”White Shadows” angespielt: Bezaubernd morbide Fabel in Schwarzweiß

Im 2D-Plattformer ”White Shadows” vom deutschen Entwicklungsstudio Monokel wandelt ein Krähenmädchen auf den Spuren von ”Limbo”.

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(Bild: heise online)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Andreas Müller

Alle Tiere sind gleich – mit dieser Weisheit aus George Orwells ”Farm der Tiere” beginnt in ”White Shadows” das Abenteuer eines kleinen Krähenmädchens, das sich durch die rätselhaften Schluchten einer Großstadtmetropole wagt. Das sieht schön morbide aus, regt zum Nachdenken an, ist aber sehr kurz geraten.

Endlose Röhren, fliegende Schiffe und die Fratzen der Fabriken, die unsere Heldin erdrücken wollen – die Welt von ”White Shadows” ist eine Dystopie im bedrückenden Industrial-Look. Statt Menschen arbeiten Tiere in den dampfenden Fabriken, Schweine werden zur Schlachtbank geführt und Küken geschreddert. Kein Wunder, dass gleich zu Beginn vor den verstörenden Inhalten des Spiels gewarnt wird. Es ist aber kein Splatter-Horror, sondern eine düstere Fabel über Unterdrückung, Manipulation und Missbrauch. Überall hagelt es Verweise auf George Orwell und das Steampunkgenre.

"White Shadows" angespielt (5 Bilder)

Rätselhaft und wunderschön – ”White Shadows” wandelt gekonnt auf den Spuren großer Vorbilder wie ”Limbo” und ”Inside”. (Bild: heise online)

In diesem Albtraumszenario macht sich ein kleines Krähenmädchen auf eine abenteuerliche Reise. Sie kriecht durch enge Röhren und weicht tödlichen Gefahren aus, bis sie endlich dem sogenannten Propheten gegenübertritt. Woher das Mädchen kommt und was dieser Prophet will oder symbolisiert, sind alles Fragen, die auch am Ende der rund 3-stündigen Spielzeit nicht restlos geklärt werden. Insofern ist es tatsächlich ein Puzzle-Plattformer.

Spielerisch erinnern Ablauf und visuelle Umsetzung an moderne Indie-Klassiker wie ”Limbo” oder dessen Nachfolger ”Inside” von Playdead. Ähnlich wie bei diesen Vorbildern muss die Heldin ein wenig Geschick bei Sprüngen beweisen oder kleine Rätsel lösen. Oft muss sie sich überlegen, wie sie mit Kisten eine Barriere überwindet, Maschinen aktiviert oder den Scheinwerfern der Wachposten entkommt. Herausfordernd ist das nicht – meist ist das Problem auf den ersten Blick durchschaut und gelöst. Die Steuerung ist intuitiv und verlässt sich auf ein paar wenige Eingaben mit dem Gamepad

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Die Spieler und Spielerinnen müssen sich entscheiden, ob sie sich auf die Interaktion konzentrieren oder einfach diese Welt mit all ihren Gefahren und Rätseln bewundern sollen. Vieles spielt sich im Hintergrund ab. Fabriken, in denen humanoide Schweine zusammengepfercht auf ihre Verarbeitung warten und geheimnisvolle metallische Geräusche, die aus den Boxen klingen, erzeugen eine konstante bedrohliche Stimmung, die durch die geschickten Licht- und Schattenspiele der herausragenden visuellen Umsetzung unterstrichen werden.

Die Stadt ist hier nicht nur eine eindrucksvolle Tapete, sondern droht das kleine Krähenmädchen mit ihrer monströsen Architektur zu erdrücken. Wer damit leben kann, dass am Ende mehr Fragen als Antworten offen bleiben, darf sich auf ein optisch beeindruckendes Abenteuer freuen, das sich vor seinen großen Vorbildern nicht verstecken braucht.

Wenn die Credits rollen, wünscht man sich mehr davon: mehr von dieser Welt, mehr von diesen Bildern und vor allem mehr Antworten. Das Entwicklungsstudio von "White Shadows" macht es Spielern und Spielerinnen nicht leicht und überlässt vieles dem Kopfkino. Die Stärken dieses Abenteuers stecken nicht in den spielerischen Elementen, sondern in der visuellen Umsetzung. Das Spiel von Licht und Schatten, die monströse Architektur und die flüssigen Animationen sind in ihrer Perfektion einzigartig in der deutschen Spielelandschaft. Schade, dass am Ende ein wenig das Gefühl bleibt, hier steht doch wieder einmal der Stil über der Substanz.

”White Shadows” ist für Windows, PS4 und Xbox One erschienen. Es kostet ca. 20 €. USK ab 16. Für unseren Test haben wir die Windows-Version durchgespielt.

(dahe)