Gericht hält Teile der 1&1-Webhosting-AGB für rechtswidrig

Der Webhoster 1&1 muss wohl Teile seiner Webhosting-Geschäftsbedingungen neu formulieren. Ein von der Verbraucherzentrale Berlin erwirktes Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz stellt nichts anderes dar als eine Ohrfeige für das Geschäftsgebaren des Providers.

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Von
  • Holger Bleich

Deutschlands größter Webhoster 1&1 muss seine allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) an wichtigen Punkten grundlegend verbraucherfreundlicher gestalten. In einem Berufungsverfahren (Az. 2 U 1388/09) attestierte ihm das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz, mit acht AGB-Klauseln jahrelang gegen verbraucherrechtliche Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verstoßen zu haben.

Vorausgegangen war zunächst eine Abmahnung der Verbraucherzentrale Berlin im April 2007. 1&1 verweigerte es, wie gefordert die Anwendung der strittigen Klauseln zu unterlassen. Daraufhin klagte die Verbraucherzentrale am Landgericht Koblenz, das fünf der beanstandeten acht Klauseln für ungültig erklärte (Az. 10 O 235/07). Mit diesem Urteil waren beide Parteien nicht zufrieden und legten daher jeweils Berufung beim OLG Koblenz gegen das Urteil ein. Dessen am 30. September ergangenes Urteil stellt nichts anderes dar als eine Ohrfeige für das Geschäftsgebaren des Webhosters.

So hält es das OLG Koblenz für eine unangemessene Benachteiligung der Kunden, dass sich 1&1 per AGB berechtigt, die Zustimmung zu AGB-Änderungen als erteilt zu sehen, wenn der Kunde nicht binnen vier Wochen nach Zugang der Änderungsmitteilung widerspricht. Es besteht nämlich laut Gericht "durchaus die Gefahr, dass viele Kunden einer AGB-Änderung und ggf. einer Umgestaltung der wesentlichen Vertragsbestandsteile deshalb nicht widersprechen, weil sie sich der nachteiligen Auswirkungen nicht bewusst sind".

Die Klausel, nach der 1&1 berechtigt ist, für Rücklastschriften "eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 9,60 Euro pro Lastschrift zzgl. der für 1&1 angefallenen Bankgebühren" zu verlangen, stelle eine unangemessene Benachteiligung der Kunden dar. Zwar entstehen laut Gericht "durch das vertragswidrige Verhalten einer bestimmten Anzahl von Kunden dem Unternehmer Aufwendungen. Dieser Verwaltungsaufwand gehört jedoch zum Aufgabenkreis des Unternehmers." 1&1 habe daher die Kosten selbst zu tragen.

Für viel Unmut sorgt bei Kunden seit Jahren, dass sich 1&1 in den AGB eine sogenannte asymmetrische Kündigungsfrist einräumt: Während die Kunden für mindestens 12 Monate an den Vertrag gebunden sind, darf 1&1 laut AGB-Klausel "den Vertrag mit einer Frist von vier Wochen zu Monatsende" kündigen. Auch dies stellt laut OLG Koblenz eine unangemessene Benachteiligung für den Verbraucher dar. Überdies sei die Klausel überraschend: "Ein Kunde, der einen Vertrag mit einer Laufzeit von 12 Monaten abschließt, rechnet nicht damit, dass der Vertrag vom Vertragspartner jederzeit ohne Angaben von Gründen gekündigt werden kann."

Unangemessen sei außerdem, dass sich 1&1 das Recht zur fristlosen Kündigung einräumt, wenn "der Kunde mit der Zahlung der Entgelte mehr als 20 Kalendertage in Verzug gerät". In der Begründung des OLG heißt es dazu: "Bei verbraucherfeindlichster Auslegung wäre eine außerordentliche Kündigung bereits möglich, wenn der Kunde mit einem sehr geringen Betrag mehr als 20 Tage in Verzug gerät." 1&1 sei aber "durch die Möglichkeit, in diesen Fällen den Vertrag ordentlich zu kündigen, ausreichend geschützt." Dass sich 1&1 in den AGB vorbehält, bei einmaliger Überschreitung des monatlichen Traffic-Limits den Kunden in eine teureren Tarif hochzustufen, sei ebenfalls eine unangemessene Benachteiligung der Kunden.

Das OLG Koblenz hat eine Revision des Urteils vorm Bundesgerichtshof nicht zugelassen. Darauf könnte 1&1 nun mit einer Nichtzulassungsbeschwerde reagieren. Ein Sprecher des Unternehmens bestätigte, dass diese Option derzeit geprüft werde. Der Streitwert liegt bei vergleichsweise niedrigen 20.180 Euro (2500 Euro pro AGB-Klausel plus Erstattung der Abmahnkosten). Sollte der Webhoster auf die Beschwerde verzichten, muss er bis Anfang November reagieren und die beanstandeten Klauseln seiner AGB neu formulieren. (hob)