"Hogwarts Legacy" angespielt: Verzaubert, entzaubert, skandalös?
Nach einigem Ärger im Vorfeld ist "Hogwarts Legacy" endlich erhältlich. Das magische Abenteuer aus dem Harry-Potter-Universum ist erstaunlich gut geworden.​
Wer "Hogwarts Legacy" von Avalanche Software nach langem Warten endlich startet, steht vor einem Problem: Unterstütze ich damit jetzt eine transfeindliche Autorin? Eine komplexe Frage mit vielen Antworten. Sicher sind wir uns nach unseren Anspielstunden nur bei der spielerischen Seite: "Hogwarts Legacy" ist ein Blockbuster, wie er im Zauberbuche steht, den Harry Potter-Fans nur mühsam im Regal stehen lassen können.
Schwierige Ausgangslage
Das Wichtigste zuerst: "Hogwarts Legacy" ist nicht transfeindlich. Es gibt sogar eine wichtige Transperson im Spiel. Schon mit der Wahl der Spielfigur geht es los. Es ist nämlich egal, ob Spieler und Spielerinnen die Charakterklassen "Hexe" und "Zauberer" männlich oder weiblich aussehenden Figuren zuordnen. Auch die Hautfarbe spielt keine Rolle. Am Spiel selbst ändert diese Wahl aber später kaum etwas. Wir haben einen Zauberer ausgewählt.
Die Prequel-Story zu den bekannten Harry-Potter-Romanen ist schnell erklärt. Unser Zauberer wird in eine Verschwörung hineingezogen, die die Welt der Zauberer und Muggels bedroht. Ein paar abtrünnige, macht- und geldgierige Kobolde wollen nämlich den Spieß umdrehen und die Weltherrschaft an sich reißen. Logisch, dass unser Zauberer da etwas dagegen hat. Während er also fleißig Zaubersprüche lernt und auf dem Besen durch die Lüfte segelt, rettet er neben dem Schulalltag auch noch die Welt. Diesen Plot könnte man schulterzuckend abnicken, wäre da nicht die Darstellung der Kobolde. Kritiker erkennen in ihrem Aussehen auch in den Büchern und Filmen Parallelen zur Darstellung von Juden in antisemitischer Propaganda.
"Hogwarts Legacy" angespielt (5 Bilder)
Enorm umfangreich
Wer damit leben kann, darf sich anfangs gleich in einem stundenlangen Tutorial verlieren. Schon da fällt auf: "Hogwarts Legacy" ist ein langes, umfangreiches Spiel. Unser Zauberer wählt sein "Haus", irrt durch die unzähligen Gänge von Hogwarts zu den einzelnen Klassenräumen und lernt fleißig Zaubersprüche. Glücklicherweise gibt es gleich zu Anfang eine Art Richtungsmarker, der uns wie in "Dead Space" auf dem kürzesten Weg zum Ziel führt. Dennoch ist das Spieltempo von Beginn an langsam.
Ohne den richtigen Zauberspruch kommt man nicht weiter. Hier dürften die Fans glasige Augen bekommen, wenn sie mit "Expelliarmus" Gegner und Gegnerinnen entwaffnen oder sie mit "Levioso" durch die Lüfte schweben lassen. Dabei ist das Lernen der Sprüche gar nicht mal so einfach. Zunächst muss man nämlich irgendeine Nebenmission erledigigen und ein Minispiel gewinnen, um den Spruch freizuschalten. Klingt simpel, ist aber oft ärgerlich, weil wir langweilige Fetch-Quests absolvieren mussten.
Die Kämpfe entschädigen für die Mühen. Dank unzähligen Zaubersprüchen ergeben sich viele taktische Möglichkeiten. Kontern, Gegner an sind heranziehen, Schutzschilde brechen, Feinde in Brand stecken oder Gegenstände schleudern – das macht nicht nur Laune, sondern wird auch knifflig. Besonders wenn mehrere Kobolde, Spinnen oder sogar Ritter auftauchen, muss man seine Fähigkeiten kombinieren und kreativ einsetzen.
