App-Beherrschung

Die Erfolgsgeschichte des Apple iPhone ist, ebenso wie die Hoffnungen im Zusammenhang mit dem iPad, untrennbar mit den vielen Tausend Apps für diese Geräte verbunden. Änderungen in den Entwicklerlizenzen riefen die Kartellwächter in den USA auf den Plan. Betreiber von Social Networks etwa, die ihre Angebote durch Apps aufpeppen lassen, könnten von weiteren Verfahren betroffen sein.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Dr. Andreas Lober
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Glaubt man den Zahlen von Apple, stehen viermal mehr Apps für das iPhone zur Verfügung als für Googles Android-Plattform, die Zahl der Downloads soll gar zehnmal höher sein. Für Entwickler von Apps ist damit das iPhone noch immer erste Wahl. Doch teilweise macht sich inzwischen Ernüchterung breit, weil Apples App-Store geradezu verstopft ist mit Neuerscheinungen.

Der 8. April 2010 nun brachte zusätzlich schlechte Neuigkeiten für Adobe und für Entwickler von Cross-Plattform-Applikationen. Er könnte sich im Nachhinein allerdings auch als ein schlechter Tag für Apple erweisen: Die an diesem Tag bekannt gewordene Änderung des „iPhone/iPad Developer Program License Agreement“ (iDPLA) machte de facto Schluss mit Flash-Konvertierungen auf dem iPhone und rief in Amerika die Wettbewerbshüter auf den Plan. Weitere Verfahren drohen. Neben Apple können auch andere Unternehmen betroffen sein, die ihr Geld mit den Apps verdienen – beispielsweise soziale Netzwerke.

Änderungen bei den Entwicklerlizenzen für Apples App Store riefen die US-Wettbewerbshüter auf den Plan.

Die Änderung des iDPLA, dem sich Entwickler für das iPhone unterwerfen müssen, brachte eine bittere Pille für Cross-Plattform-Entwickler: Apps dürfen nach Ziffer 3.3.1 nur noch in den Programmiersprachen Objective-C, C, C++ und JavaScript entwickelt werden. Dadurch sind beispielsweise im App-Store-Kontext Entwicklungen auf der Basis von Flash oder .NET nicht zulässig. Ebenso ist es verboten, deren Code anschließend in eine der zulässigen Sprachen umzuwandeln. So schiebt Apple beispielsweise dem bisher beliebten Flash-to-iPhone-Konverter einen Riegel vor. Auch wenn häufig spekuliert wird, die Änderung sei vor allem gegen Adobe gerichtet – Steve Jobs hatte sich bereits zuvor wiederholt negativ über Flash geäußert – sind Leidtragende die Entwickler. Und das Verbot soll aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Anbieter anderer Smartphones treffen, denn für Apple ist es ein komfortabler Zustand, dass deren Geräte bisher noch nicht so gut mit Apps bestückt sind.

Wettbewerbshüter jedoch mögen in der Regel keine allzu komfortablen Positionen einzelner Firmen. Insofern ist es nicht weiter verwunderlich, dass die amerikanische Federal Trade Commission (FTC) ermittelt und die Einleitung eines förmlichen Verfahrens offenbar beschlossene Sache ist. Was das Ergebnis eines solchen Verfahrens sein wird, ist naturgemäß noch völlig offen – die nach Wettbewerbsrecht relevanten Fragen zeichnen sich aber schon sehr deutlich ab.

Das amerikanische Recht verbietet keine marktbeherrschende Stellung, hierin ist es dem deutschen und dem europäischen Wettbewerbsrecht ähnlich. Jedoch untersagt das Kartellrecht sehr wohl den Missbrauch eines Quasi-Monopols. Nun hat Apple zwar etwa im Mobilmarkt eine bedeutende, aber keineswegs eine marktbeherrschende Stellung. Auf den Mobilmarkt wird es aber nicht ankommen. Amerikanische Kartellrechtler diskutieren, ob als relevanter Markt der für Smartphones oder der für App-fähige Smartphones gelten soll. Würde man Letzteres annehmen, fielen Blackberries und verwandte Geräte möglicherweise nicht in denselben Markt; an der Marktbeherrschung durch das Unternehmen von Steve Jobs dürfte es keine Zweifel mehr geben.

Für eine solche relativ enge Definition spräche die Sicht der Entwickler. Diese können eventuell auf Android-Geräte umsteigen, andere Alternativen fehlen bislang weitgehend. Vertretbar erscheint sogar noch eine engere Marktdefinition: Die Entwicklung von Apps für die Apple-Geräte könnte ein ganz eigener Markt sein. Einem etablierten iPhone-Entwickler dürfte es viel leichter fallen, ein neues Programm für das iPhone zu verkaufen als für ein Android-Gerät, da er über bereits installierte iPhone-Apps einen bevorzugten Zugang zum Endkunden hat.

