Grüner Parteitag fasst Beschluss gegen Softwarepatente

Die Bundesdelegiertenkonferenz des kleinen Koalitionspartner lehnt die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" in der Version des Ministerrates mit großer Mehrheit ab.

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Die Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen hat auf dem Bundesparteitag in Kiel am heutigen Sonntag ein klares Votum gegen die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" in der Version des Ministerrates abgegeben. Die Parteipolitiker stimmten mit sehr wenigen Gegenstimmen für einen Antrag mit dem Titel "Keine Softwarepatente", den der Grüne Jugend Bundesverband sowie der Kreisverband München-Stadt eingebracht hatten. Die Mitglieder der Bundesregierung, des Bundestages und des Europaparlamentes werden darin aufgefordert, eindeutig gegen einen breiten Monopolschutz für Computercode zu stimmen. Sie sollen klarstellen, "dass Softwarepatente, wie sie das Europäische Patentamt seit einigen Jahren erteilt, vom Gesetzgeber nicht gewollt sind." Mit dem Anti-Softwarepatentbeschluss stellt sich der kleine Koalitionspartner frontal gegen die Haltung des Bundesjustizministeriums, das nach wie vor den Kurs des EU-Ministerrates voll unterstützt und zwischen den Ressorts jegliche kritische Debatte über das heftig umstrittene Thema vermeiden will.

Im Detail fordern die Bundesdelegierten eine inhaltliche Unterstützung der Softwarepatent-Richtlinie in der Version des Europäischen Parlamentes vom 24. September 2003, die Trivialpatenten einen deutlichen Riegel vorgeschoben hat. Der Version des EU-Rates vom 18. Mai dieses Jahres, welche die Grünen bislang als eine reine "politische Vereinbarung" ansehen, sei entsprechend die Unterstützung zu entziehen. Damit will der kleine Koalitionspartner durchsetzen, dass die durch das Patent zu schützende Leistung technischer Natur sein muss -- "und nicht nur eine von Patentanwälten konstruierte Leistung" umschreiben darf. "Wer Programme oder deren Quellen veröffentlicht oder verbreitet, kann sich keiner Patentverletzung, sondern höchstens einer Urheberrechtsverletzung schuldig machen", leiten die Grünen weiter aus der bisherigen Haltung des Europaparlaments ab. Sie wollen zudem verhindern, dass beim Einsatz von Software "in einer üblichen Büroumgebung "Patentklagen erhoben werden können. Zudem drängen sie darauf, dass die Definition des "missverständlichen" Begriffs "computerimplementierte Erfindung" im Sinne des EU-Parlaments klarer gefasst und mit einem technischen Gebiet im Bereich der Naturwissenschaften in Zusammenhang gebracht wird.

In der Begründung des Beschlusses führen die Grünen aus, dass die Wirkung von Softwarepatenten "verheerend" wäre. "Die unrechtmäßige, aber bereits erfolgte Patentierung selbst einfachster Mechanismen wie Doppelklick, Einkaufswagenfunktion in Webshops, Registerkarten in Menüs würde zu einer völligen Monopolisierung in allen Bereichen von Softwareapplikationen führen", warnen sie. "Durch die Einführung von Softwarepatenten könnten in der Zukunft aus einer einzigen umfangreichen Softwarelösung hunderte von umfassenden Ideenpatenten entstehen." Freie Software wie Open Office würde es ihrer Befürchtung nach vermutlich nicht mehr geben.

Der Antrag geht auch auf die in Gang gesetzte Linux-Migration in München ein. "Im konkreten Beispiel müsste die Entscheidung der Stadt München für das Open-Source-Betriebssystem-Linux wegen unkalkulierbarer Folgekosten mit größter Sicherheit zurückgezogen werden", heißt es in dem Papier. Profitieren würden von Softwarepatente so den Grünen zufolge "nur Großkonzerne wie Microsoft". Sie wären aufgrund ihrer Kapitaldecke und Anzahl der eigenen Patente in der Lage, untereinander mit ihren teuer erkauften Portfolios mit den staatlichen Monopolrechten Nichtangriffspakte zu schließen.

Die freie und nicht von Patentstreitigkeiten behinderte Einsetzbarkeit von Open Source ist für die Grünen besonders wichtig, weil sie die IT-Landschaften ihrer Partei insgesamt stärker mit Hilfe von freier Software vernetzen wollen. Einen entsprechenden Beschluss fassten die Delegierten unter dem Aufhänger der Etablierung einer "Grünen Dienstleistungszentrale" (PDF) ebenfalls in Kiel. Konkretes Ziel im IT-Bereich ist dabei zunächst der Aufbau eines gemeinsamen Datenbestandes für die Bereiche Adressverwaltung, Mitgliederverwaltung und Beitragsverwaltung, der gleichzeitig eine Schnittstelle für die Buchhaltung bieten soll. (Stefan Krempl) / (anw)