"Scorn" angespielt: Eine Spielwelt wie keine andere

Rätselhaft und verstörend: Hinter der beeindruckenden Kulisse von "Scorn" steckt ein cleveres Horror-Puzzle-Abenteuer.

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(Bild: heise online)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Andreas Müller
Inhaltsverzeichnis

Angelehnt an die düsteren Bilderwelten der Künstler Zdzisław Beksiński und HR Giger inszeniert das serbische Entwicklungsstudio Ebb Software mit "Scorn" (dt. "Verachtung") ein einzigartiges Grusel-Abenteuer. In einem Mix aus Horror-Schocker, Puzzle-Abenteuer und Ego-Shooter schicken sie Spieler und Spielerinnen auf eine verstörende wie bildgewaltige Reise in eine Albtraumwelt, die in diesem Videospieljahr ihresgleichen sucht.

Wo ich bin, was ich bin und wohin ich muss, ist von der ersten Minute an rätselhaft. Mein Alter Ego löst sich aus einem glibbrigen Kokon und stapft durch eine Welt, in der alles tot und lebendig zugleich ist. Verrottete Ruinen stehen neben scheinbar blutenden Wänden, aus dem Hintergrund hallen die gequälten Geräusche anderer Lebewesen durch die dunklen Gänge. Auch später, wenn ich durch eine wüstenartige Einöde irre, eine Art Raumschiff erkunde und einen Tempel mit Götzenbildern finde, bleiben mehr Fragen als Antworten zurück.

"Scorn" angespielt (5 Bilder)

Rätselhaft, brutal und verstörend – "Scorn" ist keine leichte Kost. (Bild: heise online)

Das Entwicklungsstudio Ebb Software gibt bei ihrem Erstling keinerlei Hilfestellung. Es gibt praktisch kein Interface, keine Dialoge und nicht einmal einen Kompass, der zumindest die Richtung zum nächsten Spielziel weist. "Scorn" ist also nicht bloß ein Shooter im "Alien"-Look. Spielerisch ähnelt es eher "Portal" oder "The Talos Principle" als "Dead Space". Im Prinzip landen die Spieler und Spielerinnen in größeren, manchmal mehrere Stockwerke umfassenden Gebieten, aus denen sie sich durch Rätsellösen befreien müssen.

Einmal gilt es, pulsierende Eier in einer monströsen Maschine zu sortieren. Dann muss ich Schalterrätsel lösen oder auf mehreren Terminals eine Lichtkugel durch ein Labyrinth steuern. Aufwändig wird es, wenn ich einen Aufzug über mehrere Stockwerke transportiere, indem ich verschiedene Greifarme in Bewegung setze. All das wird aber nur möglich, weil ich immer wieder Implantate finde, mit denen ich Türen öffnen und mit merkwürdigen Apparaten interagieren kann. Das klingt anfangs kompliziert. Wer aber aufmerksam die Umgebung beobachtet, findet schnell den richtigen Ansatz. Danach läuft alles sehr linear ab.

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Nach einigen Stunden tauchen ein paar Monster auf. Wie Würmer kriechen sie aus den Löchern und spucken mit Säure. Andere werfen Giftklumpen. Besonders hartnäckig sind große unförmige Monster, die mich rammen und fressen wollen. Es kommt sogar zu einer Art Bosskampf, als ich auf eine Art Frankenstein-Monster treffe. Um die Monster zu besiegen, finden sich später Waffen, die an Pumpgun und Granatwerfer erinnern, aber erst unter Schmerzen in den Körper hineinwachsen müssen.

Wer es bis jetzt noch nicht gemerkt hat – "Scorn" ist kein Spiel für Zartbesaitete. Nicht nur, dass diese Welt mit ihrer Mischung aus morbider Fantasie, Sado-Masochismus und ekligen Schleimwänden tiefe Eindrücke hinterlässt, sondern auch durch viele Details. Lebenspunkte werden aufgefüllt, in dem sich Tentakel durch den Körper bohren. Irgendwann frisst sich ein Parasit durch den Bauch und am Ende muss ich einen Embryo zerquetschen, um an sein Blut zu kommen.

Ist das Kunst oder kann das weg? Ebb Software gibt darauf keine Antwort. Etwas selbstverliebt verstecken sie sich hinter imposanten Bildern und gehen jeder Antwort aus dem Weg. Dazu verlassen sie sich ein wenig zu sehr auf das Repertoire von "Alien"-Künstler HR Giger und Zdzisław Beksiński. Denn so beeindruckend "Scorn" auch ist – viele eigene Bildideen findet das Entwicklungsstudio nicht. Das kann wahlweise als Hommage an zwei große Künstler oder als Kopie verstanden werden.

Puh, erstmal Luftholen. Ebb Software gelingt mit "Scorn" ein visuell bedrückendes Albtraumszenario, das so schnell nicht loslässt. Die Rätsel sind nicht unbedingt originell, aber knifflig, und der Mix mit anderen Genres wie Horror-Schocker und Shooter sorgt für ständige Spannung. Interessierte Spieler und Spielerinnen sollten aber gewarnt sein: Ebb Software ist nicht zimperlich in der Darstellung von Gewalt und bewegt sich oft am Rande des Zumutbaren.

Am Ende hätten wir gern mehr erfahren und gesehen. Nicht, dass wir uns auf jede Frage nach dem Sinn dieses Albtraums eine Antwort wünschen, aber ein paar Anhaltspunkte als Gegenwichte zum verstörenden Geschehen auf dem Bildschirm hätten schon gereicht. "Scorn" ist faszinierend morbide, aber auch ein ratlos machender Trip ins Ungewisse.

"Scorn" erscheint am 14. Oktober für Windows, Xbox Series. Es kostet ca. 40 €. Es ist im Game Pass enthalten. USK ab 18. Für unseren Artikel haben wir die Windows-Version gespielt.

(dahe)