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Peugeots Elektro-Auto e-208 im Test: Bei Frost ein Großabnehmer

Clemens Gleich

(Bild: Clemens Gleich)

Peugeots e-208 sieht sehr gut aus, nicht nur optisch, sondern auch von den Eckdaten her. Im Test erweist er sich allerdings als Stromschlucker.

PSAs Elektroplattform e-CMP hat sich schon im Opel Corsa-e Freunde gemacht und findet im Peugeot e-208 einen besonders schicken, verspielten Ausdruck. Die Eckdaten sehen richtig gut aus: Batterie mit 50 kWh brutto (46 kWh netto), DC-Ladung bis 100 kW und AC-Ladung bis 11 kW dreiphasig - letzteres im Peugeot serienmäßig, anders als im Corsa-e. In der Praxis funktioniert das hinreichend gut, wenn die Plattform auch recht ineffizient mit Energie umgeht. Denn gleich vorweg: Die größte Kritik an diesem Auto ist der Verbrauch. Der ist nach Kundenangaben schon im Sommer nicht toll und wird im Winter sehr hoch, weil der Akku zwar gekühlt, aber nicht erwärmt werden kann.

Wir müssen hier jedoch einen Kontext setzen, denn es hat sich in der letzten Zeit irgendwie eingebürgert, alle Elektroautos über einen Kamm zu scheren, als sei ein Renault Zoe (Test) [1] dasselbe wie ein Porsche Taycan (Test) [2]. Kleinere Elektroautos tragen zwar weniger Masse mit sich herum, doch relativ gesehen sind sie meistens deutlich ineffizienter als größere Autos. Effizienz kostet Geld, das in der Kalkulation kleiner Fahrzeuge fehlt. Also verbrauchen sie mehr, als ihre Größe annehmen ließe.

Das sollte niemanden verwundern, weil kleine Autos mit Verbrennerantrieben ebenfalls häufig mindestens relativ, manchmal sogar absolut gesehen ziemliche Schlucker sind. Bevor also jemand den e-208 mit einem Tesla Model 3 (Test) [3] vergleicht: Der Kontext ist der Renault Zoe, der bei Autobahntempo 130 km/h (Topspeed: 135 km/h) oder Winterwetter ebenfalls viel Strom verbraucht. Vor diesem Hintergrund ist die PSA-Plattform zwar nicht toll, aber immerhin nachvollziehbar im Verbrauch.

Also, der Peugeot zeigte bei einer Strecke mit etwa Hälfte Landstraße, Hälfte Autobahn mit Vmax 130 km/h einen internen Verbrauch von 23,4 kWh/100 km an. Temperaturen um den Gefrierpunkt, Strecke 207 km, die ich nicht in einem Rutsch schaffte, sondern ich musste Nachladen, sonst wäre ich nach geschätzt etwa 170 km bei Null gewesen. Mehr sollten Kunden nicht als unbedingt zu erreichende Ladereichweite im Winter einplanen, sondern eher weniger, denn das war mein bester Verbrauch.

Peugeot e-208 außen (0 Bilder) [4]

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Auf der Landstraße mit Vmax 100 km/h und längeren Fahrten von 45 Minuten fahren – 45 Minuten stehen – 45 Minuten fahren meldete das Auto schon 24,6 kWh/100 km. Beim Kurzstreckenbetrieb mit Einkaufen auf Strecken von 10 bis 17 km stieg der Verbrauch laut Anzeige schon auf 27,6 kWh. Einen Großteil der Energie lud ich daheim am Ladeziegel nach, wovon ich abraten muss. Aus unerfindlichen Gründen begrenzt PSA den Ladestrom auf maximal 8 Ampere, die durchschnittliche Ladeleistung liegt bei 1,6 bis 1,7 kW. Das 12-V-System bleibt während der Ladung wach und zieht saftig Strom (danke an Harald Linden für seine Neugier hier [6]).

Gepaart mit erhöhten Ladeverlusten liegt der Mehrverbrauch mit Ladeziegel bei fetten 20 Prozent. Also habe ich bei der 130-Tour brutto 30,6 kWh/100 km bezahlt, bei der längeren Landstraßenfahrt 34,1 kWh und beim Alltags-nähesten Kurzstreckenbetrieb 37,4 kWh. Wer dieses Auto kauft, sollte daheim nicht an Schuko laden, sondern eine Wallbox einkalkulieren, solange die KfW dafür noch 900 Euro verschenkt [7]. Langfristig ist das hier schon bei geringeren Fahrleistungen günstiger. Bei höheren Ladeleistungen sinken die Ladeverluste nämlich auf den Stand der Technik von rund 10 Prozent.

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Ich habe mich mit Kollegen unterhalten, die deutlich niedrigere Werte vom Display ablasen bei vergleichbaren Außentemperaturen. Des Rätsels Lösung: Es waren dort meist Warmverbräuche. Das Auto lief also vorher schon (etwa auf einem anderen Testzyklus), die Kabine war durchgewärmt. Warmverbräuche sind in den meisten Alltagen selten, sie kommen erst auf der Langstrecke vor. Ich empfehle Ihnen, für einen Deutschland-üblichen Pendelbetrieb eher meine Kaltverbräuche als Anhaltspunkt zu nehmen, als im Winter selten erreichbare Warmverbräuche. Die Planung muss ja immer für den Winter reichen.

