Sulfurylfluorid: 7.500 Mal klimaschädlicher als CO2 und weiter zugelassen

Profume-Gasflasche vor Holz mit Borkenkäfer-Verbotsschild und Erdkugel mit Teperaturwarnschild

Ein hochgiftiges Gas bedroht unser Klima. Sulfurylfluorid wird massenhaft im Hamburger Hafen eingesetzt. Umweltverbände klagen jetzt dagegen.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), das Umweltinstitut München und Protect the Planet klagen gegen die Anwendung des extrem klimaschädlichen Pestizids ProFume. Erklärtes Ziel ist es, Unternehmen per Gesetz zu verpflichten, das Gas nach der Nutzung unschädlich zu machen.

Würde die EU das Verbot des Wirkstoffs Sulfurylfluorid auf Pestizid-Anwendungen ausweiten, würde das Gift nicht mehr in die Atmosphäre gelangen und weiter das Klima anheizen, argumentieren die Verbände.

Das Pestizid ist nicht nur hochgiftig, sondern auch eine massive Bedrohung für unser Klima. Dessen Konzentration in der Atmosphäre steige immer weiter an, die Wirkung entspreche der von mehreren Millionen Tonnen Kohlendioxid, heißt es im Abschlussbericht des Biozid-Komitees.

Sulfurylfluorid wirkt ähnlich wie Methan, hauptsächlich in den ersten Jahrzehnten nach der Emission. So ist das Gas innerhalb von zwanzig Jahren nach seiner Ausbringung bis zu 7.500 Mal klimaschädlicher als Kohlendioxid.

Bisher war das extrem klimaschädliche und giftige Gas Sulfurylfluorid in der EU sowohl als Biozid als auch als Pestizid zugelassen. Im Oktober erreichte das Umweltinstitut München einen Teilerfolg: Im September hat die EU-Kommission die Genehmigung für Sulfurylfluorid als Biozidwirkstoff widerrufen.

Somit dürfen Biozide wie Holzschutzmittel oder Insektensprays kein Sulfurylfluorid mehr enthalten. Für den Einsatz in der Landwirtschaft hingegen – etwa bei der Behandlung von Lebensmitteln oder Holzstämmen – bleibt der Stoff weiterhin als Pestizid zugelassen. So werden neben Maschinen auch Getreide, Nüsse, Kakao, Schalen- und Trockenfrüchte mit dem Gift begast.

Bereits im Mai 2024 hatte sich die DUH, das Umweltinstitut und drei andere Umweltverbände in einem offenen Brief an Agrarminister Özdemir mit der Forderung gewandt, das Umweltgift ProFume in Deutschland nur mit weitreichenden Anwendungsbeschränkungen zuzulassen oder, falls das nicht möglich ist, die Zulassung zu stoppen. Doch bisher ohne Erfolg.

Giftschleuder Hamburger Hafen

Der weitaus größte Anteil des Gifteinsatzes umfasst Holzstämme für den Export in Containerschiffen. So werden aus Hamburg jedes Jahr Hunderttausende Tonnen Holz exportiert – ein großer Teil davon in Form von Baumstämmen. Importierende Länder wie China bestehen darauf, dass das Holz frei von Schädlingen ist, etwa dem Borkenkäfer.

Zu diesem Zweck werden die Export-Holzstämme mit dem hochgiftigen Mittel ProFume (Wirkstoff: Sulfuryldifluorid) behandelt, das alle Insekten auf den Holzstämmen abtötet.

Die Holzstämme werden zusammen mit einer Gaskartusche in den Container gelegt und die Türen fest verschlossen. Das Gas tritt aus der Kartusche aus, nach 24 Stunden wird die leere Kartusche entnommen. Das Gas wird weder abgesaugt noch gefiltert, sodass es in die Umwelt entweichen kann.

Laut Angaben des Hamburger Senats wurden im Jahr 2019 im Hamburger Hafen mehr als 200 Tonnen Sulfuryldifluorid verwendet – das entspricht dem jährlichen Kohlendioxid-Fußabdruck von mehr als 115.000 Deutschen. Über die deutschlandweite Anwendung melden die Behörden widersprüchliche Zahlen. So gab das BVL für das Jahr 2019 für ganz Deutschland einen Verbrauch von ca. 150 Tonnen an.

Der Hamburger Senat hingegen meldete allein für die Stadt Hamburg einen Verbrauch von mehr als 200 Tonnen. Allerdings veröffentlichen nicht alle Bundesländer ihre Zahlen. Laut DUH entsprachen die Sulfurylfluorid-Emissionen im Jahr 2022 deutschlandweit rund drei Millionen Tonnen Kohlendioxid.

Risiken für Mensch und Umwelt

Sulfurylfluorid greift in den Glykose- und Fettsäurezyklus der Insekten ein und entzieht ihnen die zum Überleben erforderliche Zellenergie. Das Gas ist giftig beim Einatmen, kann die Organe schädigen und ist sehr giftig für Wasserorganismen. Es wirkt sich aus auf das Allgemeinbefinden und auf das Zentralnervensystem und könnte sogar die Lungen schädigen.

