Überwachung: Zivilgesellschaft warnt vor Unterzeichnen der Cybercrime-Konvention
Bürgerrechtsorganisationen zeigen sich besorgt, dass das Abkommen der Uno gegen Cyberkriminalität grenzüberschreitend Menschenrechtsverletzungen erleichtere.
Das UN-Hauptquartier in Manhattan, New York.
(Bild: Gabriele Maltinti/Shutterstock)
Zivilgesellschaftliche Organisationen schlagen noch einmal Alarm wegen der UN-Konvention gegen Cyberkriminalität (UNCC), deren Unterzeichnungszeremonie am Samstag in Vietnams Hauptstadt Hanoi startete. Die Bedenkenträger, zu denen Access Now, die Electronic Frontier Foundation (EFF), Human Rights Watch, Privacy International und Epicenter.works gehören, sind tief besorgt: das erste globale Abkommen dieser Art erleichtere grenzüberschreitende Menschenrechtsverletzungen. Sie fordern die Staatengemeinschaft auf, von der Unterzeichnung und Ratifizierung abzusehen. Alternativ müssten sie zumindest die Wahrung der Menschenrechte bei der Umsetzung des Vertrages hervorheben.
Die Kritik richtet sich vor allem gegen den zu weiten Geltungsbereich der Konvention. Die UNCC geht über die reine Cyberkriminalität in Form von Angriffen auf Computernetzwerke und Daten hinaus und verpflichtet die Teilnehmer zu umfassender elektronischer Überwachung sowie zur Untersuchung und Kooperation bei einer Vielzahl schwerer Straftaten. Auch wenn diese nicht direkt mit Informations- und Kommunikationssystemen in Verbindung stehen.
Als "schwere Straftat" gilt dabei jedes Vergehen, das nach nationalem Recht mit mindestens vier Jahren Freiheitsentzug geahndet werden kann. Dies eröffnet laut dem offenen Brief der Organisationen die Gefahr, dass die Konvention zur Kriminalisierung von international geschützten Aktivitäten missbraucht werden könnte. Genannt werden dabei Regierungskritik, friedliche Proteste, investigativer Journalismus oder Whistleblowing.
Mangelnde Schutzmaßnahmen
Das Abkommen fordert die Regierungen den NGOs zufolge auf, elektronische Beweismittel (E-Evidence) zu sammeln und diese mit ausländischen Behörden zu teilen, ohne ausreichende Schutzbestimmungen zu verankern. Dies schaffe einen Rechtsrahmen, der das Vertrauen in sichere Kommunikation untergrabe und Grundrechte verletze. Die Schwächen würden dadurch verschärft, dass es keinen Mechanismus zum Suspendieren von Staaten gebe, die systematisch Menschenrechte oder Rechtsstaatlichkeit missachten.
Der internationale Vertrag geht auf einen Vorschlag von Russland und China von 2017 zurück. Er war von Anfang an umkämpft.
Andrang am Unterzeichnertisch
Auf der Zeremonie in Hanoi haben laut Agenturberichten bereits mehr als 60 Staaten das Abkommen unterzeichnet. Für EU-Mitglieder hatte der Ministerrat dafür den Weg freigemacht. UN-Generalsekretär António Guterres feierte die Konvention als Meilenstein im Kampf gegen die digitale Kriminalität. Er unterstrich die Notwendigkeit einer "starken global-vernetzten Antwort" und verwies auf das tägliche Ausmaß von "raffinierten Betrügereien", die Familien schädigten und der Wirtschaft Milliarden von US-Dollar entzögen.
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Als Beispiel für die Bedrohung nennt die UN die Leichtigkeit, mit der Bürger in die Falle von Cyberkriminellen tappen können. Eine geringfügige Abweichung in einer URL bei einer Online-Bestellung reiche aus.
Auch Tech-Unternehmen sind gegen die Übereinkunft. Ein Industrieverband, dem Größen wie Meta und Dell angehören, sagte die Teilnahme an der Zeremonie ab. Er bemängelte, dass die Konvention den Staaten die Befugnis gebe, "bei fast jeder Straftat ihrer Wahl" zusammenzuarbeiten. Für zusätzliche Kritik sorgte der Ort der Unterzeichnung. Human Rights Watch beanstandete, dass die vietnamesischen Behörden gezielt die Meinungsfreiheit im Internet unterdrückten.
(nie)