Softwarepatente: Britisches Patentamt sucht nach Kompromiss

In einer Reihe von Workshops bemühten sich Experten, einen Kernbestandteil der umstrittenen Richtlinie genauer zu definieren, kamen aber zu keiner befriedigenden Lösung.

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Die geplante EU-Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" entzweit einen guten Monat vor der entscheidenden 2. Lesung im EU-Parlament die Gemüter wie kaum ein anderes Thema der Wirtschaftspolitik. Mit Hilfe von über 550 Experten hatte sich das britische Patentamt im Frühjahr daher an die schwierige Aufgabe gemacht, einen Kernbestandteil der im Raum stehenden Direktive auf seine Praxistauglichkeit zu überprüfen. Es ging dabei um die Fassung des "technischen Beitrags", der in der EU Trivialpatente und Monopolansprüche auf Geschäftsmethoden sowie die oft beschworenen "amerikanischen Verhältnisse" verhindern helfen soll. Die Teilnehmer der Workshops reichten über 200 Vorschläge für eine Definition des elementaren Kriteriums der Richtlinie ein. Ein knappes Dutzend davon wurde anhand von 18 Fallstudien getestet. Trotz -- oder gerade wegen -- dieser weiten Auswahl kam das Patentamt letztlich aber jetzt zu dem Ergebnis, dass keine davon an sich bereits ausgereift und sachdienlich sei.

"Die Resultate zeigen, wie schwierig es ist, eine Definition zu finden, die sowohl einfach anzuwenden ist als auch das 'richtige' Ergebnis bringt, wenn es darum geht, computerimplementierte Erfindungen für technische Erfindungen zu gewähren und Patente für nicht-technische Software zu verhindern", umschreibt der Patentdirektor der Behörde, Sean Dennehey, die aufgetretenen Schwierigkeiten. In den Arbeitsgruppen seien aber zumindest einige nützliche Ideen zu Tage gekommen. Dennehey hofft, dass diese nun noch vom Parlament in den abschließenden Beratungen der Richtlinie mit einbezogen werden. Das Patentamt hat daher einen 66-seitigen Bericht über die Workshops veröffentlicht.

Als Ausgangsbasis nahm die Behörde zum einen die Formulierungsvorgabe aus dem ursprünglichen Richtlinienvorschlag der EU-Kommission vom Februar 2002. Dort wird der "technische Beitrag" recht schwammig umschrieben als "Beitrag zum Stand der Technik auf einem Gebiet der Technik, der neu ist und der für eine fachkundige Person nicht naheliegend ist." Gleichsam als Gegenpart zog das Patentamt den Definitionsvorschlag des Fördervereins für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) heran. Demnach wird insbesondere "eine neue lehrende Erkenntnis über die der Nutzung kontrollierbarer Naturkräfte unter der Kontrolle eines Computerprogramms" gefordert, die über die reine Implementierung der datenverarbeitenden Prozedur hinausgeht. Diese Definition, die auch der Bundesgerichtshof gestützt hat und sich in den Empfehlungen des Bundestags für die Brüsseler Beratungen wieder findet, hatte das EU-Parlament so auch weitgehend in 1. Lesung verabschiedet.

Die Teilnehmer der Workshops, die sich zu 55 Prozent aus Software-Entwicklern, zu 35 Prozent aus Patentanwälten und zu 10 Prozent aus Forschern und Pressevertretern zusammensetzen, prüften nun, ob die vorgegebenen Patentierungsansprüche anhand dieser beiden Definitionen sowie anhand zehn neuer Vorschläge gewährt werden könnten. Die 18 Ansprüche umschrieben unter anderem ein Verkehrskontrollsystem, Software zur Steuerung einer Settop-Box zum digitalen TV-Empfang sowie ein Programm zur automatischen Ausbesserung von Unterbelichtungen bei einer digitalen Kamera.

Mehr oder weniger erwartungsgemäß erschien den Fachleuten die Definition der Kommission als zu weit gefasst, da damit schier alle Ansprüche gewährt würden. Auch keine Überraschung war, dass mit der FFII-Definition die Schranken der Patentierbarkeit deutlich erhöht wurden und reine Softwarelösungen nicht als schutzwürdig angesehen werden konnten. Viele Teilnehmer fanden es aber schwierig, die Definition anzuwenden. Sie wussten mit den "kontrollierbaren Naturkräften" wenig anzufangen und fragten sich etwa, inwieweit damit allein die Einleitung physikalischer Kontrollprozesse gemeint sei.

Auch wenn laut dem Patentamt letztlich keine Definition wirklich befriedigend war, kristallisierte sich nach Ansicht der Behörde doch zumindest eine akzeptable Mischung aus zwei Varianten heraus. Demnach sollte der "technische Beitrag" einerseits "einen substanziellen, nicht offensichtlichen Fortschritt zum Stand des Wissens in einem technischen Feld erbringen und nicht als reine Logik repräsentierbar sein". Zum anderen sollte er ferner "nicht offensichtlich sein für einen Fachmann" sowie anhand dem "Unterschied zwischen dem Stand der Technik und der Breite des Patentanspruches insgesamt" abgewogen werden. Zudem müsse die "computerimplementiere Erfindung" in dem Gerät realisierbar sein, in dem sie implementiert ist. Negativ ausgeschlossen werden sollen gemäß dieser Wunschvorstellungen ausdrücklich Patente auf "Geschäftsmethoden, geistige Akte und mathematische Methoden".

Zum Thema Softwarepatente siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)