Broadcoms VMware-Übernahme: EU-Kommission soll Warnsignale ignoriert haben

Der Cloud-Verband CISPE greift die EU-Kommission vor Gericht scharf an: Bei der Genehmigung der VMware-Akquisition durch Broadcom habe die Aufsicht versagt.

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Schriftzug "vmware by Broadcom" auf einem Smartphone

(Bild: jackpress/Shutterstock.com)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Der Branchenverband Cloud Infrastructure Service Providers in Europe (CISPE) verschärft seine Kritik an der EU-Kommission wegen deren Genehmigung der 59-Milliarden-Euro-Übernahme VMwares durch Broadcom. In einer formellen Antwort an das Gericht der Europäischen Union (EuG) moniert der Verband, die EU-Kommission habe verabsäumt, eindeutige und öffentlich bekannte Risiken der Transaktion zu bewerten. Diese hätten sich auch aus Broadcoms erkennbaren Anreizen zur Monetarisierung der bereits bestehenden Marktdominanz VMWares im Bereich der Server-Virtualisierungssoftware ergeben.

Broadcom hat die Situation für Anbieter und Kunden, die zur Erbringung ihrer Dienste auf die Virtualisierungswerkzeuge Broadcoms beziehungsweise VMwares angewiesen sind, laut einer Wettbewerbsanalyse des CISPE vom Oktober mehrfach verschärft. Angesichts der eskalierenden Situation hat der Verband im Juli beim EuG eine Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss der EU-Kommission zur Genehmigung der Übernahme VMWares durch Broadcom erhoben.

In seiner Stellungnahme an das Gericht (Rechtssache T-503/25) hebt CISPE vor allem Broadcoms öffentlich gemachte Ertragsziele hervor. Der CEO des US-Konzerns hat öffentlich zugesagt, das eigenständige EBITDA VMwares (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) binnen dreier Jahre nach Abschluss des Kaufs von knapp 5 auf 8,5 Milliarden US-Dollar zu steigern. Dies entspreche einem Zuwachs von 60 bis 80 Prozent in einem Markt, der jährlich nur fünf bis acht Prozent wachse.

Nach Ansicht des Verbands ist ein derartiger Sprung realistischerweise nicht durch organisches Wachstum oder Effizienzsteigerungen zu erzielen. Er sei nur durch aggressives Versilbern des gebundenen Kundenstamms von VMware mittels drastischer Preiserhöhungen und erzwungener Produktbündelungen möglich.

Ein weiterer zentraler Kritikpunkt ist die Finanzierungsstruktur: Broadcom hat rund 28,4 Milliarden US-Dollar neue Schulden aufgenommen und zudem etwa acht Milliarden US-Dollar bestehende VMware-Finanzverpflichtungen übernommen. Diese hohen Summen haben CISPE zufolge einen starken finanziellen Anreiz geschaffen, schnellstmöglich Profit aus der installierten Kundenbasis von VMware zu ziehen.

Trotz dieser öffentlichen Äußerungen der Broadcom-Führung und Warnungen von Kunden und Branchenverbänden hat die Kommission den klaren Missbrauchsrisiken nicht Rechnung getragen, schreibt der Verband in seiner Eingabe. Er kritisiert, dass die Behörde weder das Risiko substanzieller Preiserhöhungen und vertraglicher Kundenbindung untersucht noch Schutzmaßnahmen nach EU-Fusionskontrollregeln erlassen habe. Seit der Akquisition hätten sich diese Gefahren in Form stark gestiegener Preise, erzwungener mehrjähriger Abonnements und der Bündelung von VMware-Produkten manifestiert. Dies habe erhebliche Kostenfolgen für europäische Cloud-Anbieter und deren Kunden.

Die Kommission habe den Zusammenschluss "mit halb geschlossenen Augen" geprüft und ihn für unbedenklich erklärt, ärgert sich CISPE-Generalsekretär Francisco Mingorance. Sie habe Broadcom einen Blankoscheck erteilt, um Kunden zu binden und auszuquetschen. Die Kartellaufsicht habe versagt, was der Wirtschaft nun teuer zu stehen komme.

Der Tadel von CISPE richtet sich auch gegen das Zeitproblem bei der Veröffentlichung von Entscheidungen. Der Verband hat daher bei der EU-Bürgerbeauftragten Teresa Anjinho jüngst Beschwerde wegen der langen Dauer bis zur Veröffentlichung des endgültigen Dekrets der Kommission eingelegt. Obwohl diese am 12. Juli 2023 grünes Licht für die Übernahme gab, dauerte es 672 Tage – fast zwei Jahre – bis sie ihre Begründung für die Entscheidung veröffentlichte. In dieser Zeit hat Broadcom nach CISPE-Ansicht "brutal" eine Reihe exponentieller Preiserhöhungen und unfairer Software-Lizenzbedingungen durchgesetzt.

Die monatelange Verzögerung bedeutet laut dem Verband, dass europäische Unternehmen keine Berufung gegen die Genehmigung einlegen konnten. Dies komme einer Verweigerung des Rechtswegs gleich für alle, die unter diesen Taktiken leiden.

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Die Kommission verteidigt die Verzögerung mit der Vertraulichkeit geschäftlich sensibler Daten und der Zeit, die zur Abstimmung der öffentlichen Version der Begründung nötig gewesen sei. Im Gegensatz zu fast allen anderen Phasen eines Fusionsentscheids gibt es für diesen abschließenden Schritt keine strikten Fristen. Dies öffnet der Beschwerde zufolge die Tür für "offensichtliche Ausnutzung des Systems" durch unethische Parteien.

CISPE sieht darin systematisches Versagen, da es in den vergangenen zehn Jahren immer häufiger zu Verzögerungen von zwei Jahren oder mehr bei Fusionsentscheidungen gekommen sei. Er fordert die Kommission auf, strenge Fristen für die Veröffentlichung nicht vertraulicher Versionen von Entscheidungen zu Übernahmen festzulegen. Zwei Monate sollten reichen.

Sollte das EuG die Genehmigung für nichtig erklären, hätte dies erhebliche Konsequenzen für Broadcoms Investition. Die Kommission müsste die Transaktion unter Berücksichtigung der aktuellen Marktbedingungen neu prüfen, was Rechtsunsicherheit für Aktionäre, Gläubiger und Kunden des Unternehmens schaffen würde.

(nie)