Justizministerin: nur kleine Korrekturen an Softwarepatentrichtlinie nötig

Die SPD-Politikerin Brigitte Zypries stellt sich in einem Schreiben an die deutschen EU-Abgeordneten gegen die Parlamentsvorlage aus der 1. Lesung, während die Lobbyschlacht in Brüssel weitere Blüten treibt.

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In einem heise online vorliegenden Schreiben hat sich Bundesjustizministerin Brigitte Zypries im endlosen Streit um die Softwarepatentrichtlinie am heutigen Donnerstag überraschend im Vorfeld der 2. Lesung an die deutschen Mitglieder des EU-Parlamentes gewandt. In dem Brief verteidigt die SPD-Politikerin weitgehend den umkämpften und nur mit Müh und Not formell verabschiedeten Vorschlag des EU-Rates und bestätigt damit nun auch offiziell die bereits bekannt gewordene Linie ihrer Beamten im Vorfeld einer weiteren diplomatischen Verhandlungsrunde mit dem Parlament in Brüssel. Laut Zypries bekräftigt der "Gemeinsame Standpunkt" des Rates allein "die in Deutschland und fast ganz Europa geltende Rechtslage", unter der etwa bereits Warenkörbe für Webshops patentiert sind. Die Ratslinie sehe "trotz vieler anders lautenden Behauptungen auch keine Ausweitung der Patentierungsmöglichkeiten" vor, schreibt Zypries

Die Vorlage des EU-Parlaments aus der 1. Lesung, mit der die Abgeordneten reinen Softwarepatenten und einer Flut trivialer Schutzansprüche Tür und Tor einen effektiven Riegel vorschieben wollten, hält Zypries dagegen nicht für akzeptabel. Damit "wären umfangreiche Technikgebiete von der Patentierbarkeit ausgenommen worden", schreibt die Justizministerin im Tenor der Stellungnahmen von Verbänden wie der EICTA, dem ZVEI oder der BSA. "Dies hätte nach meiner Ansicht erhebliche negative Konsequenzen für weite Bereiche der deutschen Wirtschaft, die etwa ein Drittel aller europäischen Anmeldungen beim Europäischen Patentamt vornimmt, und die in diesen Bereichen tätigen hochqualifizierten Beschäftigten". Trotz der hohen Patentaktivitäten, merkt Zypries ferner an, habe sich auch der Open-Source-Bereich prächtig entwickelt.

Die Abgeordneten bittet die Ministerin, ihre umfassenden Änderungsvorschläge wieder wegzupacken und stattdessen das Ratspapier durchzuwinken. Dieses stelle bereits "einen ausgewogenen und interessensgerechten Kompromiss dar" -- was bei der entscheidenden Ministersitzung im März zahlreiche Regierungen jedoch ganz anders sahen. Zypries wendet sich damit auch offen gegen den einstimmigen Beschluss des Bundestags, der die Bundesregierung zur Unterstützung der Linie des EU-Parlaments aus der 1. Lesung auffordert.

Ganz außen vor will die Justizministerin die Empfehlung des Bundestags aber nicht lassen, da die Ratsvorlage ihrer Ansicht nach in zwei Punkten noch "optimiert" werden könnte. So wäre es denkbar, drückt sich Zypries vorsichtig aus, den im Richtlinienentwurf enthaltenen Begriff des "technischen Beitrags" noch präziser einzugrenzen. Hier bringt die Ministerin doch noch die vom Bundestag geforderte Klarstellung mithilfe des Bezugs auf die Auswirkungen auf die "Naturkräfte" ins Spiel, auch wenn sie ganz allgemein nur von der "in der Praxis bewährten Definition" des Bundesgerichtshofs spricht. Just gegen diese hatten sich ihre Beamten bei Hinterzimmergesprächen in Brüssel jedoch auch schon ausgesprochen. In der zweiten Hauptstreitfrage der Interoperabilität setzt Zypries allein auf ein Zwangslizenzmodell, das Experten angesichts der Standardisierungskriege im Softwarebereich aber als zu schwach auf der Brust erscheint. Dass die Ratslinie Ansprüche auf Softwareprogramme und Datenverarbeitungsverfahren zulässt, thematisiert die Ministerin nicht.

Neue Lobbymethoden der BSA, die vor allem die Interessen von Konzernen wie Apple, IBM, Microsoft oder SAP vertritt, haben derweil Unmut selbst in den Reihen von Patentanwälten ausgelöst. So beschwerte sich mit Alex Thurgood gerade ein Vertreter dieser Zunft auf einer Mailingliste, dass er und seine Kollegen jetzt schon Postkarten von der Lobbyvereinigung mit Slogans erhalten würden, die bei einer Ablehnung des Ratsvorschlags etwa vor den "negativen Auswirkungen auf unsere Kinder" warnen würden. Zugleich ergehe die Aufforderung, diese Benachrichtigungen im eigenen Namen an die EU-Kommission oder an Parlamentarier zu schicken. Die Ironie an der Geschichte sei, klagt Thurgood, dass man sich damit auf dieselbe "FUD"-Rhetorik (Fear, Uncertainty and Doubt) einlasse, wie sie die Gegner der Richtlinie nach Ansicht des Anwalts verbreiten. Die Softwarepatentkritiker werden in Brüssel momentan sogar beschuldigt, bereits Särge für "abtrünnige" Abgeordnete aufgefahren zu haben. Unabhängige Bestätigungen für derlei Gerüchte gibt es aber nicht.

Mit ihrer aktuellen Kampagne will sich die BSA eine Scheibe von einer Kampagne von attac und Campact abschneiden, die im Netz Textbausteine für Briefe gegen Softwarepatente bereit halten. Dementsprechend hat die Konzernallianz ebenfalls einen Lobby-Baukasten unter dem Motto "Help yourself!" online gestellt. Attac ist aber schon wieder einen Schritt weiter und ruft jetzt zu einer Online-Demo auf, in der Softwarepatentgegner Digitalfotos von sich selbst mit einer persönlichen Note einsenden sollen. Diese werden auf einer gemeinsamen Plattform gesammelt. Inspiriert hat die Globalisierungsgegner wohl die Website Sorry Everybody, auf der US-Bürger sich in Bildern von ihrem wiedergewählten Präsidenten George W. Bush distanzieren.

Zum Thema Softwarepatente siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)