Computex

Streit um den Kurs der Kommission für Jugendmedienschutz

Die Regulierung von Internet und allgemein "Telemedien" nach dem 2003 in Kraft getretenen Jugendmedienschuztrecht ist nach wie vor zwischen Kontrolleuren und Anbietern umstritten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 25 Kommentare lesen
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Monika Ermert

10 Monate nach ihrem Antrag auf Zulassung als Kontrollinstanz für den Jugendmedienschutz bei der KJM (Kommission für Jugendmedienschutz) wartet die Freiwillige Selbstkontrolle für Multimedia (FSM) nach wie vor auf einen Bescheid. Die Mitglieder der eigens an das Modell der so genannten "regulierten Selbstregulierung" angepassten Organisation seien durch die lange Verzögerung irritiert, sagte FSM-Geschäftsführerin Sabine Frank bei einer Diskussion zum Jugendmedienschutz auf den Münchner Medientagen. Solange die Zulassung ausstehe, tue sich die FSM auch schwer, weitere Mitglieder in der Internet-Branche zu gewinnen und damit dem Vorwurf der KJM zu begegnen, dass die Mitgliedschaft noch zu klein sei. Noch schwerer tut sich die KJM außerdem mit einer Zulassung der Internet-Filtersoftware ICRA. Den Antrag auf Pilotzulassung hat die FSM gemeinsam mit mehreren Partnern bereits vor einigen Monaten beantragt.

Die neuen Bestimmungen zum Jugendmedienschutz (Jugendschutzgesetz und Jugendmedienschutzstaatsvertrag) traten am 1. April 2003 in Kraft. Nach dem Jugendschutzgesetz müssen beispielsweise auch Computerspiele wie zuvor Kino- und Videofilme mit einer Altersfreigabe gekennzeichnet sein; alle neuen Medien, auch Internet-Seiten, können zudem künftig auf den Index gesetzt werden und damit Sperrungsverfügungen unterliegen. Erweitert und verschärft wurden außerdem die Verbote für schwer jugendgefährdende Medien. Der Jugendmedienschutzstaatsvertrag verpflichtet Anbieter von "Telemedien" unter anderem, Jugendschutzbeauftragte zu bestellen oder sich an eine Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle anzuschließen und lizenzierte Filterprogramme einzusetzen, um Kindern und Jugendlichen den Zugang zu pornographischen, aber auch allgemein "entwicklungsbeeinträchtigenden" Inhalten zu verwehren.

Der Präsident der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien (BLM), Wolf-Dieter Ring, begründete nun die lange Verzögerung bei der Zulassung von FSM und ICRA mit den hohen Ansprüchen des Jugendmedienschutzstaatsvertrages. "Wir haben im deutschen Jugendschutzrecht sicherlich einen Standard, der international einzigartig ist", sagte Ring. Bei ICRA bestünden nach wie vor Bedenken, das Programm als verträglich mit dem Staatsvertrag zu erklären und damit Eltern und Lehrer den Eindruck zu vermitteln, mit dem Einsatz des Programms könnten sie sich in Sicherheit wiegen. Das lange Zögern bei der ICRA-Zulassung wirft ein deutliches Licht auf die Schwierigkeit der Vorschrift im Staatsvertrag, nach der Anbieter geeignete Filtersoftware vorschalten sollen, wenn sie für Kinder und Jugendliche "entwicklungsbeeinträchtigende" Inhalte anbieten.

Der Lizenzierung der FSM stünden, erklärte Ring, vor allem noch zwei Punkte entgegen. Zum einen fehle ein transparentes Verfahren für die Einsetzung der Prüfer bei der FSM. Zum anderen lehne die KJM das Verständnis der FSM davon ab, in welcher Form von der KJM festgestellte Verstöße eines FSM-Mitgliedes an die Selbstregulierungsorganisation zu übergeben seien. Es dürfe nicht so sein, dass die KJM dabei das Webformular der FSM ausfüllen, den Verstoß genau dokumentieren beziehungsweise auf CD übergeben und die rechtliche Einschätzung gleich mitliefern solle.

