Dissidenten als mutmaßliche Softwarepiraten im Visier der russischen Polizei

Russische Dissidenten vermuten laut einem Zeitungsbericht, dass der Verdacht der Nutzung von nicht-lizenzierter Software genutzt wird, um sie systematisch mundtot zu machen. Dabei sollen Vertreter von Microsoft ihre Finger im Spiel haben.

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Die russische Polizei nutzt angeblich den Verdacht der Verwendung von nicht-lizenzierter Software, um Aktivisten mundtot zu machen. Die New York Times berichtet, ein Beispiel dafür sei die Umweltschutzgruppe Baikal Environmental Wave, deren Räumlichkeiten im Januar von Polizisten auf der Suche nach illegaler Microsoft-Software durchsucht worden seien. Daneben habe es in den vergangenen Jahren noch einige andere Fälle gegeben, in denen Büros von Aktivisten oder oppositionellen Medien durchsucht und Computer beschlagnahmt worden seien, ohne die sie ihre Arbeit kaum erledigen können.

Die Gruppe Baikal Wave, die sich gegen die von Ministerpräsident Wladimir Putin durchgesetzte Wiedereröffnung einer Papierfabrik am Baikalsee wendet, beteuerte laut dem Bericht, die Microsoft-Software legal erworben und installiert zu haben. Die Polizei sei darauf aber nicht eingegangen, und Microsoft habe es abgelehnt, helfend einzugreifen mit dem Argument, die Angelegenheit sei Sache der Sicherheitsbehörden. Baikal Wave hat ihre Computer erst im Juli zurückerhalten; einer davon sei mit einem Virus infiziert gewesen.

Alexander Strakh, bei Microsoft in Moskau verantwortlich für die rechtliche Verfolgung von illegaler Software, beteuerte laut dem Bericht, sein Unternehmen unterstütze die Behörden im Rahmen russischer Gesetze. Microsoft widersprach der Darstellung, ein Verfahren gegen die Bürgerrechtlerin Anastasia Denisova sei auf Veranlassung eines von Microsoft beschäftigten Rechtsanwalts eingeleitet worden. Insgesamt richte sich Microsoft bei der Bekämpfung illegaler Software eher gegen die Hersteller und Händler als gegen die Nutzer.

Die New York Times führt auch das Beispiel der oppositionellen Zeitung Samarskaya Gazeta auf, gegen die wie bei Baikal Wave ein Außenstehender Anzeige erstattet habe. Vor Gericht habe ein Microsoft-Anwalt ausgesagt, auf Rechnern der Zeitungen habe sich illegale Software befunden; später sei aber nachgewiesen worden, dass die Computer bis dahin noch gar nicht untersucht worden seien.

Microsoft-Manager Kevin Kutz beteuert laut einer Stellungnahme, sein Unternehmen nehme die Vorwürfe ernst. Nach Gesprächen mit Menschenrechtsgruppen habe Microsoft begonnen, die Schulung von örtlichen Rechtsvertretern zu verbessern. Um zu verhindern, dass sich Einzelne betrügerisch als Microsoft-Vertreter ausgeben, seien auf der russischen Website des Unternehmen die Namen der offiziellen Vertreter veröffentlicht worden. Kutz wies darauf hin, dass Microsoft im März russischen Nichtregierungsorganisationen ein Programm vorgestellt hat, bei dem ihnen Software kostenlos zur Verfügung gestellt wird. (anw)