Greedfall angespielt: Auf den Rollenspiel-Spuren von Bioware
Zahlreiche Macken, aber ganz viel Herz – das Action-RPG Greedfall macht es den Spielern nicht leicht.
Ein tolles Szenario, viele Verwicklungen und ein cleveres Rollenspielsystem – blickt man als Spieler nicht genau hin, könnte man fast meinen, dass Greedfall ein echter Bioware-Knüller ist. Während die Texaner aber mit Anthem momentan durch das Action-Genre irrlichtern, hat sich das kleine Studio Spiders aus Frankreich frech die Bioware-DNA geschnappt. Sie schickt die Spieler in ein alternatives 17. Jahrhundert, in dem es von Mythen, Monstern und Magiern nur so wimmelt. Am Ende müssen die Spieler aber doch ein Auge zudrücken, weil das Spiel mit einigen inhaltlichen und technischen Macken zu kämpfen hat.
Originelle Spielwelt
Zu Beginn der Story bricht die Hauptfigur De Sardet, wahlweise weiblich oder männlich, mit dem Cousin zur Insel Teer Fradee auf, um ihn dort bei seinem neuen Gouverneursposten zu unterstützen. Da die kleine Insel ein wichtiger Handelsort ist, trifft De Sardet auf konkurrierende Nationen, die um Ressourcen kämpfen und sich mit den Eingeborenen blutige Gefechte liefern. Doch die Streitereien zwischen den einzelnen Fraktionen sind nicht das größte Problem: Eine geheimnisvolle Krankheit zieht durch das Land und nur auf Teer Fradee scheint ein Heilmittel zu existieren.
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In dieser Geschichte vermischen sich Mantel-und-Degen-Filme mit Rollenspielklassikern wie Dragon Age und einem anspruchsvollen Charaktersystem. Das Schöne daran: Nichts ist so, wie es scheint. In diesem 17. Jahrhundert gibt es nicht nur Schwarz und Weiß, sondern auch viele Grautöne. Da mögen die einen zwar hochgebildet und vornehm sein, führen aber grausame Experimente an den Eingeborenen durch. Die Hauptfigur sitzt zwischen allen Stühlen, nimmt von allen Aufträge an und muss nicht selten folgenschwere Entscheidungen treffen. Diese betreffen nicht die Handlung, sondern auch die Beziehung zu den Gefährten, mit denen De Sardet ins Abenteuer zieht. Ähnlich wie in Dragon Age oder Mass Effect kann es hier auch zu Romanzen oder Streitereien kommen.
Tolles Charaktersystem, miese Kämpfe
Neben der originellen Spielwelt überzeugt auch das komplexe Charaktersystem. Nach der Geschlechter- und Klassenauswahl können die Spieler nach einem Levelaufstieg ihre Fähigkeiten, Attribute und Talente erweitern. Die zu verteilenden Punkte sind rar und jede Vergabe sollte wohlüberlegt sein, denn sie können zumindest in unseren Anspielstunden nur schwer zurückgesetzt werden. Mache ich aus meinem Helden einen brutalen Kämpfer oder einen flinken Magier? Oder setzte ich lieber auf mein Charisma und umschmeichle meinen Gesprächspartner? Noch dazu können die Spieler ihre Ausrüstung an Werkbänken weiter verfeinern und einen individuellen Spielstil entwickeln.
Greedfall angespielt (5 Bilder)
Es hapert aber an der eigentlichen Königsdisziplin eines Action-RPGs: dem Kampf. Das liegt einerseits an der hakeligen Steuerung, durch die unser Held unbeholfen durch die Gegend torkelt und andererseits an der katastrophalen Kollisionsabfrage, durch die er schnell mal in einer Sackgasse landet oder hilflos festhängt. Auch die Intelligenz der Gegner lässt zu wünschen übrig: In ein paar Schleichpassagen beachten sie den Dieb entweder überhaupt nicht oder reagieren viel zu schnell. Außerdem ist es ärgerlich, dass die Spieler in ihrer Heldentruppe nur die Hauptfigur steuern können. Zwar können die Spieler ein wenig an der Kamera-Empfindlichkeit justieren oder sich einfach an die Widrigkeiten gewöhnen, aber anno 2019 sind solche Macken einfach nicht mehr zeitgemäß.
Auch bei der visuellen Umsetzung bleibt ein zwiespältiger Eindruck. Das Spiel protzt mit einer detailreichen Naturlandschaft, aber die Innenarchitektur der Gebäude gleicht einander wie ein Ei dem anderen. In solchen Momenten wird deutlich, dass hier nur ein kleines Team mit eingeschränktem Budget am Werk war.
Zwischenfazit
Man merkt Greedfall in jeder Sekunde an, dass es nicht mit dem Budget und der Teampower eines Dragon Age oder Skyrim gesegnet war. Da knarzt es an vielen Ecken und Enden, aber letztendlich überwiegt das Positive. Wer sich nämlich mit den Schattenseiten arrangiert hat, darf sich auf eines der originellsten Rollenspielwelten des Jahres freuen. Obwohl die hakelige Steuerung einen manchmal zur Verzweiflung treibt, ist dieser magische Inseltrip motivierend und spannend. Hoffentlich können die Entwickler mit ein paar Patches noch ein bisschen ausbessern oder in einer Fortsetzung endlich ihr Meisterstück abliefern.
Greedfall ist am 10. September fĂĽr Windows, PS4 und Xbox One erscheinen und kostet ca. 60 Euro. USK ab 16. FĂĽr unser Angespielt haben wir ein paar Stunden die PS4-Version gespielt. (dahe)