Zu Schadenersatz verpflichtet: Teilerfolg fĂĽr Hoteliers gegen Booking.com
Das Landgericht Berlin hat geurteilt: Booking.com haftet prinzipiell für Schäden, die durch unzulässige Preisvorgaben entstanden sind. 1099 Kläger profitieren.
(Bild: Varavin88/Shutterstock.com)
Der langjährige Rechtsstreit über die Geschäftspraktiken der weltweit führenden Buchungsplattform Booking.com hat eine erneute Wende genommen. Die Zivilkammer 61 des Landgerichts Berlin II entschied am Dienstag, dass der Amsterdamer Mutterkonzern und seine deutsche Tochtergesellschaft grundsätzlich zum Schadensersatz gegenüber den Betreibern von Unterkünften verpflichtet sind. Von dem Urteil profitieren insgesamt 1099 Kläger, die sich gegen die sogenannten Bestpreisklauseln des Portals zur Wehr gesetzt hatten (Az.: 61 O 60/24 Kart).
Hintergrund des Verfahrens ist die über Jahre praktizierte Strategie des Portals, Hotels und Pensionen strenge Regeln für ihre eigene Preisgestaltung aufzuerlegen. Bis zum Sommer 2015 nutzte das Unternehmen "weite" Bestpreisklauseln. Diese verlangten von den Unterkünften, auf Booking.com stets den absolut niedrigsten Preis anzubieten – unabhängig vom gewählten Vertriebskanal. Ab Juli 2015 folgten "enge" Auflagen, die es den Hoteliers zumindest untersagten, auf der eigenen Webseite günstigere Preise anzubieten als auf dem Vermittlungsportal. Das Bundeskartellamt hatte diese Praxis bereits Ende 2015 als kartellrechtswidrig untersagt, was der Bundesgerichtshof (BGH) Mitte 2021 letztinstanzlich bestätigte.
Das Berliner Landgericht schloss sich laut einer Mitteilung nun dieser Rechtsauffassung an. Es stellte fest, dass beide Arten der Klauseln den Wettbewerb massiv beschränkten. Die Richter betonen, dass den Hoteliers durch die Preisbindung die Freiheit genommen wurde, ihre Betriebskostenersparnisse im Direktvertrieb an die Kunden weiterzugeben. Da im Eigenvertrieb keine Vermittlungsprovisionen von durchschnittlich 10 bis 15 Prozent anfallen, hätten die Betreiber diesen Spielraum für günstigere Angebote nutzen können. Dies sei ihnen durch das Geschäftsgebaren von Booking.com effektiv untersagt worden. Auch die flexible Vermarktung von Last-Minute-Kapazitäten hätten die Auflagen erheblich erschwert.
Rund 190 Klagen abgewiesen
Juristisch interessant ist die Entscheidung der Kammer zur Zulässigkeit der Feststellungsklage. Eigentlich müssen Kläger ihre Forderungen präzise beziffern, wenn dies möglich ist. Da die Hoteliers jedoch argumentierten, dass die jahrelange Marktmanipulation durch Booking.com zu einer verstärkten Konzentration und der Bildung eines Oligopols geführt habe sowie diese Effekte bis heute nachwirkten, hielten die Richter die Klage für zulässig. Ein abgeschlossener Sachverhalt liege bei der Marktentwicklung noch nicht vor, sodass eine genaue Schadensberechnung zum jetzigen Zeitpunkt nicht verlangt werden könne.
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Dennoch konnten die Kläger nicht in allen Punkten einen Sieg erringen. Das Gericht wies den Antrag ab, die Rückzahlung bereits geleisteter Buchungsprovisionen festzustellen. In diesem Punkt hielten die Richter die Klage für unzulässig, da es sich hierbei um abgeschlossene Vorgänge handele, die die Hoteliers direkt hätten beziffern und einklagen müssen. In 70 Fällen scheiterte die Klage zudem, weil eine ordnungsgemäße Vollmacht gefehlt habe. Bei 118 Klägern konnte die Kammer nicht nachvollziehen, dass sie von dem Kartellverstoß betroffen waren. In einem Fall war die Klage aus anderen Gründen unzulässig.
Der Richterspruch bedeutet noch nicht, dass unmittelbar Geld fließen wird. In dem jetzigen Verfahren ging es lediglich um die grundsätzliche Feststellung der Haftung. Die konkrete Höhe des Schadens und die Frage, ob die Klauseln im Einzelfall tatsächlich ursächlich für finanzielle Einbußen waren, müssen in künftigen Verfahren geklärt werden.
Berufung ist möglich – geteilte Reaktionen
Das Urteil ist auch noch nicht rechtskräftig. Es ist damit zu rechnen, dass der Rechtsstreit in die nächste Instanz geht. Booking.com hat nun einen Monat Zeit, Berufung beim Berliner Kammergericht einzulegen. Angesichts der hohen Streitwerte und der grundsätzlichen Bedeutung für die gesamte Reisebranche gilt das Einlegen von Rechtsmitteln als wahrscheinlich.
Booking.com hob in einer ersten Reaktion hervor, dass das Urteil noch "keinerlei Feststellungen" über potenzielle Schäden durch die früheren Klauseln getroffen habe. Das könne nur in komplexen, technischen Prozessen nach fachkundiger Analyse erfolgen. Der Hotelverband Deutschland (IHA) sprach dagegen von einem wegweisenden Beschluss des Landgerichts. Dieser verleihe auch einer parallelen Sammelklage, die mehr als 15.000 europäische Hotels vor wenigen Monaten beim Bezirksgericht Amsterdam erhoben haben, zusätzlichen Rückenwind.
(mho)