Fit mit dem Smartphone

Gegen den inneren Schweinehund: Programme wie Runtastic und Runkeeper motivieren Läufer und Radfahrer mit Trainingszielen und Wettbewerben. Und dank der Integration sozialer Netzwerke erntet man nach dem Schwitzen den verdienten Beifall von Freunden.

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Inhaltsverzeichnis

Endspurt am Maschsee. „Du bist nur 0,1 Kilometer hinter Deinem Gegner!“, meldet Vanessa über den Knopf in meinem Ohr. Komm schon, da geht noch was. Quäl dich! „Du hast noch 0,5 Kilometer bis zum Ziel.“ Verdammt, das wird knapp. Noch 100 Meter. Dann die niederschmetternde Durchsage: „Dein Gegner hat das Ziel erreicht.“ Enttäuscht japse ich über die Ziellinie, ein paar Sekunden zu spät.

Runtastic-Nutzer können sich gegenseitig zum Wettbewerb auffordern. Im Rennen informiert die App auf dem Display und mit Sprachansagen über Vorsprung oder Rückstand.

Von meinem Kontrahenten – meinem Kollegen Nico – ist dort nichts mehr zu sehen. Er ist die Runde schon vor ein paar Tagen gelaufen, und zwar mit einem Smartphone am Oberarm. Mit der App Runtastic hat er Zeit und Distanz aufgezeichnet und mich anschließend zum Wettbewerb aufgefordert. Bei Vanessa handelt es sich nicht um eine Trainerin aus Fleisch und Blut, sondern lediglich um die Stimme von Runtastic, die ich bei meinem Versuch höre, Nicos Zeit zu schlagen. Wenn ich das schaffe, werde ich meinen Triumph auskosten, indem ich das Ergebnis umgehend bei Facebook poste. Na gut, vielleicht nächste Woche.

Apps wie Runtastic, Runkeeper oder Runmeter verwandeln Smartphones in vielseitige Ausdauertrainer. Zum einen stoppen sie Zeiten, messen Distanzen, berechnen Geschwindigkeiten und zeigen Strecken auf einer Google-Karte – wie zahlreiche kostenlose GPS-Logger, zum Beispiel My Tracks oder MotionX GPS Lite. Sie motivieren aber auch langfristig mit Trainingsplänen, Wettbewerben und der Integration von sozialen Netzwerken. Ein virtueller Gegner oder Partner spornt schließlich stärker an als gar keiner.

Eine Einschränkung vorweg: Da die Apps die Herzschlagfrequenz nicht anzeigen, ersetzen sie keine Sportuhr samt Brustgurt. Nur mit dieser Ausrüstung weiß man, ob man zu schnell oder zu langsam läuft, was gerade für Anfänger sehr wichtig sein kann. Das sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man die kostenlosen oder wenige Euro teuren Apps mit Profi-Systemen wie den GPS-Uhren und Gurten von Garmin vergleicht, die schon mal über 300 Euro kosten [1] .

Unpräziser GPS-Empfang unter dichtem Blätterdach am Westufer: Diese mit Runkeeper und einem Motorola Milestone aufgezeichnete Strecke war in Wirklichkeit kein Triathlon, die Füße blieben trocken.

Weiterer Vorteil der Garmin-Uhren: Ihre GPS-Chips sind empfindlicher als die aktueller Smartphones, was man zum Beispiel in Wäldern merkt. Doch auch die Telefone orten sich präzise genug zum Festlegen von Distanzen für Trainingspläne oder zum Analysieren einer Radtour. Das Erfassen der ersten Position dauert meist relativ lang, weshalb man die Apps einige Minuten vor dem Training aufrufen sollte. Bei den Höhenangaben darf man mangels barometrischer Messung weder den Smartphones noch den Uhren trauen. Multitaskingfähig sind die Apps unter Android sowie unter iOS 4 (nur beim iPhone 3GS und 4), sodass ein Anruf die GPS-Aufzeichnung nicht unterbricht.

In das iPhone-Armband von Belkin passen auch Androiden wie das HTC Hero oder das Google Nexus One und mit etwas Gewalt auch das dickere Motorola Milestone.

Die Gefahr, dass der Akku schneller schlapp macht als der Sportler, besteht beim Joggen kaum, aber durchaus beim Radfahren und Wandern. Runtastic saugte den iPhone-3GS-Akku mit Dauer-Ortung und ständig eingeschaltetem Display in nur fünf Stunden leer. Um Energie zu sparen, sollte man den Bildschirm von Hand sperren und WLAN, 3G sowie die mobilen Daten abschalten. Dann sieht man zwar unterwegs keine Karte, die Wegpunkte werden aber aufgezeichnet – anders als im Flugmodus, der auch den GPS-Chip des iPhone deaktiviert. Die rund acht Stunden Laufzeit der kleineren Garmin-Uhren erreicht man auf diese Weise durchaus.

