Wizards Unite: 24 Stunden mit dem neuen Harry-Potter-Spiel

Seite 2: Ressourcenmanagement und Fazit

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Auch die virtuellen Gebäude des Spiels haben es in sich. In Gasthäusern kann man "Antiobskuranten" einsetzen, damit sich im Umfeld zusätzliche "Spuren" materialisieren. In Gewächshäusern darf man Saatgut anpflanzen, um die daraus gewachsenen Pflanzen nach 25 Minuten bis 24 Stunden abzuernten. Diese Bepflanzungen kommen auch allen Mitspielern zugute, die das Gewächshaus besuchen. In den Festungen erfüllt man Herausforderungen unterschiedlicher Stufen, wobei sich die Qualität der Belohnungen nach dem Schwierigkeitsgrad richtet. Mit Freunden gemeisterte Herausforderungen honoriert das Spiel mit zusätzlichen Erfahrungspunkten.

Ein eher lästiges Spielelement ist das Ressourcenmanagement. Tränke, Zutaten, Gegenstände, Runensteine, Samen und Wasser werden in separaten "Verliesen" untergebracht, die immer wieder überlaufen, wenn man überschüssige Gegenstände nicht gewissenhaft löscht. Mehr Platz kostet Gold, das erst einmal verdient werden will – sofern man nicht bereit ist, im spielinternen Shop reale Euros dafür auszugeben.

Das ist bei Weitem noch nicht alles: So kann man einen von drei Berufen erlernen (Auror, Magizoologe oder Professor), wofür man Zauberbücher und Schriftrollen sammeln muss. Auch gilt es, einen Ministeriumsausweis zu pflegen, sein Avatar-Foto zu schmücken, einen Zauberstab zu gestalten, ein Hogwarts-Haus zu wählen, Spezialaufträge zu erfüllen, Erfolge abzuhaken und natürlich Tagesaufträge zu erledigen. Und dann ist da noch die Rahmenhandlung: Als Mitglied der Eingreiftruppe zur Wahrung des Geheimhaltungsstatus der Zauberwelt, kurz "W.d.G.", muss man herausfinden, wer hinter dem Desaster steckt, das die magischen Gegenstände in die Welt pustet, und hoffentlich etwas dagegen unternehmen.

Wizards Unite ist sehr textlastig.

(Bild: Niantic)

Für Harry-Potter-Fans erscheint Wizards Unite womöglich als Geschenk Rowlings. Wer mit dem Potterversum nicht auf Du steht, sieht sich hingegen einer steilen Lernkurve gegenüber. Das Pokémon-Universum folgt einer recht einfachen Grundidee: alles fangen, was einem unter die Finger kommt, dann entwickeln und die Besten hochpowern, um damit in Arenakämpfen bestehen zu können. Die Harry-Potter-Welt ist wesentlich komplexer.

Bei Pokémon Go klagten Spieler anfangs, ihnen fehle es an Spieltiefe. Diese hat Niantic im Laufe der Monate und Jahre dann scheibchenweise nachgereicht. Wizards Unite geht hingegen sofort in die Vollen – das ist im besten Fall überwältigend, kann aber auch überfordern.

Auch wenn das Spiel deutlich nach den Filmen gestaltet wurde, bleibt es insofern seinen Ursprüngen treu, als es viel zu lesen gibt. Viel, viel, viel zu lesen. Jeder neue Spielbereich wird mit drei, vier Sprechblasen eingeführt. Überall gibt es Info-Punkte, die weitere Details preisgeben, oft über mehrere Bildschirmseiten hinweg.

Die teils beklagenswerte, teils lachhafte Lokalisierung hilft da nicht: Eine Fehlermeldung lautet doch tatsächlich "Samen und Wasser-Verlies ist voll!". Die (gut versteckte) Online-Hilfe bezeichnet das Inventar als "Tresor" statt als Verlies. Anglophile werden irgendwann entnervt die Spielsprache umstellen – das geht immerhin.

Einige Übersetzungen sind unfreiwillig komisch.

(Bild: Niantic)

Wer von Ingress oder Pokémon Go kommt, dem wird vieles bekannt vorkommen. Die grundsätzliche Spielidee bleibt dieselbe: Durch die Gegend gehen, auf ortsgebundene Symbole tippen, eine Animation abwarten, stehen bleiben, einen möglichst präzisen Strich ziehen, Belohnungen einsacken, weitergehen. Ist die Grundressource bei Pokémon Go der Pokéball, ist es bei Wizards Unite die Zauberenergie.

In Harry Potter: Wizards Unite gibt es irre viel zu tun: Fundwächter unschädlich machen, Tränke brauen, Register pflegen, Pflanzen pflanzen, Tagesaufgaben abhaken, und natürlich: Gaststätten und Gewächshäuser abgrasen sowie Festungen besuchen, um Herausforderungen zu bewältigen. Doch dieses volle Menü hinterlässt zumindest in den ersten 24 Stunden nicht den Eindruck zusätzlicher Spieltiefe. Vielmehr entsteht das Gefühl, dass das Spiel sich auf der horizontalen Ebene verliert: Irgendwie wirkt das Ganze eher verwirrend als motivierend. Vielleicht hätte ein Warnschild am Anfang geholfen: "Muggels müssen leider draußen bleiben." (dahe)