"God of War - Ragnarök" im Test: Gott allmächtig

In "God of War: Ragnarök" muss sich Kratos mit der nordischen Götterwelt anlegen und die Beziehung zu seinem Sohn kitten. Das ist erneut atemberaubend.

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(Bild: Sony)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Andreas Müller
Inhaltsverzeichnis

Keine Actionserie erfüllt die Allmachtsfantasien von Spielern und Spielerinnen so wie die Abenteuer des griechischen Kriegsgotts Kratos, der seit 2005 seine Klingen exklusiv auf der Playstation schwingt. Im Reboot aus dem Jahr 2018 vom Sony-hausinternen Santa Monica Studio stand aber nicht nur die brutale Seite des Helden im Vordergrund, sondern auch die emotionale Beziehung zu seinem Sohn. Diese Wendung sorgte für ein erfolgreiches Comeback, mittlerweile auch auf dem PC. Die Fortsetzung "Ragnarök" geht diesen Weg konsequent zu Ende.

Diese Inhaltsangabe enthält Spoiler zur Handlung von "God of War" (2018).

Seit Kratos den Gott Balder besiegt hat, ist einige Zeit vergangen. Der Kriegsgott lebt mit seinem Sohn Atreus, nun auch bekannt als Loki, ein zurückgezogenes Leben in der Eiswüste Midgards. Eine düstere Prophezeiung zieht die beiden aber wieder in einen Krieg gegen die Götter: Der Tod Balders und der endlose Winter sind Vorboten von Ragnarök, dem Ende der Götter. Kratos holt also wieder seine Axt und seine Klingen hervor, um sich Odin und seinem Sohn Thor zu stellen. Unser Held ahnt aber nicht, dass es Odin vor allem auf Loki abgesehen hat.

Neben dem grandiosen Action-Spektakel ist es die komplexe Vater-Sohn-Beziehung, mit der sich "Ragnarök" von der Konkurrenz abhebt. War es im ersten Teil noch eine teilweise toxische Beziehung war, in der Kratos seinen Sohn zum rücksichtslosen Krieger erziehen wollte, hat sich die Perspektive geändert. Der Vater muss seinen Sohn jetzt akzeptieren, wie er ist. Das macht die Story von "Ragnarök" nicht nur zu einem "Untergang der Götter", sondern auch zu einem Untergang von überholten Vaterklischees und Männlichkeitsidealen. Dafür lässt sich das Spiel viel Zeit: Laut Entwicklungsstudio stecken über drei Stunden Cutscenes im Spiel.

"God of War: Ragnarök" im Test (5 Bilder)

Spektakulär und emotional: "God of War Ragnarök" knüpft da an, wo der Vorgänger aufgehört hat. (Bild: heise online)

Wem diese Gefühlsduselei zu viel ist, kann sich auf die übliche Actionsause konzentrieren: Kratos und Loki reisen durch die Welt und folgen einer Prophezeiung, indem sie sich durch Hauptmissionen schlagen und ein paar Nebenmissionen erledigen. Dabei plätten die Gegner mit Axt, Klingen und Bogen. Wie gehabt steuern die Fans Kratos und geben Loki indirekt Befehle. Kurz bevor Langeweile einkehrt, weil alles sehr bekannt vorkommt und eher wie ein aufwendiger DLC für den Vorgänger wirkt, lassen es die Santa Monica Studios doch noch einmal richtig krachen. Spieler und Spielerinnen schlüpfen dann in die Rolle von Loki, neue Partner kommen hinzu und die Welten werden abwechslungsreicher. Auch wenn es oft ein Wiedersehen mit den Spielorten des Vorgängers gibt, wirken sie durch andere Jahreszeiten und neue Abschnitte frisch und unverbraucht.

Das Kampfsystem wird nicht nur durch Lokis Fähigkeiten und einer neuen Waffe komplexer. Zwar können Spieler und Spielerinnen weiterhin neue Fähigkeiten mit Erfahrungspunkten freischalten, doch können viele davon jetzt durch Übung verbessert werden. Waffen und Rüstungen werden wie gewohnt in der Schmiede beim Zwergenbrüderpaar Brok und Sindri gekauft und verbessert. Kratos und Loki können ihre Angriffe zu Kombos verbinden, Gegner schwächen und gleich ganze Horden von Feinden durch die Luft wirbeln. Das ist "God of War", wie es die Fans kennen und lieben.

Es geht gegen Besessene, Trolle und große Steinwesen. Wie immer sind es aber die Bosskämpfe, die für das ganz große Schauspiel sorgen. Da müssen sich Kratos und Co. gleich in mehreren Stufen Drachen, riesigen Wölfen und am nordischen Göttern stellen. Einfach draufkloppen hilft nicht: Manchmal muss Kratos zwischen seinen Waffen wechseln, um die Schwachstellen auszunutzen. Mit Lokis Pfeilen kann er Statuseffekte verstärken oder den Widerstand brechen. So geschwächt lassen sich die Monster mit einem Finishing Move besiegen. Leider greift das Entwicklungsstudio dabei wieder auf die für "God of War" typischen, aber auch einfallslosen Quick-Time-Events zurück.

