FDP scheitert krachend: Keine Steuergeschenke für Millionäre – Soli bleibt

Bundesverfassungsgericht bestätigt Solidaritätszuschlag. Sieg der sozialen Gerechtigkeit oder bittere Niederlage? Der Kampf um die Abgabe ist nicht vorbei.
Wer für mehr soziale Gerechtigkeit eintritt, konnte am vergangenen Mittwoch (26. März 2025) aufatmen. Denn das Bundesverfassungsgericht hat die im Volksmund liebevoll "Soli" genannte Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer nicht – wie von den Antragstellern gefordert – gekippt, sondern auch in ihrer von CDU, CSU und SPD vor sechs Jahren modifizierten Form für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt.
Neoliberalen, Konservativen und Wirtschaftslobbyisten wie dem Bund der Steuerzahler war der Solidaritätszuschlag schon immer ein Dorn im Auge. Seit vielen Jahren versuchen sie mit allen Mitteln, ihn auf politischem oder juristischem Weg zu beseitigen.
Nun sind mehrere ehemalige FDP-Bundestagsabgeordnete, darunter der frühere Fraktions- und designierte Parteivorsitzende Christian Dürr vor dem höchsten deutschen Gericht mit ihrem Plan gescheitert, Wohlhabenden, Reichen und Hyperreichen gewissermaßen zum parlamentarischen Abschied noch ein gigantisches Steuergeschenk zu machen.
Durch das Urteil wird sich die Kluft zwischen Arm und Reich vorerst nicht noch weiter vertiefen. Außerdem hätte der Wegfall des Solidaritätszuschlages ein Loch von rund 13 Milliarden Euro in den Bundeshaushalt gerissen. Bis zu 65 Milliarden Euro hätte der Staat an die Nutznießer der Klage zurückerstatten müssen.
Künftig hätten Hochvermögende zwei-, profitable Konzerne sogar dreistellige Millionenbeträge pro Jahr sparen können, weil der Soli nicht bloß auf die Einkommensteuer, sondern auch auf die Kapitalertragsteuer (d.h. für Zinsen und Dividenden) sowie die Körperschaftsteuer, also die der Einkommensteuer für natürliche Personen entsprechende Steuerart für AGs und GmbHs, erhoben wird.
CDU, CSU und AfD hatten im Winterwahlkampf 2024/25 dasselbe wie die FDP-Politiker gefordert, weshalb die Stellung zum Solidaritätszuschlag der steuerpolitische Lackmustest dafür war, welche Parteien sich vor der Bundestagswahl offen auf die Seite der materiell Privilegierten stellten – und welche nicht.
Schließlich macht der Solidaritätszuschlag seinem Namen dadurch alle Ehre, dass er nicht nur auf die Lohn- und Einkommensteuer (von Spitzenverdienern), sondern auch auf die Kapitalertrag- und die Körperschaftsteuer (von Anlegern bzw. Unternehmen) erhoben wird. Wer seine Abschaffung fordert, obwohl ihn bloß noch Spitzenverdiener, Rentiers und Kapitalgesellschaften wie GmbHs und AGs entrichten müssen, während über 90 Prozent aller Steuerzahler/innen davon befreit sind, nimmt das Auseinanderdriften der Gesellschaft zumindest billigend in Kauf.
Argumentiert wurde im Verfahren, dass die Ergänzungsabgabe nach dem Auslaufen des Solidarpakts II im Jahr 2019 und ihrer Umgestaltung im Jahr 2020 hätte wegfallen müssen, weil ihr Zweck – die finanzielle Unterstützung des "Aufbaus Ost" – erfüllt sei. Außerdem sei der Gleichheitsgrundsatz verletzt, weil seit 2020 nicht mehr alle Steuerzahler/innen zu der Ergänzungsabgabe auf die Einkommensteuer herangezogen werden.
Dem hat das Bundesverfassungsgericht unter Hinweis auf das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG widersprochen. Allerdings haben die Karlsruher Richter/innen in der Urteilsbegründung ausgeführt, dass der Solidaritätszuschlag nicht dauerhaft, sondern nur zweckgebunden erhoben werden darf. Wenn der Bund keinen wiedereinigungsbedingten Mehrbedarf mehr geltend machen kann, entfällt der Solidaritätszuschlag. Nach einem im Urteil erwähnten Gutachten wird das vermutlich im Jahr 2030 der Fall sein.
