EU-Rechtspolitiker wollen illegale Filesharing-Aktivitäten stärker bekämpfen

Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments hat einen Bericht angenommen, der im "enormen Wachstum unautorisierten Filesharings" ein "zunehmendes Problem" sieht und "Online-Piraterie" mit organisiertem Verbrechen in Verbindung bringt.

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Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments hat am heutigen Dienstag einen Vorschlag für einen Bericht zur "verbesserten Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte im Binnenmarkt" angenommen. Darin wird im "enormen Wachstum unautorisierten Filesharings geschützter Werke" ein "zunehmendes Problem für die europäische Wirtschaft" gesehen. In dem Entwurf werden Gegenmaßnahmen vorgeschlagen, die von Aufklärungskampagnen insbesondere für Jugendliche etwa mit "kurzen" Warnhinweisen bis hin zum Ruf nach Strafvorschriften zur Bekämpfung von Copyright-Verstößen reichen.

Der Bericht geht auf Vorarbeiten der Berichterstatterin, der französischen Konservativen Marielle Gallo, zurück. Zur Abstimmung lagen den Rechtspolitikern über 100 Änderungsanträge vor. Gallo selbst hatte 13 Kompromissvorschläge formuliert, die alle eine Mehrheit erhielten. Viele Änderungswünsche von Sozialdemokraten, Linken und Grünen, die sich insbesondere für eine klare Unterscheidung zwischen Produktpiraterie und Filesharing für private Zwecke aussprachen, fielen dagegen durch. Insgesamt stimmten 13 Abgeordnete für den überarbeiteten Berichtsentwurf, acht dagegen bei vier Enthaltungen.

Laut dem Berichtsentwurf, der noch durchs Plenum muss, "bestehen erwiesene Verbindungen zwischen verschiedenen Formen organisierter Kriminalität und Verletzungen der Rechte an geistigem Eigentum". Diese müssten vor allem "im Bezug auf Produktpiraterie und Online-Rechtsverstöße" durch "angemessene und faire Sanktionen" bekämpft werden. Die Rechtspolitiker unterstützen zudem "enge strategische und operationelle Kooperationen zwischen allen Interessenvertretern in der EU". Gemeint sind insbesondere Europol, nationale Behörden und der Privatsektor sowie internationale Akteure.

Der Rechtsausschuss ruft die EU-Kommission auf, bis Ende des Jahres eine "umfassende Strategie" für den Schutz und die Durchsetzung der Rechte an immateriellen Gütern vorzulegen. Zugleich müssten bestehende Hindernisse auf dem Weg zu einem digitalen Binnenmarkt abgebaut werden, um den "Mangel an legalen Angeboten" für Songs, Filme oder Bücher im Online-Sektor zu beseitigen. Daher müsse zum Beispiel die Rechtsunsicherheit beendet werden, die mit der Empfehlung zur grenzüberschreitenden Rechteverwaltung der Kommission von 2005 entstanden sei.

Die Rechtspolitiker betonen, dass es im EU-Instrumentarium zur Durchsetzung der Rechte an immateriellen Gütern noch keine Möglichkeiten zum strafrechtlichen Vorgehen etwa gegen Copyright-Verstöße oder Fälschungen gibt. Ein entsprechender Richtlinienentwurf (IPRED2) wurde bei seinen ersten Anläufen immer wieder zurückgestellt, aber nie ganz für tot erklärt. Dieser Mangel besorgt die Abgeordneten erneut vor allem im Hinblick auf Rechtsverstöße im Internet. Sie bedauern auch, dass es noch wenig "außergesetzliche Maßnahmen" in der EU gebe, um Copyright-Verletzungen in Peer-2-Peer-Netzen einzuschreiten. Systeme wie eine "abgestufte Erwiderung" auf wiederholte Urheberrechtsverstöße mit Sanktionen bis hin zum Kappen von Internetzugängen gemäß dem "Three Strikes"-Modell werden in dem Entwurf aber nicht konkret gefordert.

Erhebungen zum Ausmaß von Rechtsverletzungen seien bislang "inkonsistent, unvollständig, nicht ausreichend und verstreut", heißt es weiter in dem Berichtsentwurf. Bei jedem weiteren Gesetzesvorstoß in diesem Bereich müssten die Folgen objektiv und unabhängig abgeschätzt werden. Rechtswidrige Filesharing-Aktivitäten müssten getrennt von Produktpiraterie betrachtet, eine "Balance zwischen allen Interessenvertretern einschließlich der Verbraucher garantiert" werden. Auch wird in dem Entwurf die Initiative Brüssels für die "Vertiefung des Patentsystems" begrüßt.

Nicht durchsetzen konnten sich Anträge, die sich für einen "offenen Ansatz" wie der Kulturflatrate aussprachen. Auch fiel ein Vorschlag durch, das System zum Schutz "geistiger Eigentumsrechte" zu überdenken und dabei im Gespräch auch mit Internet-Providern eine "effektive Vergütung" für alle Rechteinhaber unter Wahrung der kulturellen Verschiedenheit Europas und der Grundrechte der Bürger sicherzustellen. Keine Mehrheit fand das Anliegen, auf Bestimmungen zu verzichten, durch die Rechtsverletzungen weiter kriminalisiert würden und Systeme zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) auf Kosten von Nutzerfreiheiten eingeführt werden könnten.

Die grüne Abgeordnete Eva Lichtenberger kritisierte gegenüber heise online den Bericht in seiner jetzigen Form als "repressiv". Den Copyright-Industrien sei es in dem Ausschuss gelungen, "im Kielwasser der Bekämpfung der Produktpiraterie zu schwimmen". Als "gutes Zeichen" wertete die Österreicherin, dass sich die Liberalen zumindest in weiten Bereichen enthalten hätten. Auch die Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net monierte, dass "der Dogmatismus eine Schlacht" gewonnen habe, aber nicht "den Krieg". Eine offene Debatte über Alternativen und die überfällige Reform des Urheberechts unter Einbezug von Nutzerinteressen sei durch das "Lobbying von ein paar anachronistischen Industrien" verhindert worden. (anw)