Nicht jeder Kampf ist gleich: Einer Art Zentaur müssen die Hörner abgeschossen werden und Steinwesen lassen sich nur treffen, wenn sie ihr Herz öffnen. Nach einigen Treffern können Kratos und Loki ihre ultimative Fähigkeit aktivieren und sich mit Wut oder in Tiergestalt auf die Gegner stürzen. Die Kämpfe sind selbst in höheren Schwierigkeitsgraden nicht so frustrierend wie etwa bei den berüchtigten Soulslike von From Software. Die automatischen Checkpoints sind großzügig gesetzt und in jedem Bosskampf müssen die Fans nur einen kritischen Punkt erreichen, bei dem sie bei einer Niederlage weiterkämpfen können. Beinharte Action-Profis werden müde lächeln, Neulinge seufzen erleichtert auf.

Neben diesen wilden, manchmal auch chaotischen Kämpfen, gibt es ähnlich wie im Vorgänger auch ein paar Rätselaufgaben. Kratos muss dann Runen finden und zerstören, um Truhen mit besonders wertvollen Rohstoffen oder Rüstungsteilen zu erbeuten. Das klingt zunächst simpel, bekommt aber durch Lokis Pfeile einen netten Twist. Er kann nämlich mit seinen sogenannten Siegelpfeilen den Explosionsradius von Kratos' Feuerexplosionen vergrößern oder verlängern, um weit entfernte Runen zu erreichen.

"Ragnarök" ist ein rundes Paket. In rund 30 Stunden ist die Story durchgespielt und ein paar Nebenaufgaben gelöst. Wer will, kann sich im Endgame nochmal aufmachen, um jeden Schatz zu finden und jeden optionalen Boss zu besiegen. Das Angebot dürften viele Spieler und Spielerinnen annehmen. "Ragnarök" bietet eine der aufwendigsten und spektakulärsten Spielwelten des Jahres, die mit hervorragendem Voice Acting im englischen Original und in der deutschen Sprachausgabe garniert werden. Glitzernde Seen, eisige Landschaften und eine packende Götterschlacht stammen zwar alle aus dem Genre-Baukasten, sind aber technisch eine Wucht. Wer mal mit seiner Playstation 5 angeben will – bitte sehr.

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Wo wir aber zum Problem kommen: "God of War: Ragnarök" ist kaum originell. Es ist fast bis zur Perfektion ausgereift, aber es greift anders als "Elden Ring" nur Spielelemente und Szenarien auf, die Genre-Fans zur Genüge kennen. Das Abenteuer ist ein auf Hochglanz poliertes Mainstream-Produkt ohne Ecken und Kanten. Auch dürfte ein Teil der Story den Fans von "Horizon Forbidden West" bekannt vorkommen. Am Ende müssen sich die Helden und Heldinnen unterschiedlicher Völker zusammenraufen, um den Feind zu besiegen. Bastelt der Publisher hier vielleicht an einer "Sony"-Formel? Am Spielspaß ändert das wenig. Ein größeres Action-Spektakel wird es dieses Jahr nicht geben. Am Ende dürfen sogar ein paar Tränen verdrückt werden.

"God of War: Ragnarök" braucht einige Stunden, um sich aus dem Schatten des übermächtigen Vorgängers zu lösen. Vieles sieht bis dahin allzu bekannt aus und spielt sich auch so. Ist aber diese Hürde überwunden, wird einigen Fans die Spucke wegbleiben. In der Storykampagne inszenieren das Entwicklungsstudio eine spektakuläre, wenn auch nur selten originelle Reise durch die nordische Götterwelt. Die einzelnen Abschnitte sind abwechslungsreicher als im Vorgänger, die Kampfmechanik anspruchsvoller und die audiovisuelle Inszenierung ist eine der beeindruckendsten der letzten Jahre. Das Entwicklungsstudio schafft sogar das Kunststück, in ihrem Actionspektakel die schwierige Vater-Sohn-Beziehung zwischen Kriegsgott Kratos und seinem Loki/Atreus zu einem emotionalen und überzeugenden Ende zu führen. Sony steht mit "God of War: Ragnarök" einmal mehr für ein nahezu perfekt ausgereiftes Spielerlebnis für alte und neue Kratos-Fans.

"God of War: Ragnarök erscheint am 09. November exklusiv für PS4/5. USK ab 18. Es kostet ca. 80 €. Für unseren Text haben wir das Spiel auf der PS5 durchgespielt. Eine PC-Version ist derzeit nicht angekündigt.

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