FreeBSD 5.3 eröffnet neue stabile Entwicklungslinie des freien Unix-Derivats

Was lange währt, wird hoffentlich gut: Nach einigen Entwicklerversionen und nun insgesamt mehr als vier Jahren Entwicklungszeit wurde die Version 5.3 des freien Unix-Derivats FreeBSD als stabile Ausgabe für Produktionsumgebungen freigegeben.

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Von
  • Björn König

Kurz vor dem nach langer Vorbereitung geplanten Release-Termin des freien Unix-Derivats FreeBSD 5.3 am 26. Oktober wurden noch einmal so schwerwiegende Bugs entdeckt, dass die offizielle Freigabe verschoben und doch noch ein Release Candidate 2 eingeschoben wurde. Nun aber wird, was lange währt, hoffentlich gut: Heute wurde die Version 5.3 von FreeBSD offiziell angekündigt -- nach einigen vorangegangenen Entwicklerversionen und nun insgesamt mehr als vier Jahren Entwicklungszeit.

Ein dreiviertel Jahr nach Version 5.2 und dem kurz darauf folgenden Bugfix-Release 5.2.1 sowie einem langen Anlauf seit Version 5.0 -- freigegeben vor nunmehr fast zwei Jahren -- soll FreeBSD 5.3 die Version 5 des Betriebssystems als stabile Entwicklungslinie einleiten. Dieser Schritt ist von vielen Anwendern lang ersehnt, da die zwar robuste, aber in technischer Hinsicht leicht angestaubte 4er-Linie mittelfristig auch nach Ansicht der Entwickler nicht mehr den Anforderungen eines modernen Serverbetriebssystems gerecht werden kann. Bislang empfahlen die Entwickler die 5.x-Serie nicht für Produktionsumgebungen; nunmehr wird FreeBSD 5.3 nicht mehr als Technology Release geführt, sondern eröffnet endgültig eine neue Stable Branch. Das aktuelle Release der 4.x-Serie ist FreeBSD 4.10.

Künftig wollen die Entwickler nach den Plänen, die Scott Long kurz vor Freigabe von FreeBSD 5.3 vorstellte, neue stabile Produktionsversionen von FreeBSD in periodischen Abständen herausgeben -- dadurch soll auch ein Verzetteln des Projekts durch den Einbau zu vieler neuer Funktionen und Techniken in neue Releases verhindert werden. So soll eine stabile Entwicklungslinie für FreeBSD 6.0 bereits im Mai oder Juni 2005 eröffnet werden; die Freigabe dieses Releases erhoffen sich die Entwickler dann bereits ein bis drei Monate später.

FreeBSD gehört neben NetBSD und OpenBSD zu den freien Unix-Ausgaben, die auf der 4.4BSDLite-Linie beruhen. Mit Dragonfly startete ein ehemaliger FreeBSD-Entwickler zudem ein eigenes System, das die 4.x-Serie von FreeBSD fortsetzen soll; es liegt seit Mitte des Jahres in der Version 1.0 vor. Eine kurze Geschichte der BSD-Unix-Derivate findet sich in dem Artikel zum zehnjährigen Geburtstag von NetBSD: Das Allerwelts-Unix: 10 Jahre NetBSD.

Neben einer Fülle von Verbesserungen im Detail glänzt die neue Version 5.3 von FreeBSD gegenüber den Vorgängern auch mit zum Teil neu hinzugekommener Unterstützung für ACPI, USB 2.0, USB Ethernet, Wireless LAN, Bluetooth, IEEE 1394 (Firewire), Serial ATA, PCMCIA CardBus und diversen Sound- und TV-Karten. Das System wurde um viele Treiber für WLAN-Adapter und ACPI-Funktionen von Notebooks ergänzt. Mit den Erweiterungen kann man auch den Einsatz des Systems auf vielen stationären und tragbaren Arbeitsrechnern in Erwägung ziehen. FreeBSD ist zudem dank einer vollständigen Unterstützung der AMD64 (Athlon64 und Opteron) und Sparc64- Architektur eine Alternative für den kommerziellen Einsatz jenseits der x86-Plattform. Darüberhinaus ist das System aber auch auf Itanium- und Alpha-Systemen lauffähig. Die Unterstützung weiterer Architekturen wie zum Beispiel PowerPC befindet sich noch im Entwicklungsstadium. Mit Version 5.3 wurde auch mit der Arbeit an der Unterstützung für Prozessoren der ARM-Architektur begonnen.

Details zu den Neuerungen in FreeBSD 5.3 bringen die Release Notes. Bereits bekannte Probleme und "allerletzte Informationen" zu der Version gibt es in den Errata. Genaue Informationen zur unterstützten Hardware finden sich in den Hardware Notes.