Die guten Nettoverbräuche, die Kollege Christoph Schwarzer im Opel Corsa-e maß [9], müssen Sie im Kontext "Sommer" und "lange Testrunde" sehen. Um im Winter gute Reichweiten zu erreichen, hilft es auch im e-208, ihn vorzuheizen. Dann zeigt das Auto intern bessere Werte an, es steigen die zu zahlenden Stromkosten allerdings noch einmal ein gutes Stück.

Zur Ineffizienz führen Ladegerät, nicht abgeschaltete Verbraucher beim Laden, aber auch ein etwas hingewursteltes Kabinenlüftungs-/Heizsystem. Wenn ich 21° C einstellte, heizte das Auto nach dem Kaltstart selbst nach 30 Minuten: gar nicht. Also zu hoch einstellen, aber dann nach Pausen herunterklickern müssen, weil das Thermometer nach Pausen aus dem warmen Wagen offenbar andere Werte erhält. Die typischen Lüftungs-Zuweisungen (Scheibe, Beine, etc.) sind im Winter nicht benutzbar, weil dann die Scheibe alle 10 km beschlägt, was sich nur mit Enteisertaste oder Umschalten auf Automatik lösen lässt (auf Automatik keine Zuweisungen).

Dort, wo beim Corsa der Button für die Scheibenlüftung ist, gibt es beim 208 entsprechender Ausstattung nämlich nur den Knopf für die Sitzlüftung. Die Frontscheibenlüftung fehlt dann als Bedienelement. Wer das gebaut hat, braucht ein paar sanfte Schläge auf den Hinterkopf. Die Automatik hat jedoch für mich bis auf das falsch gehende Thermometer okay funktioniert.

Peugeot e-208 innen (14 Bilder) [10]

[11]
Premiumplastik mit echten Nähten.
(Bild: Clemens Gleich)

Von solchem Nonsens ausgehend kann man vielleicht den Kollegen Martin verstehen, der die Infotainment-Bedienung von PSA nicht besonders mochte. Ich habe ausgehend von meinen Erfahrungen mit Volkswagen [12] jedoch niedrigere Ansprüche. Ja, das Interface ist nicht besonders durchdacht, aber hey: Es funktioniert alles! Nach fünf Minuten weiß ich, dass es zwei verschiedene Lüftungsmenus gibt. Ich weiß nicht, WARUM das so ist, aber es ist mir ehrlich gesagt egal. Hauptsache: Es funktioniert. Es funktioniert sogar ziemlich gut, würde ich sagen.

Thema Spracheingabe: Geht nur online, dann aber zuverlässig, Industriestandard mit Nuance-System. Offline kommt eine eindeutige Fehlermeldung. Das war mehr, als mir der VW Golf bot. Das Radio klingt super, eine große Stärke im ganzen PSA-Konzern. Wer in vielen kleineren Citroens oder Peugeots Radio hört, kann einmal sehen, was sich aus vergleichsweise günstigen Komponenten herausholen lässt, wenn man Ahnung von Akustik hat.

Sogar die Spurhaltung war viel besser als erwartet. Der Assistent kann dauerhaft einer markierten Fahrspur folgen – auch das mehr, als der Golf bietet. Der 208 fährt zwar beschwipste Schlangenlinien und kuschelt sich gern unangenehm nah an LKW heran, aber es funktioniert erstaunlich lange erstaunlich gut. Zudem meckert das System nicht über eine laissez-faire französisch-locker eingehängte Hand am Lenkrad. Die technische Umsetzung dieses erstaunlichen Features: Der Peugeot interessiert sich gar nicht dafür, ob die Hände am Lenkrad sind. Und ich sage: Besser so als das ständige Ringen mit einem Lenkrad, das sich obendrein ständig beschwert anderswo.

Bei der Plattform macht PSA ein paar Kompromisse, um alle Antriebsarten unter einen Blechhut zu kriegen. Statt der segmentüblichen Verbundlenkerachse verbauen die Franzosen eine Starrachse mit Panhard-Stab. Damit gewinnt der Akkurahmen ein Stück Länge, wo sonst der Drehstab entlanglaufen müsste. Das klingt rustikal, fährt sich aber auch nicht anders als andere PKW mit Starrachse hinten. Oder halt: Es fährt sich tendenziell besser, denn der Abstimmung hilft wie immer das hohe Gewicht des Fahrzeugs. Der Federkomfort war gut, fand ich, und das trotz des GT-Pakets, das eine andere, wahrscheinlich "sportlichere" Abstimmung erhielt als das Standardfahrwerk. Zu erkennen ist das Paket außer am Aufkleber an den schwarzen Radkastenverbreiterungen, die wegen der breiteren Spur nötig waren.

