Ökonomin: Open Source wird sterben, wenn Softwarepatente kommen

Auf der Berliner Open-Innovation-Konferenz stand die Kritik an der Ausweitung des Patentsystems ohne belegbare positive Effekte für die Wirtschaft im Mittelpunkt.

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Die Kritik an der Ausweitung des Patentsystems auf Computercode ohne den Nachweis positiver Effekte für die Wirtschaft zog sich wie ein roter Faden durch die gestern beendete Berliner Konferenz Open Innovation!. Auf der zweitätigen Tagung der Heinrich-Böll-Stiftung warnte die Züricher Ökonomin Margit Osterloh eindringlich vor einem drohenden Aus für den grundlegenden Wettbewerb der Betriebssysteme. Als Aussicht für Open Source in einer Ära legitimierter Softwarepatente prophezeite sie: "Dieses System wird sterben". Ihre Bedenken erläuterte Osterloh damit, dass die freie Softwarewelt auf einer besonderen Urheberrechtsvariante aufbaut, dem Copyleft. Diese Umwidmung des klassischen Copyright, die eine nicht-kommerzielle Weiterverwendung der so lizenzierten Codeteile zwingend zulässt, "sichert das öffentliche, nicht das private Eigentumsrecht", betonte Osterloh Der eigentliche Schutzgedanke des Urheberrechts werde damit aufgebrochen.

"Die Ausweitung des Patentrechts bedeutet den Tod dieser Form des Copyrights", erklärte die Wirtschaftswissenschaftlerin, nachdem andere Refernten bereits den Tausch von Monopolrechten mit Mitbewerbern als eine der Hauptfunktionen von Softwarepatenten genannt hatten. Denn: "Wenn ich keine Patente habe, kann ich keine tauschen. Und wenn ich als freier Entwickler kein Geld habe, kann ich auch keine beantragen", sagte Osterloh. Das Copyleft selbst wiederum sei die entscheidende Stellschraube im Open-Source-System, weil es die darunter lizenzierte Software zum öffentlichen Gut deklariert. Ohne sie falle das gesamte komplexe System der Anreize zur Produktion freier Software in sich zusammen.

Auch der im Umfeld von MySQL tätige Berater Florian Müller schimpfte lauthals über die in Brüssel geplante Legalisierung der Softwarepatentpraktiken des Europäischen Patentamts (EPA), die nach Ansicht von Kritikern dem Gesetzestext des Europäischen Patentübereinkommens zuwiderlaufen. "Das Patentwesen ist zu einem Staat im Staat geworden", empörte sich der Programmierer. Das EPA verglich er mit Weißrussland als der anderen in Europa "noch verbliebenen Autokratie". Es gebe sich letztlich seinen eigenen Rechtsrahmen, fungiere gleichzeitig als Richter darüber und sei zudem mit der Unterstützung der Patentierungs- und Lizenzierungspolitik der großen Konzerne auch noch das Finanzamt, das den Rest der Wirtschaft "besteuere".

Der eigentliche Zweck des Patentsystems, nämlich die Förderung von Innovation, sei so von den großen Unternehmen dank der Unterstützung des EPA systematisch korrumpiert und pervertiert worden, sagte Müller. So seien die Kosten für ein europäisches Softwarepatent, die er auf 30.000 bis 50.000 Euro beziffert, längst "völlig irrational". Mit demselben Geld würden sich "tausende Open-Source-Projekte ins Leben bringen lassen."

In die Reihe der Softwarepatentgegner reihte sich auch der Stanforder Rechtsprofessor Lawrence Lessig ein. Für ihn ist das System des intellektuellen Eigentums, wie es etwa die WIPO blind vorantreibe, längst "zu einer Religion" geworden, deren Ausübung künftige Wettbewerber ganz in dem Sinne vom Markt ausschließe, wie es Microsoft-Gründer Bill Gates bereits 1991 beschrieben habe. Dass damit der gesamten Software-Industrie der Stillstand drohe, habe der Windows-Herrscher ebenfalls vorhergesehen. Der Fraunhofer-Forscher Knut Blind bestätigte, dass eine "zusätzliche Anreizfunktion" für mehr Investitionen in den Bereich Forschung und Entwicklung von Unternehmen durch Patente nicht nachweisbar sei. Stattdessen würden Umfragen auf "steigende Rechtskosten, verunsicherte Innovatoren und Probleme für die formale Standardisierung" hinweisen.

In diesem Umfeld hatte Marie Therese Huppertz, Cheflobbyistin von Microsoft in Brüssel, einen harten Stand. Sie verwies darauf, dass das Verlangen nach offen liegendem Quelltext auch im proprietären Bereich das Patentieren von Software-Erfindungen wichtig mache und bei neuen Technologien schon immer ähnliche Debatten wie jetzt im Bereich der Computerindustrie stattgefunden hätten. Dass Softwarepatente der Wirtschaft nicht schaden, beweise das Beispiel Amerika: "Die Industrie boomt dort in diesem Bereich", erklärte sie. "Es gibt wesentlich mehr Konkurrenz am Markt und auch mehr Nischenobjekte, dort hat wesentlich mehr Innovation stattgefunden." Nachweise für den ökonomischen Nutzen von Patenten auf Programmcode konnte sie allerdings ebenfalls nicht beibringen. Vielleicht sollte die Politik so besser mit Entscheidungen noch abwarten, so ihre Meinung, um mehr wissenschaftliche Studien zum Thema zu bekommen.

Zur Diskussion um Softwarepatente siehe auch:

(Stefan Krempl) / (ad)