Justizminister fordern KI für Justiz und schärfere Gesetze gegen Hass und Hetze

Als Ergebnis der Justizministerkonferenz soll KI für Strafverfolgung und Justiz genutzt werden. Gegen Hass und Hetze sollen Gesetzesänderungen helfen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 16 Kommentare lesen

Justizia soll sich bald auf KI stützen.

(Bild: Wirestock Images/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Imke Stock
Inhaltsverzeichnis

Auf der 95. Justizministerkonferenz (JuMiKo) haben die Justizministerinnen und Justizminister Beschlüsse zur praktischen Arbeit der Justiz im Umgang mit der digitalen Welt und Phänomen wie Hass und Hetze, Deepfakes und Cybermobbing gefasst. Der Einsatz von KI in der Justiz sei "ein wichtiger Baustein, um die Justiz angesichts immer komplexer werdender Verfahren und knapper werdender Ressourcen zukunftsfest auszugestalten", heißt es in einer Mitteilung.

Das "große Potenzial von KI" solle auch im staatlichen Bereich weiter "ausgeschöpft werden". Für das Text- und Data Mining sei Zugriff auf große Mengen an anwaltlichen Schriftsätzen nötig, die potenziell urheberrechtlich geschützt sind. Außerdem müsse die Justiz bei der Erforschung und Entwicklung von KI-Anwendungen mit anderen Stellen zusammenarbeiten dürfen. Genannt wurden dabei als Beispiel mit KI-Forschung befasste Hochschulen.

KI wird bereits in strafrechtlichen Ermittlungen angewendet, kann im Einzelfall aber auch Risiken bergen. Deshalb soll sich nun die Arbeitsgruppe „Digitale Agenda für das Straf- und Strafprozessrecht“ im Strafrechtsausschuss mit den Möglichkeiten des Einsatzes von KI-Programmen und deren rechtlichen Rahmenbedingungen befassen. Das soll auch im Hinblick auf die KI-Verordnung der Europäischen Union geschehen.

Auf der Website des Bundesjustizministeriums werden verschiedene Digitalisierungsprojekte genannt, unter anderem die Entwicklung eines Videoportals der Justiz, eine digitale Rechtsantragstelle, ein zivilgerichtliches Online-Verfahren oder auch eine bundeseinheitliche Justizcloud. KI könnte für ein generatives KI-Sprachmodell der Justiz oder ein universelles Strukturierungstool für Justizverfahrensakten genutzt werden. Als konkrete Projekte werden eine KI-Massenverfahrens-Assistenz (MAKI – Reallabor KI-Assistenz), ein Anonymisierungs- und Leitsatzerstellungs-Kit zur smarten Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen (ALeKS) und ein Textanalysetool zur intelligenten Datenextraktion und Automatisierung der Aktenbearbeitung (INDATA) aufgeführt.

Auch der Einsatz von Videokonferenztechnik in Gerichtsverfahren schreitet voran. Die Justizminister halten eine Klarstellung der gesetzlichen Grundlagen für den Schutz von geheimhaltungsbedürftigen Inhalten für nötig. Das Gericht kann laut § 174 Gerichtsverfassungsgesetz die Öffentlichkeit von der Verhandlung ausschließen und gegenüber "anwesenden Personen" die Geheimhaltung anordnen. Wird danach trotzdem über den Inhalt der Gerichtsverhandlung öffentlich eine Mitteilung gemacht, ist das eine Straftat nach § 353d Strafgesetzbuch. Ob und unter welchen Bedingungen das Gericht eine Geheimhaltungsanordnung gegen eine per Videokonferenz teilnehmende Person treffen kann, soll der Bundesjustizminister nun prüfen.

Desinformation durch Deepfakes ist nicht nur eine Bedrohung der Demokratie, diese können die Reputation von Personen, Institutionen und Unternehmen besonders nachhaltig schädigen. Die JuMiKo fordert den Bund auf, eine Änderung des Zivilrechts zu prüfen, damit sich Betroffene schneller, einfacher und ohne großes Kostenrisiko gegen Deepfakes zur Wehr setzen und auf Entschädigung klagen können. Im Rahmen des künftigen Gesetzes gegen Digitale Gewalt könnte die Justiz die Rolle der Dienstanbieter (etwa sozialer Netzwerke), auf denen die Deepfakes veröffentlicht werden, genauer in den Blick nehmen. Weiterhin wird Regulierungsbedarf bei den Programmen festgestellt, mit denen Deepfakes erstellt werden können. Hier stellt man sich eine Kennzeichnung ähnlich einem Wasserzeichen als Lösung vor.

Beleidigungen sind grundsätzlich Antragsdelikte. Das heißt, ohne förmlichen Antrag des Opfers gibt es keine Strafverfolgung. Hasskriminalität wird hingegen nicht nur als ein Angriff auf einzelne Personen gewertet, sondern auch auf die Demokratie, da es die Grundwerte eines freiheitlich-demokratischen Gemeinwesens berührt. Der Bundesjustizminister soll nun prüfen, ob Beleidigungen, die einen rassistischen, antisemitischen oder sonstigen menschenverachtenden Inhalt haben oder von derartigen Beweggründen getragen sind, auch ohne Strafantrag des Opfers verfolgbar sein sollten.

Weiterhin soll geprüft werden, ob ein erweiterter Strafrahmen beziehungsweise eine erhöhte Mindeststrafe für solche Taten möglich ist. Auch bei sexualbezogenen Beleidigungen und bei Hate Storms (also von mehreren Personen nebeneinander begangene Beleidigungen) soll eine solche Prüfung stattfinden, um den "erhöhten Unrechtsgehalt" im Strafrahmen widerzuspiegeln.

Cybermobbing kann zu digitalen Hetzjagden mehrerer Personen aus dem Netz auch in der Offline-Welt zu vielfältigen Belästigungen und letztendlich körperlichen Auseinandersetzungen führen, wie der Fall des "Drachenlords" zeigt, der Polizei und Justiz jahrelang beschäftigte und in Hass-Demos am Wohnsitz des Mannes gipfelte.

Diesem Phänomen der außer Kontrolle geratenen "Maskengames" ist mit den aktuellen Gesetzen nicht richtig beizukommen, da der Stalking-Paragraf auf das wiederholte Handeln einer Person als Täter ausgelegt ist und kein dynamisches Gruppenverhalten umfasst. Der Bundesjustizminister soll hier eine Anpassung der Gesetze prüfen.

Die JuMiKo findet jedes Jahr im Frühjahr und Herbst statt. Neben den 16 Landesjustizministern und dem Bundesjustizminister nimmt auch ein Vertreter des Rechtsausschusses des Bundesrates teil. Die Konferenz befasst sich mit aktuellen rechtspolitischen Themen. Ihre Beschlüsse können Impulse für die Justizpolitik sein, und diese zu Änderungen von Gesetzen bewegen, sind aber rechtlich nicht verbindlich.

(nie)