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Zwischen den Kämpfen muss unser Zauberer auch immer wieder Gewölbe besuchen, die ein wenig die grauen Zellen anstrengen. So bewegt er sich über Plattformen, schaltet Wege frei oder tritt durch Spiegel, die unterschiedliche Seiten eines Raums abbilden. Um diese Rätsel zu lösen, muss er sich zwischen diesen beiden "Welten" bewegen. Das erinnert ein wenig an "Metroid Prime 2: Echoes" oder zuletzt "The Medium". In einigen Abschnitten kann unserer Zauberer dank Unsichtbarkeitszauber wie ein Assassine durch Lager schleichen und die Gegner aus dem Hinterhalt erledigen.
Hübsche Spielwelt mit ein paar Schönheitsfehlern
Es gibt in und um Hogwarts viel zu erleben und zu erkunden. In der wunderschön gestalteten offenen Spielwelt finden sich zahlreiche Verstecke, Geheimgänge und unzählige Nebenaufträge. Duelle mit Mitschülern und Mitschülerinnen, eine Art magisches Boule-Spiel sowie das Infiltrieren feindlicher Basen bieten Gelegenheit für unzählige Spielstunden. Wer dann noch nicht genug hat, kann sich auch auf den Besen schwingen und die riesige Spielwelt aus der Luft bestaunen.
Selbstverständlich gibt es für die gewonnenen Erfahrungspunkte neue Fähigkeiten oder Perks. Mit der entsprechenden Goldsumme kann sich unser Zauberer im Dorf Hogsmeade neue Ausrüstung gönnen oder Pflanzen sammeln, um Zaubertränke zu brauen. Weniger gelungen ist das User-Interface. Hinter den langsam aufpoppenden Menus verstecken sich verschachtelte Optionen, die die Bedienung unnötig erschweren. Dazu kommen ein paar ärgerliche Bugs. In mehreren Fällen kamen wir nicht weiter, weil ein Gegner sich weigerte, uns anzugreifen. Dadurch konnten wir den Abschnitt nicht abschließen und mussten von vorne anfangen.
Dagegen ist die audiovisuelle Gestaltung auf der PS5 hervorragend gelungen und bietet sowohl im Perfomance-Modus als auch Fidelity-Modus eine detailreiche und ruckelfreie Spielwelt. Dazu kommt eine lippensynchrone deutsche Vertonung, die kaum Wünsche offenlässt. Schade, dass dieser positive Gesamteindruck von den Hintergrundgeräuschen bei der Diskussion um Joanne K. Rowling gestört wird.
Zwischenfazit
"Hogwarts Legacy" wirkt oft wie ein Gegenentwurf zu den strittigen Aussagen der Autorin Joanne K. Rowling. Wo sie eine konservative bis spießige Harry-Potter-Welt skizziert, ist das Spiel inklusiv und divers. Auch wenn wir ahnen, dass einige dieser Elemente erst aufgrund der Diskussion um die Autorin ihren Weg in das Spiel gefunden haben, ist das begrüßenswert. Den ärgerlichen Plot um geldgierige Kobolde und die vermeintlichen rassistischen Klischees kann das nur teilweise entkräften.
Es ist umso ärgerlicher, weil "Hogwarts Legacy" all das mit Bravour erfüllt, was Spieler und Spielerinnen von einem großen Open-World-Spiel erwarten dürfen. Es ist umfangreich, bietet eine wunderschöne, detailverliebte Spielwelt und wochenlangen Spielspaß. Eine umständliche Menüsteuerung und ein paar nervige Bugs stören bei der tollen Atmosphäre kaum.
Bleibt am Ende die Gewissensfrage: Das Spiel kaufen und die vermeintlich transfeindliche Agenda der Autorin unterstützen oder ein Entwicklungsstudio unterstützen, dass vieles dafür getan hat, um sich vom dunklen Schatten der Autorin zu distanzieren? Eine Entscheidung, die nur jeder Fan für sich persönlich treffen kann.
"Hogwarts Legacy" ist für Windows, PS5 und Xbox Series erschienen. Versionen für PS4 und Xbox One sollen im März folgen. Es kostet ca. 70 €. USK ab 12. Für unser Angespielt haben wir ein paar Stunden mit der PS5-Version verbracht.
(dahe)