OpenSuse 11.1: Frischer Wind

OpenSuse 11.1 bricht mit der Tradition, dass eine neue minor version nur kleine Änderungen bringt. Neben der Trennung von freier und proprietärer Software wartet es mit drei runderneuerten Yast-Modulen und verbesserter Benutzerfreundlichkeit auf.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Andrea Müller
Inhaltsverzeichnis

Seit dem heutigen Donnerstag ist OpenSuse 11.1 verfügbar. Mit Kernel 2.6.27.7, X.org 7.4, KDE 4.1.3 und 3.5.10, Gnome 2.24.1, Firefox 3.0.4 sowie OpenOffice 3 versorgt die neue Version die Anwender mit aktueller Software. Zusätzlich gibt es eine ganze Reihe Neuerungen, von denen die Trennung freier und proprietärer Software am auffälligsten ist.

Das Abnicken des End User License Agreement (EULA) zu Beginn der Installation entfällt bei OpenSuse 11.1, da die Installations-DVD nur freie Software sowie Firmware, die frei weitergegeben werden darf, enthält. Proprietäre Software wie den Flash- und Real-Player sowie Treiber für NVidia- und AMD-Grafikkarten findet man allerdings nach wie vor in dem Online-Paketarchiv "Non-OSS". Für Anwender, die keinen Breitband-Internetzugang haben, stellt OpenSuse die Pakete des Archivs auf einer CD zur Verfügung, die auch den OpenSuse-Boxen beiliegen wird. Diese Trennung sorgt für mehr rechtliche Sicherheit und garantiert den Anwendern größere Freiheit, da OpenSuse 11.1 ohne jegliche Beschränkungen kopiert und weiterverteilt werden kann.

Zu einem Komfortverlust für die Nutzer führt das nicht: Das Non-OSS-Repository wird automatisch in die Liste der Online-Paketquellen eingetragen und einige Anwendungen daraus kommen nach der Installation fast automatisch auf die Festplatte. So meldet sich beim ersten Start des Systems der Update-Assistent zur Installation des Fluendo-MP3-Codecs. Startet der Anwender zum ersten Mal die Software-Verwaltung, ist bereits der Flash-Player und zur Installation ausgewählt.

OpenSuse 11.1 ist da (10 Bilder)

Hier entscheiden Sie sich für ein Update oder die Neuinstallation des Systems.

Am Ablauf der Installation hat sich nur wenig geändert. Die zumeist sinnvollen Vorschläge des Installers kann man gefahrlos übernehmen, hat aber auch die Möglichkeit, bei der Partitionierung, Software-Auswahl und den Bootmanager-Einstellungen selbst Hand anzulegen. Eine Überraschung ist der Partitionierungsassistent, den die Entwickler komplett überarbeitet haben. In einer zweigeteilten Ansicht zeigt er in einer Baumansicht links alle Festplatten, RAIDs und die Volume-Verwaltung an. Klickt man eines der Elemente an, erscheint rechts eine Beschreibung, über die Schaltfläche "Bearbeiten" kann man Partitionen anlegen, löschen, formatieren und den Einhängepunkt festlegen. Positiv sind die vielen Optionen, die der Partitionierer bietet, allerdings ist er unübersichtlicher als das bisherige Tool.

Bei der Wahl des Desktops stehen nur mehr KDE 4 und Gnome gleichberechtigt nebeneinander; KDE 3.5.10 ist unter den Abschnitt "Weitere" gerutscht. Die Entwickler halten KDE 4.1.3 inzwischen für alltagstauglich, wollen aber zumindest den vielen KDE-3-Fans unter den Benutzern noch die Möglichkeit lassen, mit der älteren Version der Desktop-Umgebung zu arbeiten. Unter "Weitere" findet man auch die schlanke Arbeitsumgebung XFCE und einfache Fenstermanager.

Der Übersichtsbildschirm am Ende der Installation erlaubt es, diverse Einstellungen anzupassen, etwa die für Netzwerk, Grafik und den Bootmanager. Danach kann man sich am System anmelden, das standardmäßig ohne 3D-Desktop-Effekte läuft, selbst wenn man eine 3D-beschleunigt laufende Grafikkarte besitzt.

Neben dem MP3-Codec von Fluendo bietet das Update-Applet zusätzlich Smolt zur Installation an, das die Hardware-Informationen des Computers sammelt und an den Fedora-Smolt-Server überträgt. OpenSuse 11.1 beteiligt sich ab sofort am Aufbau der Smolt-Datenbank, durch die die Entwickler erfahren wollen, welche Hardware die Anwender nutzen und wofür Treiber gebraucht werden. Direkt nach der Installation des Smolt-Clients fordert das Update-Applet den Anwender auf, die Hardware-Konfiguration, die man sich zuvor anschauen kann, zu übertragen.