FreeBSD 5 war der nächste große Schritt für das Projekt, nachdem FreeBSD 4.0 im Frühjahr 2000 erschien. Erweiterungen des Systems selbst bestanden beispielsweise in einer neuen SMP-Architektur für Multiprozessor-Systeme mit einem Kernel für mehrere CPUs gleichzeitig, und der Möglichkeit, dass ein Prozess mehrere Kernel-Threads aktiv hat. Mit dem erweiterbaren Mandatory Access Control Framework etwa können ladbare Kernel-Module die System-Sicherheitsrichtlinien beeinflussen; GEOM, ein neues Disk-I/O-System, mit dem sich I/O-Requests steuern und beeinflussen lassen, kam neben vielen weiteren Erweiterungen ebenfalls hinzu.

Allerdings hält entgegen den ursprünglichen Ankündigungen der verbesserte Prozess-Scheduler noch keinen Einzug in den Standardkernel und steht auch noch nicht als Option zur Verfügung. Ein Scheduler dient dem System dazu, laufende Prozesse abwechselnd den verfügbaren CPUs möglichst effizient zuzuteilen. Die Vorteile der Neuentwicklung können insbesondere auf Mehrprozessorsystemen zum Tragen kommen, aber bis man sie produktiv nutzen kann, wird man wohl noch mindestens auf die nächste Version warten müssen. Die vielen weiteren Änderungen im Kernel dienen vorrangig zur komfortableren Fehlersuche für Entwickler und der Verbesserung der Leistungsfähigkeit. Eine Neuerung, die Linux-Anwendern vom Prinzip her bereits bekannt sein dürfte, ist der so genannte "NDISulator". Dabei handelt es sich um eine Emulationsschicht, die es ermöglicht, übliche Windows-Treiber für Netzwerkadapter unter FreeBSD einzusetzen. Das kann beispielsweise beim Einsatz von aktuellen WLAN-Adaptern nützlich sein, falls keine eigenen FreeBSD-Treiber zur Verfügung stehen.

Zu den weiteren Neuerungen im Kernel zählen neben einer Vielzahl technischer Verbesserungen zu Gunsten der Leistungsfähigkeit auch ein NFS4-Client sowie verbesserte Unterstützung von FAT32-Dateisystemen. Viele Nutzer dürften zudem die Aufnahme des OpenBSD-Paketfilters pf und ALTQ als feste Bestandteile des Systems begrüßen, die eine sehr flexible Steuerung von Paketen im Netzwerk ermöglichen. Für das Basissystem fand eine obligatorische Runderneuerung vieler Systemdienste wie Sendmail, OpenSSH und des DNS-Servers bind statt; der System-Compiler gcc wurde auf 3.4.2 aktualisiert. Wie es schon bei vielen Linux-Distributoren zu beobachten war, ist man auch bei FreeBSD mit diesem Versionswechsel von XFree86 auf das X-Window-System von X.org in der Version 6.7.0 umgestiegen. Eine teilweise sarkastisch belächelte Reform betrifft das Standard-Werkzeug tar, das neugeschrieben wurde, um es unter die BSD-Lizenz stellen zu können.

Aktuelle Versionen weiterer Software wie KDE 3.3.0, Gnome 2.6.2 und Mozilla 1.7.2 befinden sich mit über 200 Paketen neben dem Basissystem auf der CD, die man als ISO-Image von den ftp-Server oder einen seiner Mirror beziehen kann. Bestehende FreeBSD-Systeme können beispielsweise auch aus einem CVS-Repository aktualisiert werden. Eine Anleitung zu den verschiedenen Bezugs- und Installationsmöglichkeiten für FreeBSD finden sich im Online-Handbuch auf der FreeBSD-Site. Für FreeBSD-4.x-Anwender gibt es ein Dokument mit Anweisungen zur Migration auf Version 5.3. Wegen der tiefgreifenden Änderungen seit 5.2.1 und nicht zuletzt wegen der kurz vor dem eigentlichen Release-Termin aufgetretenen Stabilitätsprobleme, die zu einiger Verspätung geführt haben, sollte man anhand dieses Leitfadens im Einzelfall prüfen, ob eine FreeBSD-Installation jetzt schon umgestellt oder noch ein weiteres Release abgewartet werden sollte. Für Neuinstallationen scheint mit der Freigabe von FreeBSD 5.3 eine abwartende Haltung gegenüber der 5.x-Serie von FreeBSD nicht mehr angebracht. (Björn König) / (jk)