Die ungeklärte Zukunft des Soli
Selbst wenn die Vereinigung von BRD und DDR die Erhebung des Solidaritätszuschlages in der nächsten Legislaturperiode verfassungsrechtlich nicht mehr rechtfertigt, bleibt die soziale Ungleichheit – das Kardinalproblem unseres Landes – bestehen. Deshalb stellt sich unweigerlich die Frage, was getan werden kann, um die verteilungspolitische Wirkung des Solis auf Dauer zu stellen. Keine sinnvolle Lösung wäre die Einbeziehung des Solidaritätszuschlages in die Einkommensteuer, weil die Kapitalgesellschaften durch seinen Wegfall bei der Körperschaftsteuer begünstigt würden.
Wegen der hohen Freibeträge müssen den Solidaritätszuschlag in diesem Jahr bloß noch Einzelveranlagte entrichten, die ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von mindestens 73.484 Euro (zusammen Veranlagte: 146.968 Euro) bezahlen. Für diese Steuerzahler/innen beginnt dort eine sog. Milderungszone, in welcher der Prozentsatz an zu zahlendem Solidaritätszuschlag schrittweise ansteigt, bis er bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von über 100.000 Euro (zusammen Veranlagte: über 200.000 Euro) in voller Höhe von 5,5 Prozent auf die Steuerschuld fällig wird.
Da wachsende Ungleichheit den gesellschaftlichen Zusammenhalt schwächt und Gift für die Demokratie ist, sollten finanzstarke Bürger in einer Krisensituation wie der gegenwärtigen nicht weniger, sondern mehr Verantwortung für die Staatsfinanzen übernehmen.
Durch die Umwidmung des Solidaritätszuschlages zu einem Krisensoli und die Verdopplung seiner Höhe auf elf Prozent der Steuerschuld könnten Spitzenverdiener, Aktionäre und Konzerne an den Folgekosten der sich überlappenden Krisen (Covid-19-Pandemie, Inflation, Energiepreisexplosion im Gefolge des Ukrainekrieges und drohende Klimakatastrophe) für den Staat beteiligt werden.
Für Singles mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 100.000 Euro, also einem Bruttomonatsverdienst von rund 10.000 Euro, wird Einkommensteuer in Höhe von 31.088 Euro und ein Solidaritätszuschlag von 1.325,42 Euro fällig. Würde die Höhe der Ergänzungsabgabe verdoppelt, also für Spitzenverdiener auf elf Prozent der Einkommensteuerschuld erhöht, beliefe sich die Mehrbelastung gerade mal auf 110,45 Euro im Monat – wohlgemerkt: bei einem Bruttoeinkommen von rund 10.000 Euro. Wer hierüber verfügt, müsste folglich auch dann nicht darben.
Will man neben Spitzenverdienern auch Hochvermögende stärker zur Finanzierung sozialer Ausgleichsmaßnahmen heranziehen, wäre eine Sonderabgabe für den Bund nach Vorbild des Lastenausgleichs des Jahres 1952 denkbar, beispielsweise in Höhe von zehn Prozent des Nettovermögens, gestreckt über einen fünfjährigen Zeitraum – also zwei Prozent pro Jahr. Betroffen davon wären Nettovermögen im Wert von über 1 Million Euro.
Die weiteren Freibeträge könnte man analog zur Erbschaft- und Schenkungsteuer ausgestalten. Dann betrügen sie für Ehe- bzw. Lebenspartner/innen 500.000 Euro und für jedes Kind 400.000 Euro. Bei einer vierköpfigen Familie würde die Vermögensabgabe aufgrund der Freibeträge für einen Lebenspartner bzw. eine Lebenspartnerin und zwei Kinder also ab einem Nettovermögen von 2,3 Millionen Euro fällig. Unberücksichtigt bliebe selbstgenutztes Wohneigentum, wenn seine Fläche 200 Quadratmeter nicht überschreitet.
Prof. Dr. Christoph Butterwegge hat von 1998 bis 2016 Politikwissenschaft an der Universität zu Köln gelehrt und zuletzt die Bücher "Deutschland im Krisenmodus. Infektion, Invasion und Inflation als gesellschaftliche Herausforderung" sowie "Umverteilung des Reichtums" veröffentlicht.
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