Peugeot e-208 von unten (5 Bilder) [13]

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Kollege Habegger lieh mir seine Hebebühne. Sehen wir uns die Plattform von unten an!
(Bild: Clemens Gleich)

Der Motor tritt unten kräftig genug an. Seine Nennleistung von 100 kW reicht trotz des hohen Gewichts völlig aus, und bei 150 km/h ist sowieso Schluss. Als etwas störend empfand ich das hohe Antriebsspiel. Im flüssigen Fahrbetrieb egal, im Stau bei ständigen Lastwechseln deutlich auffallend und anderswo besser. Insgesamt sind Fahrwerk und Antrieb nichts Besonderes, aber sie machen manchmal fast ein bisschen Spaß und fressen ansonsten komfortabel Kilometer.

Die Plattform hält in etwa das, was ihre Eckwerte versprechen, bis auf den erhöhten Verbrauch. Den stellten Besitzer bereits bei Sommertemperaturen fest. Wer keinen günstigen Eigenstrom verwenden kann, sollte genau durchrechnen, ob er nicht langfristig günstiger fährt, wenn er eine Schublade höher greift zu einem gerade im Winter effizienteren Koreaner der Kompaktklasse oder einem VW ID.3 in der Basisversion - wenn Wolfsburg dort die Software repariert hat.

Die Überführungskosten hat PSA übernommen, jene für Strom der Autor.

Hersteller Peugeot
Modell e-208
Motor und Antrieb
Motorart Permanenterregter Synchronmotor
Boost-Leistung in kW (PS) 100 (136)
Drehmoment in Nm 260
Dauerleistung in kW (PS) 57 (77)
Antrieb Frontantrieb
Maße und Gewichte
Radstand in mm 2540
Leergewicht in kg 1585
Zuladung in kg 325
Wendekreis in m 10,4
Akkukapazität netto in kWh 46
Akkukapazität brutto in kWh 50
Max. Ladeleistung AC in kW 11
Max. Ladeleistung DC in kW 100
Fahrleistungen
Beschleunigung 0-100 km/h in s 8,1
Höchstgeschwindigkeit 150
Verbrauch
Testverbrauch in kWh / 100 km brutto 30 bis 37 (s. Text)
Üblicher Netto-Verbrauch im Sommer circa 17
Verbrauch nach WLTP 17,6
Daten Stand Dezember 2020
Modell Peugeot e-208
Ausstattungslinie Allure Pack
Preis für diese Ausstattungslinie 32.022
Infotainment
DAB+ Serie
USB-Anschluss Serie
Soundsystem -
Navigationssystem 721
Verkehrsdaten in Echtzeit bei Navi Serie
Freisprecheinrichtung Serie
Head-up-Display -
Android Auto/Apple CarPlay Serie
kabelloses Laden von Handys 146
Assistenz
Tempomat Serie
Abstandstempomat 292
Einparksensoren vorn -
Einparksensoren hinten Serie
Einparkassistent -
Rückfahrkamera Serie
Totwinkelwarner -
Müdigkeitserkennung Serie
Spurhalteassistent 390
Matrix-Licht -
Funktion
LED-Scheinwerfer Serie (Eco-LED-Scheinwerfer)
Alarmanlage -
schlüsselloser Zugang 292
Mode-2-Green'Up-Ladekabel (Typ 2, bis 3,6 kW) 195
Ladegerät dreiphasig Serie
Komfort
Sitzheizung 283
Ledersitze -
beheizbares Lenkrad -
Lederlenkrad Serie
Klimaautomatik Serie
Schiebedach -
festes Glasdach -
Sonstiges
Metalliclack ab 507
Leichtmetallfelgen Serie
Preisliste Stand 8. Dezember 2020
Mehrwertsteuer 16 Prozent

(cgl [15])


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[1] https://www.heise.de/tests/Renaults-E-Auto-Zoe-im-Test-3-phasig-gluecklich-4682719.html
[2] https://www.heise.de/tests/Die-elektrische-Rennreiselimousine-Porsche-Taycan-im-Langstreckentest-4964225.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Klartext-Tesla-schoener-Goetterfunken-4606115.html
[4] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4986261.html?back=4986311;back=4986311
[5] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4986261.html?back=4986311;back=4986311
[6] https://twitter.com/HaraldLinden/status/1336040693622566912/photo/1
[7] https://www.heise.de/ratgeber/Ladehilfe-Wie-Wallboxen-gefoerdert-werden-4952130.html
[8] https://www.heise.de/Datenschutzerklaerung-der-Heise-Medien-GmbH-Co-KG-4860.html
[9] https://www.heise.de/tests/Opels-Elektro-Kompaktwagen-Corsa-e-im-Test-Das-beste-Paket-4873509.html
[10] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4986292.html?back=4986311
[11] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4986292.html?back=4986311
[12] https://www.heise.de/tests/VWs-Mildhybrid-Golf-1-0-eTSI-im-Test-guter-Antrieb-schlechte-Software-4976864.html
[13] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4986304.html?back=4986311
[14] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4986304.html?back=4986311
[15] mailto:cgl@ct.de