ein Zugpferd für Amazons Streaming-Dienst Prime Video sein soll, muss man sich schon fragen, wer diese Serie eigentlich sehen soll.
Nichts fĂĽr Gelegenheits-Zuschauer
Bombastisch ist die Serie, das muss man den Produzenten lassen. Die Spezialeffekte, sowohl bei Kamerafahrten über epische Landschaften als auch in den Kampfszenen sind grandios. An einigen Stellen wünscht man sich fast, Amazon würde die Peter-Jackson-Filme auf diesem Level neu auflegen. Die Schauspieler machen fast ausnahmslos ebenfalls einen guten Job. Die Dialoge sind durchdacht und durchgehend auf einem hohen literarischen Niveau. Probleme mit Plotlöchern, die so vielen modernen Hollywood-Produktionen im Nacken sitzen wie ein Nazgûl dem Hobbit, können hier weitgehend außer Acht gelassen werden. Immerhin können in Tolkiens Welt viele Ungereimtheiten einfach mit Mysterium oder Magie weggewischt werden.
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Man kann sich die Serie also eigentlich gut ansehen. Nur leider ist die Geschichte, die erzählt wird, für den normalen Fernsehzuschauer, der nicht unbedingt ein Riesen-Fan von Tolkien oder Peter Jacksons Filmen ist, nicht unbedingt packend. Die gesamte Serie ist eine unglaublich verworrene Einführung in einen Handlungsstrang, der darin kulminiert, dass Frodo den Ring nach Mordor bringen muss. Die Bedeutung der neunzehn Ringe, die Celebrimbor in der Serie schmiedet und die ihr ihren Namen gibt, ist nun einmal, dass sie durch den Einen Ring kontrolliert werden. Seine Geschichte wird aber hauptsächlich in Quellmaterial erzählt, das die Serie nicht verwenden darf. Wer also Herr der Ringe nicht gelesen hat oder sich nicht mehr an die Filme erinnert, den lässt der Plot der Serie wahrscheinlich kalt. Die Serie zieht fast ihre gesamte Spannung daraus, dass der Zuschauer weiß, wer Elrond, Galadriel und Isildur sind und warum bestimmte Ereignisse ihre Schatten vorauswerfen. Man kann sich kaum vorstellen, wie verwirrt ein Zuschauer sein muss, den Herr der Ringe nie wirklich interessiert hat und einfach nur eine von Amazon aggressiv beworbene neue Fantasy-Serie sehen wollte.
Hartgesottene Fans werden weiter meckern
Gleichzeitig hat Amazon die hartgesottenen Tolkien-Fans zum größten Teil schon in der ersten Staffel vergrault, vor allem durch saloppen Umgang mit der Tolkien-Chronologie und Abweichungen vom Mythos. Die Produzenten geben sich Mühe, bestimmte Elemente aus den Büchern und Kinofilmen anzudeuten und arbeiten eindeutig darauf hin, dass ihre Serie von Fans als Prequel zu den Filmen akzeptiert wird. Auch versuchen sie augenscheinlich, Situationen und Figuren einzubauen, die bei Herr-der-Ringe-Fans offensichtlich beliebt sind. So führt die vierte Folge der zweiten Staffel etwa eine legendäre Figur aus Tolkiens Büchern ein, die Fans in den Peter-Jackson-Filmen immer wieder schmerzlich vermisst haben. Trotz allem Fan-Service werden hingebungsvolle Herr-der-Ringe-Fans an Amazons Umsetzung wohl aber mehr zu meckern finden, als den Serien-Machern lieb ist. Die zweite Staffel der Serie kehrt den von vielen Fans bemängelten Trend hin zur Abwendung vom Quellmaterial und hin zu progressiven, neuen Erzählelementen nicht um.
Hollywood hat in den letzten Jahrzehnten viel Zeit damit verbracht, Prequels, Sequels und Neuverfilmungen von altem Material zu produzieren. Es geht vorrangig darum, eine bekannte Marke an das Produkt zu pinnen – damit wird sich schon Geld machen lassen. Die Kernfrage ist also: Würde mich diese Geschichte auch interessieren, wenn sie in einem generischen Setting mit beliebigen Figuren erzählt werden würde und nicht der Name meines Lieblings-Franchises drüber stünde?
Mit anderen Worten: Wäre "Die Ringe der Macht" eine gute Fernsehserie, wenn ihre Geschichte in einem komplett neuen Fantasy-Setting spielen würde und keine der Figuren einen bekannten Namen hätte? Nach anderthalb Staffeln müssen wir an dieser Stelle diese Frage mit "nein" beantworten. So gut die Spezialeffekte, Sets und Kostüme auch sind, so sehr die Dialoge sich bemühen, Shakespeare nachzueifern und so sehr versucht wird, kolossale Momente einer epischen Fantasy-Chronologie mit historischer Bedeutung zu füllen, so sehr schlägt das alles fehl, wenn man Frodos und Bilbos Abenteuer (die ja nicht Teil der Serie sind) aus der Gleichung rausnehmen würde.
Das ganze Pathos der Serie ist ohne diesen riesigen Kredit, den Amazon bei Tolkiens Hauptwerk aufgenommen hat, bedeutungslos. Kein Filmstudio und kein Verlag würde den Plot dieser Serie auch nur in Betracht ziehen, wenn ein bis dato unbekannter Fantasy-Autor damit als Werk in seinem eigenen Fantasy-Universum hausieren käme. Die Geschichte der Serie ist schlicht und ergreifend, für sich alleine betrachtet, nicht besonders gut. Was auch kein Wunder ist, wenn man bedenkt, dass sie auf knapp 100 Seiten Anhang eines 1000-seitigen Buches beruht.
Man kann sich "Die Ringe der Macht" anschauen, und wenn man sich einigermaĂźen fĂĽr Tolkien interessiert, kann man dabei auch eine gute Zeit haben. Aber man kann es auch genauso gut bleiben lassen und damit ebenso glĂĽcklich werden. FĂĽr die teuerste Fernsehserie aller Zeiten, mit einem Budget von mittlerweile weit ĂĽber einer Milliarde US-Dollar, ist das ein ziemliches Armutszeugnis.
Die ersten vier Folgen der zweiten Staffel von Die Ringe der Macht sind exklusiv auf Amazon Prime Video erschienen. Vier weitere Folgen der zweiten Staffel sollen bis zum 3. Oktober folgen
(dahe)