Wie bei jeder neuen Distributions-Version haben die Entwickler die Software auf den aktuellen Stand gebracht – und manchmal sogar noch ein wenig mehr. In das mitgelieferte KDE 4.1.3 haben sie beispielsweise einige Backports von KDE 4.2 eingepflegt, um die Stabilität und den Komfort der Arbeitsumgebung zu erhöhen. Entscheidet man sich für den KDE-Desktop, landen trotzdem einige KDE-3-Programme auf der Festplatte. So stammt der Standard-Audio-Player Amarok noch aus KDE 3. Die erst vor Kurzem fertiggestellte Version 2.0 des Players liegt in einer Beta-Version auf der DVD und kann separat nachinstalliert werden. Neu sind die beiden Plasma-Applets kpower und knetwork, die Informationen über die Energieeinstellungen und das Netzwerk einblenden. Während unseres Tests lief KDE 4.1.3 ausgesprochen stabil, die früher oft auftretenden Abstürze der Plasma-Oberfläche scheinen der Vergangenheit anzugehören. Allein einige Anwendungen crashten immer wieder, so zum Beispiel das Schnellstartfenster krunner – netterweise jedoch erst, nachdem es die gewünschte Anwendung gestartet hatte. Gnome liegt in Version 2.24.1 bei, die sich von Version 2.24 nur minimal und hauptsächlich durch Bugfixes unterscheidet.

Firefox kommt als Standardbrowser zum Einsatz, für alle Aufgaben rund um Text und Tabellen steht OpenOffice 3 bereit. Allerdings handelt es sich nicht um die Vanilla-Version wie man sie auf der Homepage des Projekts findet, sondern um die "Novell Edition". Im Gegensatz zum Original beherrscht sie den Import von SVG-Vektorgrafiken und MS-Works-Dokumenten und bietet vollständige Gstreamer-Integration. So lassen sich leicht MP3-Dateien oder Videos in eine Präsentation einbinden. Eine ausführliche Liste der Unterschiede gibt es online.

Allein auf der DVD befinden sich mehr Programme als man an einem Wochenende ausprobieren kann, viele weitere warten in den Online-Repositories. Für jeden Zweck von Bildbearbeitung, über Publishing, Notensatz, Finanzverwaltung bis hin zu Server-Software fürs Netzwerk haben die Nutzer die Wahl zwischen mehreren Alternativen. Wer ein wenig stöbert, findet auch eher Exotisches wie ksimus zur Simulation elektrischer Schaltkreise oder die Drum Machine Hydrogen.

Neuheiten in Yast sind neben dem runderneuerten Partitionierungs-Tool die Module zur Druckereinrichtung und Sicherheit. Beide wurden grundlegend überarbeitet und besonders beim Drucker-Modul ist das gut gelungen. Der Einrichtungsdialog ist übersichtlicher und bietet nach wie vor eine gute Autoerkennung. In unserem Testnetz konfigurierte er einen per USB angeschlossenen Drucker automatisch, für einen Netzwerkdrucker mussten wir allein die IP-Adresse eintragen und das Modell auswählen.

Der neue Partitonierer in OpenSuse 11.1

Erstmals liegt OpenSuse neben der Sicherheits-Software AppArmor auch das von Red Hat stammende SELinux bei. Es ist standardmäßig deaktiviert und OpenSuse liefert keine Profile mit, will es aber zumindest den Nutzern ermöglichen, SELinux einzusetzen, ohne sich zunächst um einen passenden Kernel kümmern zu müssen.

Eine besondere Erleichterung soll das Feature Hardware Plug&Play bringen. Steckt der Nutzer beispielsweise eine Webcam oder einen WLAN-Stick an, für die kein Treiber installiert ist, schaut OpenSuse 11.1 in den Paketquellen nach, ob es dort einen Treiber für das Gerät mit dieser ID gibt und spielt ihn ein. Damit erspart das System dem Nutzer, erst einmal herauszufinden, welcher Chipsatz in dem Gerät werkelt, ob es dafür überhaupt einen Linux-Treiber gibt und in welchem Paket er steckt.

Was man wann an Software installiert oder entfernt hat, kann man unter OpenSuse 11.1 in der neuen Zypper-Log-Datei /vat/log/zypp/history nachlesen, in der die Paketverwaltung über alle Aktionen Buch führt. Sie vermerkt dort nicht nur, welche Pakete hinzugekommen sind oder entfernt wurden, sondern unter anderem auch, welche Konfigurationsdateien im Verzeichnis /etc/sysconfig verändert oder erstellt wurden.

Mit Version 11.1 hat das OpenSuse-Team ein in fast allen Punkten gefälliges System geschaffen, dass vor allem mit der riesigen Software-Auswahl und leichter Bedienung punktet. KDE 4 scheint die meisten Kinderkrankheiten überwunden zu haben und läuft alltagstauglich stabil. Dennoch ist es positiv, dass die Entwickler sich entschieden haben, KDE 3 noch weiter zu pflegen und es nicht ganz von der DVD verbannt haben, wie man es bei Mandriva 2009 gemacht hat.

Dass das System Gerätetreiber anhand der ID automatisch nachinstalliert dürfte gerade Linux-Neulingen die ersten Schritte mit dem System erleichtern. Die drei überarbeiteten Yast-Module zwingen langjährige OpenSuse-Nutzer sich umzugewöhnen. Beim Drucker-Assistenten und den Sicherheitseinstellungen fällt das nicht schwer, das Tool zum Partitionieren ist jedoch etwas unübersichtlich geraten. (amu) (amu)