Wenn man davon ausgeht, dass Apple eine marktbeherrschende Stellung hat, wäre das in der iDPLA enthaltene Verbot nur zulässig, wenn es dafür einen rechtfertigenden Grund gäbe. Ob dafür die These von Apple ausreicht, dass direkt für das iPhone entwickelte Apps qualitativ höherwertig sind, ist zumindest zweifelhaft. Selbst wenn dies die FTC überzeugen würde, kann man sich die nächsten Streitigkeiten schon ausmalen. Denn marktbeherrschende Unternehmen unterliegen einem Diskriminierungsverbot. Das bedeutet, dass sie Geschäftspartner in vergleichbaren Angelegenheiten gleich behandeln müssen – damit wäre eine unterschiedliche Behandlung im Bereich des Developer Support ebenso rechtfertigungsbedürftig wie eine unterschiedliche Darstellung im App-Store.

Auch Apples strenge Inhaltskontrolle stünde dann auf dem Prüfstand – beispielsweise legt das Unternehmen für Inhalte auf seinen Geräten eher amerikanisch-puritanische Maßstäbe an, was zu einem (inzwischen beigelegten) Konflikt über blanke Busen beim Angebot der Bild-Zeitung führte. Solche Fragen müssten, eine marktbeherrschende Stellung unterstellt, gleichmäßig streng (oder lax) gehandhabt werden.

Wenn man dagegen den Markt weit definiert und daher zum Ergebnis kommt, Apple sei nicht marktbeherrschend, wäre immerhin der Marktmachtmissbrauch in Bezug auf die Apps vom Tisch. In einigen Rechtsordnungen könnte aber trotzdem ein verbotener Behinderungswettbewerb vorliegen. In Deutschland finden sich die einschlägigen Verbote in § 20 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) und § 4 Nr. 10 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb). Außerdem droht Apple ein weiteres Kartellverfahren, weil es in seinem iTunes-Store der Musikindustrie die Konditionen diktierte – hier zumindest bestehen kaum Zweifel an der marktbeherrschenden Stellung von Apple. Europa ist bei diesem Thema schon weiter: Die Europäische Kommission leitete bereits 2007 ein Verfahren gegen Apple ein, in dem sich beide Seiten dann 2008 einigten. Hier ging es um die Marktabschottung und unterschiedliche Preise in verschiedenen europäischen Ländern, aber auch um die Verbindung der iPod-Hardware mit dem iTunes-Store.

Auch das mobile Anzeigengeschäft von Apple – iAd – wird bereits unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten diskutiert: Ziffer 3.3.9 der iDPLA verbietet die Weiterleitung von Daten an Dritte, was die Analyse des Nutzerverhaltens durch Dritte erschwert. Konkurrierenden Anbietern von mobilen Werbelösungen wird es daher auf dem iPhone und iPad schwer gemacht. Allerdings wäre eine datenschutzrechtlich saubere Lösung auch ohne das Verbot von Apple schwer, was gerade die Diskussion um Google Analytics zeigt. Auch ob Apple selbst hier datenschutzrechtlich sauber ist, wird sich erst noch erweisen müssen.

Das Spiel Farmville ist eine der beliebtesten Anwendungen für Facebook. Mit solchen Apps wollen die Betreiber ihr Social Network weiter aufpeppen.

Zumindest was die Diskussion um die Behandlung der Entwickler von Apps angeht, sind noch andere Unternehmen in einer ähnlichen Lage wie Apple: Beispielsweise für Soziale Netzwerke wie Facebook werden die Einnahmen durch Apps zunehmend wichtig. Hier sind die Entwickler in einer ähnlichen Abhängigkeit wie bei Apple, zumal Facebook – sonst nicht als Vorreiter für Datenschutz bekannt – streng darauf achtet, seinen Entwicklern keine Rechte an Kundendaten zu geben.

Weitere Parallelen: Auch Facebook will das letzte Wort in Sachen Inhalte haben, diese sind aber außerhalb der Plattform kaum zu bewerben. Durch die „Facebook Credits“ wird nun noch die Kontrolle im Bereich der Zahlungssysteme angestrebt.

Ganz so heiß gegessen wie gekocht wird dies in dem schnelllebigen Bereich neuer Technologien zwar nicht Die Wettbewerbsbehörden neigen zu einer großzügigen Betrachtung. Andererseits zeigen die zahlreichen Verfahren gegen Microsoft und die von der Kommission verhängte Geldbuße in Höhe von rund 500 Millionen Euro, dass auch Technologieunternehmen die wettbewerbsrechtlichen Vorschriften beachten müssen.