Datenschützer kritisiert den Start von Googles Street View [Update]

"Die Leute wissen gar nicht, was sie da erwartet", meinte der für Street View zuständige Datenschutzbeauftragte zum angekündigten Start des Google-Dienstes. Auch Kommunen sehen den Kartendienst weiterhin kritisch und fordern gesetzliche Regelungen.

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Von
  • Jürgen Kuri

Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar hat die angekündigte Einführung von Google Street View in Deutschland als überstürzt kritisiert. "Die Leute wissen gar nicht, was sie da erwartet", sagte Caspar gegenüber dpa. Es sei nicht sinnvoll, die Zeit für Widersprüche vor Einführung des Kartendienstes so knapp zu befristen.

Google will den Kartendienst bis Ende des Jahres in Deutschland einführen und zunächst die umfassenden Straßenbilder von 20 Städten veröffentlichen. Mieter und Hausbesitzer können vorher innerhalb eines Monats mit einem Online-Formular Widerspruch gegen die Darstellung ihres Gebäudes einlegen, wie das Unternehmen am Dienstag mitteilte.

Im Mai 2007 startete Google Street View in den USA als Erweiterung des Online-Landkartendienstes Google Maps. Lückenlose Aufnahmen von Hausfassaden kompletter Innenstädte sollen dem Surfer erlauben, virtuell durch ferne Orte zu flanieren. Bereits kurz nach dem Start von Street View wurde Kritik laut, dass die Fotos zum Teil mehr Einsichten in das Privatleben erlaubten, als den dargestellten Personen recht sei. Im Mai 2008 wurde bekannt, dass Google auch für Deutschland eine flächendeckende fotografische Erfassung der Städte plant, was der Firma dann von einigen Datenschützern und Politikern, darunter Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner, heftige Kritik eingebracht hat.

Google selbst hatte auf die heftige Kritik von Datenschützern und Politikern an Street View nach anfänglichem Unverständnis mit einer PR-Offensive reagiert, zu der neben einem Rechtsgutachten auch ein CeBIT-Auftritt des Internet-Konzerns gehörte, der ganz der Präsentation von Street View diente. Firmensprecher betonten, dass Google der festen Überzeugung ist, Street View sei rechtmäßig. Man habe aber verstanden, dass es noch eine Menge offener Fragen gebe. Zur Rechtmäßigkeit von Street View hatte Google bereits Ende Februar dieses Jahres ein Gutachten präsentiert, das Street View Unbedenklichkeit bescheinigte. Ein anderes Rechtsgutachten bescheinigte Street View allerdings kurz danach, dass der Dienst nur unter gewissen Einschränkungen zulässig sei.

Zusätzlichen Ärger handelte sich Google mit der WLAN-Datenpanne ein, die allerdings mit Street View selbst gar nicht direkt zu tun hat. Google hat seit 2007 bei seinen Kamerafahrten für Street View auch Funknetze katalogisiert. Dabei wurden nach Angaben von Google "unabsichtlich" neben den WLAN-Namen und MAC-Adressen auch Nutzdaten miterfasst und dauerhaft abgespeichert, die über ungesicherte Netze gesendet wurden. Die Hamburger Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen ein, in den USA verlangen 38 US-Bundesstaaten Rechenschaft vom Internetdienstleister, dort liegen außerdem bei Gerichten neun Anträge auf Zulassung zur Sammelklage vor. Google stoppte daraufhin weltweit die Kamerafahrten, um die Vorwürfe zu klären und die Systeme zur Erfassung der WLANs aus den Wagen zu entfernen; vor drei Wochen hat Google die Kamerafahrten in einigen Ländern wieder aufgenommen.

Der Hamburger Datenschutzbeauftragte forderte nun "Sorgfalt statt Schnelligkeit" und meinte zur Google-Ankündigung, Street View werde hierzulande bald starten: "Es hat mich sehr überrascht, am Donnerstag vergangener Woche zu erfahren, dass das Tool bereits ab Anfang nächster Woche freigeschaltet werden soll." Seine Bedenken, das komplexe Widerspruchsverfahren so kurzfristig in Gang zu setzen, seien leider nicht berücksichtigt worden, betonte der für Google zuständige Landesdatenschutzbeauftragte. "Wir sehen diese Ankündigung zum gegenwärtigen Zeitpunkt kritisch." Es gebe keine klare Leitlinie für den Umgang mit den Daten von Widerspruchsführern. Der Datenschutzbeauftragte kritisierte zudem, dass bislang keine telefonische Hotline von Google für Anfragen von Bürgern geplant sei.

Google hat in Gesprächen mit Datenschützern versprochen, bei der Einführung von Street View 13 Punkte einzuhalten. Diese Punkte gehen über die Praxis von Street View in den bisher 23 anderen Ländern hinaus. Caspar sagte dazu: "Diese Zusage ist kein großzügiges Entgegenkommen, sondern eine von Google übernommene Rechtspflicht."

[Update: Caspers Kollege auf Bundesebene, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, zeigt sich dagegen grundsätzlich zufrieden mit dem Vorgehen von Google. "Ich freue mich, dass das Unternehmen auf die Anforderungen des Datenschutzes in Europa reagiert hat", erklärte Schaar gegenüber dpa. Das von Google eingeräumte Widerspruchsrecht "darf aber keine Einmalaktion sein." Die Möglichkeit müsse auf Dauer angeboten werden und nicht nur für die nächsten vier Wochen. Ein weiteres Problem sieht Schaar bei der Identifizierung der Betroffenen. Hier dürfe Google für die Bearbeitung nicht noch eine Vielzahl neuer Daten sammeln. Das Unternehmen müsse sicherstellen, dass alle Widerspruchsanfragen der Betroffenen wieder gelöscht werden.]

Neben Datenschützern haben auch die Kommunen in Deutschland weiter Bedenken gegen den Google-Dienst. So forderte der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund (NSGB) klare Gesetze für Street View. "Es weiß noch keiner, was in der Zukunft mit den Daten passiert", sagte der für Datenschutz zuständige NSGB-Beigeordnete Thorsten Bullerdiek laut dpa. Damit nicht jede Gemeinde und jeder Bürger klagen muss, sei jetzt die Bundesregierung in der Pflicht. (jk)