Branchenstudie: Pay-TV-Services im "industriellen Maßstab" illegal kopiert

Die Untätigkeit von Big-Tech-Konzernen unterstütze den "Diebstahl" von Premium-Videodiensten wie Live-Sportstreams im großen Stil, heißt es in einer Analyse.

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(Bild: Shutterstock.com/VesnaArt)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Große US-amerikanische Tech-Unternehmen wie Amazon, Google, Meta und Microsoft stehen im Kreuzfeuer der Kritik, weil sie durch "Ambivalenz und Trägheit" den "Diebstahl" teurer Videoinhalte wie vor allem Live-Streamings von Sport-Events befeuern sollen. Diesen Vorwurf erhebt die britische Forschungsfirma Enders Analysis, die auf die Kreativwirtschaft, den Rundfunk und digitale Verwertungsmodelle ausgerichtet ist, in einem neuen Report zu "Video-Piraterie". Entsprechende Pay-TV-Dienste auf Abruf und per Stream würden "im industriellen Maßstab raubkopiert", heißt es in der Untersuchung. Das stelle eine "enorme Herausforderung" für Rundfunk- und Streaming-Anbieter dar und gefährde deren Profitabilität direkt.

Sportübertragungen sind ein großes Geschäft: Der Gesamtwert der weltweiten Medienrechte überschritt im vergangenen Jahr die Marke von 60 Milliarden US-Dollar. Da die Kosten für die Übertragungen steigen, müssen Fans immer mehr bezahlen, um ihre Lieblingsmannschaften zu sehen. Zugleich nimmt die Zahl der Streaming-Plattformen weiter zu, sodass oft Abos bei verschiedenen Anbietern nötig sind. Viele Interessierte weichen deshalb auf illegale Streaming-Dienste aus. Enders zufolge gibt es oft mehrere Streams einzelner Events – wie beispielsweise hochkarätiger Fußballspiele –, die jeweils zehntausende Zuschauer haben können.

Auch für die Nutzer selbst berge dieser Ansatz Gefahren, erläutern die Verfasser des in Gänze nur für Enders-Kunden zugänglichen Berichts. Fans, die illegale Streams schauten, müssen demnach oft persönliche Daten wie Kreditkarteninformationen und E-Mail-Adressen preisgeben. Dadurch würden sie anfällig für Malware und Phishing-Betrug.

Die Autoren der Studie, Gareth Sutcliffe und Ollie Meir, haben gegenüber der BBC vor allem Amazons Fire TV Stick als Problem ausgemacht. Das Gerät bietet Zugang zu einer Fülle von Video-Diensten und Streaming-Anbietern Netflix, Apple TV, Amazon Prime Video oder Disney+. Sutcliffe und Meir gehen aber davon aus, dass es auch vielen Menschen den Zugriff auf illegale Streams erleichtert.

Die Verfasser verweisen auf Fälle, in denen Männer in Liverpool inhaftiert wurden, weil sie Fire Sticks umkonfiguriert und illegal Premier-League-Spiele gestreamt oder die modifizierten Geräte auf Facebook und WhatsApp verkauft haben. Laut anderen Studien erklärten 59 Prozent der britischen Zuschauer, die im vorigen Jahr illegale Kopien über ein physisches Gerät angesehen haben, dafür das Amazon-Produkt verwendet zu haben. Es sei davon auszugehen, dass der Fire Stick "Piraterie im Wert von Milliarden US-Dollar“ ermögliche.

Amazon ist selbst Inhaber von Sportrechten. Der Konzern betonte gegenüber BBC News, dass "Piraterie" gegen die eigenen Richtlinien verstoße und die Sicherheit und Privatsphäre der Kunden gefährde. Das Unternehmen arbeitet nach eigenen Angaben intensiv daran, Kunden vor diesen Risiken zu schützen. Es habe bereits Änderungen an seinen Fire-Geräten vorgenommen, um das Streamen rechtswidriger Kopien zu erschweren. 2021 ließ die Alliance for Creativity and Entertainment (ACE) den IPTV-Dienst Iconic Streams und die auf dem Fire Stick laufende Android-App FileLinked dicht machen, die auf ein deutschsprachiges Publikum ausgerichtet waren.

Meta werfen die Autoren vor allem vor, auf den eigenen sozialen Netzwerken Facebook und Instagram Werbung für illegale Live-Streams zu akzeptieren. Der Konzern wollte sich dazu laut der BBC nicht äußern.

Sender wie Sky und DAZN warnen bereits davor, dass diese Piraterie die Rundfunkbranche in eine Finanzkrise stürzt. Nick Herm, Chief Operating Officer (COO) von Sky hob hervor: Dies sei ein ernstes Problem für alle, die in hochwertige Inhalte investieren. Er fordert schnelleres und besseres Handeln von den großen Tech-Plattformen und den Regierungen vor allem in Europa und den USA, um die Kreativwirtschaft zu schützen. Kritiker halten dem entgegen, dass eine Senkung der Kosten für legale Sport-Streams der effektivste Weg wäre, die aufgezeigten Risiken zu minimieren.

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Das EU-Parlament forderte 2021 den Stopp illegaler Sport-Livestreams in Echtzeit. Online-Diensteanbieter sollen demnach verpflichtet werden, unautorisierte Live-Übertragungen von Sportereignissen wie Fußballspielen oder Autorennen sofort zu entfernen oder zu beenden. Ein entsprechender Stream müsse spätestens 30 Minuten nach Erhalt eines entsprechenden Hinweises etwa von Rechteinhabern unterbrochen werden, verlangten die Abgeordneten. Auch "vertrauenswürdigen Hinweisgebern" sollte es erlaubt werden, Live-Übertragungen ohne richterliche Anordnung und juristische Klärung des Sachverhalts entfernen zu lassen.

In diesem Sinne erarbeite die EU-Kommission wenig später den Entwurf für eine Empfehlung. Hosting-Dienste wie Internetdienstanbieter, welche die erforderliche Infrastruktur für einschlägige Webseiten bereitstellen, sollen demnach bereits während einer laufenden Live-Veranstaltung handeln, um den Schaden durch "Online-Piraterie" zu minimieren. Die Zusammenarbeit mit vertrauenswürdigen Hinweisgebern und die Entwicklung technischer Lösungen wie Schnittstellen könnten demnach helfen, den Meldeprozesses zu vereinfachen und zu beschleunigen.

Hosting-Dienste und Rechteinhaber sollen dem Plan nach auch zusammenarbeiten, um die Quelle unberechtigter Weiterverbreitungen zu identifizieren und zu verhindern, dass diese nach ihrer Abschaltung erneut auf Spiegel-Websites auftauchen. An die EU-Länder wollte die Brüsseler Regierungsinstanz den Appell richten zu prüfen, ob Veranstalter von Sportveranstaltungen in ihrem Zuständigkeitsbereich rechtliche Schritte einleiten können, um unautorisierte Streams zu verhindern. Laut der hiesigen Urheberrechtsform können rechtswidrige Live-Übertragungen von Sportereignissen prinzipiell direkt von Upload-Filtern blockiert werden.

(nie)