Ungeklärt ist bisher, ob das Gift schädigend in das Hormonsystem des Menschen eingreift, ob sich der Stoff toxisch auf die Reproduktion auswirkt, oder ob es ungeborene Kinder während der Schwangerschaft schädigt. Im Laufe des Verfahrens wurden relevante Verunreinigungen durch eine andere gesundheitlich problematische Chemikalie – Thionylfluorid – festgestellt.

Wichtige Fragen für die Gesundheit von Menschen und Umwelt wurden jedoch nicht geklärt. Die EU-Behörden wandten darum das Vorsorgeprinzip an und zogen die Genehmigung für die Anwendung als Biozidwirkstoff zurück. Selbst wenn der Hersteller Douglas Chemicals Verunreinigungen und gesundheitliche Gefahren durch den Einsatz von Sulfurylfluorid in den Griff bekäme – die Klimaschäden bleiben, warnt das Münchener Umweltinstitut.

Hitze, Schädlingsbefall und Begasung bilden einen Teufelskreis

Der Einsatz von Sulfurylfluorid ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Dem Umweltinstitut zufolge stieg der Absatz von Sulfuryfluorid innerhalb von Deutschland von 50 Tonnen im Jahr 2015 bis 2020 auf rund 200 Tonnen an. Wurden im Hamburger Hafen 2015 noch 17 Tonnen des Giftes verbraucht, stieg die jährlich verbrauchte Menge in den vergangenen Jahren auf 100 bis 230 Tonnen.

Die dadurch entstandenen Emissionen summierten sich allein im Hamburger Hafen von 2019 bis 2022 auf rund drei Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente. Das ist mehr als die jährlichen Treibhausgasemissionen des innerdeutschen Flugverkehrs erzeugen. Hinzu kommen die Emissionen aus anderen Begasungsstandorten in Deutschland sowie in anderen europäischen Häfen.

Diese Entwicklung ist hauptsächlich auf die Hitze- und Dürreperioden in den Jahren 2018 bis 2021 zurückzuführen, welche die Ausbreitung des Borkenkäfers in den Wäldern begünstigten. Fast fünf Prozent der deutschen Waldfläche wurden in dieser Zeit zerstört.

Die anfallenden Holzmengen waren so groß, dass sie zeitweise nicht verarbeitet werden konnten. Das Holz wurde zu großen Teilen exportiert – und zu diesem Zweck mit Sulfurylfluorid begast.

Aufgrund der klimatischen Entwicklung wird künftig immer mehr Holz eingeschlagen, schätzt das Umweltinstitut. Damit werde der Export von Holz und der Einsatz von Sulfurylfluorid weiter zunehmen.

Scheitern Alternativen an der Bürokratie?

Alternative Gase, die eine deutlich geringere Wirkung auf das Klima haben, sind für die Behandlung von Rundholz in der EU nicht zugelassen. So wird nach Angaben des BVL derzeit kein alternatives Mittel geprüft. Eine Zulassung sei zeit- und kostenintensiv, bemängelt der Grünen-Politiker Karl Bär.

Andere Länder sind da weiter: In Serbien und Tschechien etwa ist Phosphorwasserstoff als Begasungsmittel für Rundholz zugelassen. Das ist allerdings explosiv und deren Anwendung gefährlich. Längst gibt es umweltfreundlichere Alternativen wie thermische Behandlung, die allerdings mit hohem Energieverbrauch einhergehen oder Unterwasserlagerung. Beides werde aus logistischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht genutzt, kritisiert das Umweltinstitut München.

Verbot auf Pestizide ausweiten – Emissionen stoppen!

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) habe bei der Zulassung von ProFume dessen Klimaschädlichkeit nicht betrachtet und die Zulassung ohne erneute Risikoprüfung verlängert, kritisiert Rechtsanwältin Caroline Douhaire, die die DUH in dem o. g. Verfahren vertritt.

Dies widerspreche dem Gebot, den Klimaschutz bei allen behördlichen Entscheidungen zu berücksichtigen. Zudem wird kritisiert, dass die Zulassung von Sulfurylfluorid ohne erneute Risikoprüfung verlängert wurde.

Dem Klimakiller muss entweder die Zulassung entzogen werden oder strenge Auflagen müssen verhindern, dass es weiter ungehindert in die Atmosphäre entweicht, fordert Fabian Holzheid, politischer Geschäftsführer am Umweltinstitut München.

Solange Sulfurylfluorid erlaubt bleibe, gebe es keinen Anreiz für Unternehmen, auf nachhaltige Methoden umzusteigen, konstatiert Dorothea Sick-Thies von Protect the Planet. Sie kritisiert die fehlende Bepreisung der Klimafolgeschäden: Würden die Klimakosten eingepreist, wäre die Methode wirtschaftlich nicht mehr tragfähig. Es gebe eine Regulierungslücke, wegen der das Gas billig bleibe – auf Kosten des Klimas.