"Wir wollen gar nicht, dass die KJM vorab prüft", sagte dagegen Frank. Allerdings verlange man die genaue Bezeichnung der beanstandeten Inhalte und eine kurze Begründung auch von jedem "Otto-Normal-Beschwerdeführer", der sich bei der FSM meldet. Allein der Hinweis, auf einer Homepage sei etwas nicht in Ordnung, reiche nicht aus. Und für die KJM, betonte Frank, sei doch ein Hinweis, gegen welche Staatsvertragsbestimmung ihrer Meinung nach verstoßen werde, kein großes Problem. Ganz entschieden wies Frank den Vorwurf zurück, die Prüfer würden nicht nach einen transparenten Verfahren zugewiesen. Für jeden Fall würde je ein Prüfer aus dem Bereich Recht, Medienpädagogik und Sonstiges (darunter fallen Techniker oder Journalisten) zugewiesen, und zwar alphabetisch. Frank und Ring betonten in München, dass man auf einem guten Weg sei und damit rechne, dass die Anerkennung bald ausgesprochen werde.

Doetz warnte, Deutschland versuche offensichtlich einmal mehr, eine Vorreiterrolle in Sachen Regulierung zu spielen. Heftig gestritten wurde nach der KJM-Grundsatzentscheidung zum TV-Format der Reality-Soaps mit Schönheitsoperationen im Übrigen mit den Vertretern des privaten Rundfunks. Zum ersten Mal hatte die KJM ein bestimmtes Format komplett aus dem Tagesprogramm verbannt. "Unterhaltungssendungen" zu Schönheitsoperationen dürfen demnach nicht vor 23 Uhr gezeigt werden. Jürgen Doetz, Präsident des Verbandes Privater Rundfunk und Telekommunikation, sagte: "Statt der Selbstkontrolle eine Chance zu geben, wird nun die neue Keule Grundsatzbeschluss ausgepackt." Doetz kündigte dagegen einen "Kampf mit harten Bandagen" an. Der Sender MTV, in dessen Sendereihe "I want a famous face" die KJM Jugendschutzverstöße festgestellt hat, klagt gegen die KJM-Entscheidung. "Geschmacksfragen", und um diese gehe es, sagte Doetz, "ließen sich nicht wegregulieren."

Auch der Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle Film (FSF), Joachim von Gottberg, sagte gegenüber heise online, man dürfe nicht vergessen, dass es zu Schönheitsoperationen unterschiedliche Meinungen in der Gesellschaft gebe. Anders als bei grundgesetzlich geächteter Gewalt gegen Menschen oder geschlechtsdiskriminierenden Rollenbildern sei eine positive Einstellung zu Schönheitsoperationen nicht verboten. "Wir müssen in solchen Fällen sehr genau überlegen, wo die Freiheit aufhört und wo der Jugendschutz anfängt", meinte Gottberg. Die FSF hatte die ersten drei Folgen der Famous-Face-Sendungen durchgewunken und daher von Seiten der KJM heftige Kritik kassiert. Ring warnte in seiner Grundsatzrede, das Modell der regulierten Selbstregulierung stehe immerhin noch auf dem Prüfstand. Gottberg nannte diese Kritik überzogen. Immerhin handele es sich um gerade drei der 1000 von der FSF bislang entschiedenen Fälle. Gleichzeitig warf der FSF-Chef der KJM mangelnde Kommunikation vor. Von der Beanstandung hatte die FSF erst aus der Presse erfahren. Wenn den Institutionen der Selbstregulierung allerdings kein Entscheidungsspielraum mehr bliebe, erklärte Doetz, dann bliebe von dem Konzept nur noch "Regulierung" übrig. (Monika Ermert) / (jk)