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Armbänder und Radhalterungen

Die größte Auswahl an Sportzubehör gibt es für Apples iPhone. Das Belkin Dual Fit Armband (15 Euro) zurrt es beim Joggen rutschfest um Ober- oder Unterarm und hat ein Zusatzfach für Haustürschlüssel. Aufgrund der Schutzfolie muss man etwas fester auf das Display tippen als gewohnt, kommt aber auch mit der kleinen Bildschirmtastatur noch zurecht – nur Multitouch-Gesten gehen manchmal schief. Die Lasche an der Oberseite will sorgfältig verstaut sein, damit sie nicht den Helligkeitssensor abdeckt. Die Auswahl an weiteren Armbändern ist riesig, bei Amazon reichen die Preise von 5 bis über 30 Euro.

Ans Fahrrad schraubt man das iPhone zum Beispiel mit dem 70 Euro teuren BikeCase von Andres Industries, das eine spritzwassergeschützte Hülle von OtterBox mit einer Halterung für den Lenker kombiniert. Günstiger sind das Biologic Bike Mount von Dahon (40 Euro) und die Tigra Bike Console (50 Euro). Bei gutem Wetter spiegelt sich der Himmel so stark auf dem Display, dass man kaum noch etwas erkennen kann. iPhone-4-Nutzer müssen damit rechnen, dass ihr schlankes Telefon in vielen Halterungen klappert, die für die Vorgängermodelle konstruiert wurden. Zum Laden von Smartphones mit dem Nabendynamo benötigt man zum Beispiel den KECharger von Kuhn Elektronik (50 bis 70 Euro).

Wichtig für das Training mit dem Smartphone ist außerdem ein Armband oder eine Fahrradhalterung (siehe Kasten). Beim Joggen empfindet man das Gewicht zumindest am Anfang als Belastung; die Garmin-Uhren wiegen oft nicht einmal halb so viel. Das System Nike+ gehört zu einer anderen Kategorie: Es misst mit einem Beschleunigungssensor nur die zurückgelegte Distanz und arbeitet nicht mit GPS.

Wer nur seine Strecke und Zeit aufzeichnen möchte, muss nichts konfigurieren. Die Apps zeigen die GPS-Signalstärke in Ampelfarben und einen großen Startknopf. Während des Trainings wischt man mit dem Finger zwischen mehreren Info-Feldern hin und her: Zum Standard gehören Zeit, Distanz, Geschwindigkeit, Pace (Minuten pro Kilometer) und eine Karte. Runkeeper, Runtastic und Runmeter sprechen auch mit dem Sportler, sodass dieser sich unterwegs besser auf die Strecke konzentrieren kann. Intervall und Bestandteile der Ansagen lassen sich frei einstellen.

Runkeeper und Runtastic Pro lassen den Nutzer eigene Trainingsziele anlegen, zum Beispiel eine bestimmte Pace. Bei Runkeeper kann man eine Session aus beliebig vielen Intervallen zusammenstellen, denen man eine Zeitdauer sowie die Kommandos „langsam“, „stetig“ und „schnell“ zuweist, die anschließend durchgesagt werden.

Runmeter lässt den Sportler gegen seine Zeit aus einem vorherigen Lauf antreten. Bei Runtastic Pro läuft man auch gegen Mitglieder aus der Community, mit denen man zuvor auf der Webseite Freundschaft geschlossen hat. Ob man tatsächlich auf der gleichen Strecke unterwegs ist, interessiert die Apps nicht – sie werten nur aus, ob man auf einer bestimmten Distanz langsamer oder schneller läuft als der virtuelle Kontrahent. Über Rückstand oder Vorsprung informieren sie optisch und akustisch.

Die iPhone-App Runmeter zeigt Zeit, Distanz, Geschwindigkeit und GPS-Qualität. Nach dem Training kann man die Route speichern, um beim nächsten Mal gegen die eigene Zeit anzutreten.

Wer etwas geleistet hat, muss das nicht für sich behalten: Alle drei Apps kann man mit seinen Facebook- und Twitter-Accounts verknüpfen. Mit einem Fingertipp werden Freunde direkt nach dem Zieleinlauf über die Aktivität (zum Beispiel Laufen oder Fahrradfahren), Distanz und Zeit informiert. Wer will, kann auch die Strecke veröffentlichen.

Runtastic verschickt außerdem E-Mails mit Links zu Statistiken und Karten; Runmeter packt die GPS-Daten in den E-Mail-Anhang, sodass man die Tracks mit Google Maps oder anderen Tools nachbearbeiten kann. Bei Runkeeper und Runtastic erledigt man das auf den jeweiligen Webseiten. Im Runkeeper-Portal kann man außerdem die mit einer Uhr von Polar gemessene Herzfrequenz hochladen, bei Runtastic trägt man Durchschnitts- und Maximalfrequenz von Hand ein.

Im Vergleich zu den Garmin-Uhren mit GPS und Herzsensor ist das natürlich relativ umständlich. Für Hobbysportler, die bereits ein Smartphone besitzen, wirken die günstigen Apps aber als ideale Einstiegsdroge in den Ausdauersport. Und dank der Trainings- und Wettbewerbsfunktionen bleiben sie auch auf Dauer ein starkes Mittel gegen den inneren Schweinehund.

[1] Nico Jurran, Sportfreunde, GPS-Sportuhren mit PC-Anbindung, c’t 23/09, S. 74

Apps für Ausdauersportler (Auswahl)

(cwo)