Die Welt veräppelt

Das iPad ist jetzt endlich auch in Deutschland angekommen und alle sind happy. Bis auf die Apple-Händler natürlich, die sind depri, weil sie sich von Apple einmal mehr stiefmütterlich behandelt fühlen. Sie warten jetzt auf die "iPad-Killer".

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Damian Sicking

Liebe Apple-Händler,

Apples iPad

(Bild: Apple)

vergangene Woche war Apple-Woche. Erst kletterte der Börsenwert des kalifornischen Unternehmens auf ein neues Allzeithoch und Apple avancierte zur teuersten Technologiefirma weltweit. Alle Apple-Aktien zusammen repräsentierten die unglaubliche Summe von 222 Milliarden Dollar, damit war Apple mehr wert als Microsoft. Wir erinnern uns: In den 1990er Jahren musste Microsoft mit einer Kapitalspritze Apple sogar noch vor dem Untergang retten. Was für die meisten Apple-Fans in Deutschland aber in der vergangenen Woche noch wichtiger war: Endlich gab es das iPad auch hierzulande zu kaufen. Es wurde mal wieder ein unglaubliches Gewese darum gemacht: Keine Zeitung, die nicht vor und nach dem großen Ereignis darüber berichtete und das iPad unter die Lupe nahm, keine Nachrichtensendung im Fernsehen, die nicht Bilder vom Ansturm auf die Apple-Verkaufsstellen brachte. Man hatte den Eindruck, ganz Deutschland war wie besoffen aufgrund der Einführung des neues Apple-Produkts. Ganz Deutschland? Naja, bis auf die Apple-Händler natürlich. Die fühlten sich von ihrem Lieferanten mal wieder sehr stiefmütterlich behandelt, weil sie keine oder viel zu wenige iPads im Laden hatten und somit nicht auf der ersten Nachfragewelle mitsurfen konnten.

Sie und die anderen IT-Händler in Deutschland können nun hoffen, dass Apple mit dem iPad tatsächlich einen neuen Trend einleutet und die Geräteklasse der Tablet-PCs ein echter Verkaufsschlager werden. Die anderen Hersteller jedenfalls basteln hektisch an eigenen Geräten. Wie man liest, stehen 50 iPad-Konkurrenten in den Startlöchern, darunter Weltfirmen wie Dell ("Streak"), HP ("Slate"), Asus ("Eee Pad") und Acer, aber auch kleinere Anbieter wie Archos, Fusion Garage ("Joohoo"), Notion ("Adam") oder die deutsche Firma Neofonie ("WeTab"). Schnell reagiert hat Elektronikspezialist Conrad und bietet in seinen Läden sowie in seinem Webshop das Toshiba-Modell "Journ.E Touch" an.

Man darf gespannt sein, ob es diesen Boom tatsächlich geben wird. Für die gesamte IT-Branche und vor allem für den IT-Handel wäre dies eine Riesensache, weil die Tablet-PCs in vielen Fällen als zusätzliches Gerät angeschafft werden dürften und damit von ihnen kein Kannibalisierungseffekt wie zum Beispiel bei den Netbooks ausgehen dürfte. Auf ein Notebook oder einen Desktop daheim wird jedenfalls kaum ein Tablet-PC-Nutzer verzichten wollen oder können. Allerdings ist es keine ausgemachte Sache, dass die Tablet-PCs in Deutschland zum Selbstläufer werden. Die Unternehmensberatung Accenture hat jedenfalls soeben die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht ("Deutsche Verbraucher zögern beim Kauf mobiler Internetgeräte"), die davor warnt anzunehmen, dass hier die Bäume in den Himmel wachsen.

Egal wie: Für Apple scheint derzeit weltweit die Sonne. Eigentlich gibt es nur ein Thema, welches die glänzende Laune der Kalifornier beeinträchtigt. Die Rede ist von dem taiwanischen Auftragsfertiger Foxconn, der auch für Apple tätig ist. Die Serie von Suiziden und Suizidversuchen in der Firma macht zunehmend auch die Foxconn-Kunden nervös – darunter viele große IT-Brands wie Dell und HP – und bringt sie unter Zugzwang, weil sie ihre Produkte von einem Unternehmen herstellen lassen, das es mit der Menschenwürde offensichtlich nicht so genau nimmt und seine Angestellten unter schlimmen Arbeitsbedingungen schuften läßt. Der Gipfel der Arroganz der Foxconn-Führung besteht sicher darin, dass sie von Arbeitern eine schriftliche Erklärung verlangen wollen, auf Selbstmord zu verzichten. Motto: Wer sich selbst umbringt, fliegt.

Ansonsten ist die Erde für Apple aber so, wie sie sein sollte. Rund, wie ein Apfel.

Beste Grüße

Damian Sicking

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