Bundesverfassungsgericht schwächt Datenschutz bei E-Mails und Handy-Daten

Die Polizei darf künftig Verbindungs- und Inhaltsdaten bei der elektronischen Kommunikation einfacher abfragen und in Beschlag nehmen, da das Fernmeldegeheimnis nicht greift. Zu beachten ist aber das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

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Ermittler dürfen künftig schon bei Verdacht auf leichtere Straftaten Verbindungsdaten von Handygesprächen und E-Mails abfragen sowie auch die Inhalte der Kommunikation beschlagnahmen. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschied am heutigen Donnerstag, dass diese Daten nicht unter den besonderen Schutz des Fernmeldegeheimnisses fallen. Dieses würde einen Zugriff nur bei einem Verdacht auf schwerere Taten zulassen. Ermittler dürfen künftig schon bei Verdacht auf leichtere Straftaten Verbindungsdaten von Handygesprächen und E-Mails abfragen sowie auch die Inhalte der Kommunikation beschlagnahmen, sobald die eigentlichen Übertragungsvorgänge abgeschlossen sind und die Daten auf dem Endgerät eines Empfängers angekommen sind.

Die Karlsruher Richter verdeutlichten damit eine Vorentscheidung, die noch zu einer umfangreicheren Auslegung des Fernmeldegeheimnisses Anlass gegeben hatte. Die Polizei muss aber trotzdem zumindest weiterhin das Recht auf informationelle Selbstbestimmung beachten. Im konkreten Fall gab der Zweite Senat in Karlsruhe daher der Verfassungsbeschwerde einer Richterin Recht, bei der 2003 der Computer und Einzelverbindungsnachweise ihres Mobiltelefons beschlagnahmt worden waren. Der Einsatz der Ermittler sei unverhältnismäßig gewesen, da er zu tief in die Privatsphäre der Juristin eingegriffen habe.

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hob mit dem Urteil einstimmig die von der Richterin angegriffenen Beschlüsse des Landgerichts Karlsruhe auf. Zwar sei nicht das Fernmeldegeheimnis verletzt, da nach Abschluss des Übertragungsvorgangs im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers gespeicherte Verbindungsdaten nicht vom Schutzbereich des Artikels 10 Absatz 1 Grundgesetz umfasst würden. Die Daten seien jedoch durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gegebenenfalls durch das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung geschützt. Danach darf auf die beim Kommunikationsteilnehmer gespeicherten Daten nur unter bestimmten Voraussetzungen und insbesondere nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zugegriffen werden.

Im vorliegenden Fall sei die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten verletzt worden, da die Durchsuchungsanordnung des Landgerichts dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht hinreichend Rechnung getragen habe. Der fragliche Tatverdacht und die erheblichen Zweifel an der Geeignetheit der Durchsuchung stünden außer Verhältnis zu dem Eingriff in die Grundrechte der Beschwerdeführerin.

Beobachter, die von dem Urteil eine klare Signalwirkung auch auf die Frage der Klärung der Verhältnismäßigkeit der von Brüssel beschlossenen Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten erwarteten, dürften sich zunächst enttäuscht sehen. Das Urteil hält zunächst nur recht allgemein fest: "Bei dem Vollzug von Durchsuchung und Beschlagnahme – insbesondere beim Zugriff auf umfangreiche elektronisch gespeicherte Datenbestände – sind die verfassungsrechtlichen Grundsätze zu gewährleisten, die der Senat in seinem Beschluss vom 12. April 2005 entwickelt hat." Hierbei sei vor allem darauf zu achten, dass die Gewinnung "überschießender, für das Verfahren bedeutungsloser Daten nach Möglichkeit vermieden wird". Die Beschlagnahme sämtlicher auf einer Computerfestplatte gespeicherter Daten oder der gesamten Datenverarbeitungsanlage allein zum Zweck der Erfassung von Verbindungsdaten, etwa des E-Mail-Verkehrs, werde regelmäßig nicht erforderlich sein. Vielmehr dürfte im Regelfall wegen des von vornherein beschränkten Durchsuchungsziels die Durchsicht der Endgeräte vor Ort genügen. (Stefan Krempl) / (anw)