Urkundenbetrug per E-Mail: Warum das Foto einer Fälschung keine Fälschung ist

Das Bayerische Oberste Landesgerichts entscheidet: Wer Dokumente digital manipuliert, kommt unter Umständen straffrei davon. Das sagt viel zu Mails an Behörden.

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(Bild: khunkornStudio / Shutterstock.com)

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In einer Zeit, in der das papierlose Büro und die digitale Kommunikation mit Behörden zum Standard werden sollen, wirkt das klassische Urkundenrecht oft wie ein Relikt aus der Ära der Wachssiegel. Doch die Frage, was im digitalen Raum als Beweis gilt und was sanktioniert wird, ist hochaktuell. Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) musste sich kürzlich mit einem Fall befassen, der die Grenzen zwischen einer strafbaren Fälschung und einer rechtlich irrelevanten Spielerei mit Bilddateien neu vermisst. Die jetzt vorliegende Entscheidung vom 14. November sorgt für Klarheit in einem Bereich, der durch die zunehmende Akzeptanz von E-Mails als offiziellem Kommunikationsmittel massiv an Bedeutung gewinnt (Az.: 206 StRR 368/25).

Der Ausgangspunkt des Verfahrens liest sich wie eine alltägliche Computer-Bastelei mit fatalen Folgen. Eine Frau hatte ein echtes Schreiben einer Anwaltskanzlei an ihrem Rechner modifiziert, den Text bearbeitet und das Ergebnis ausgedruckt. Dieses manipulierte Dokument fotografierte sie ab und versandte die Bilddatei schließlich via WhatsApp und E-Mail an einen Dritten.

Das Dokument wies dabei eine entscheidende Lücke auf, denn es fehlte jegliche Unterschrift oder eine berufsübliche Grußformel. Lediglich der Briefkopf und der veränderte Textkörper waren zu sehen. Während die Vorinstanzen darin noch eine klassische Urkundenfälschung sahen, sprachen die Richter am BayObLG die Angeklagte frei.

Die Begründung führt tief in die Dogmatik des deutschen Strafrechts. Eine Urkunde im klassischen Sinne erfordert eine verkörperte Gedankenerklärung, die einen Aussteller erkennen lässt und geeignet ist, im Rechtsverkehr einen Beweis zu erbringen. Bei einem anwaltlichen Schreiben gehört die Unterschrift zwingend zum Standardrepertoire der Authentizität.

Fehlen diese Merkmale, handelt es sich aus rechtlicher Sicht lediglich um einen unverbindlichen Entwurf ohne Beweischarakter. Das Gericht stellte klar, dass eine Fotokopie oder ein Scan, der nach außen hin erkennbar als bloße Reproduktion auftritt, keine Urkunde im Sinne des Gesetzes ist.

Selbst wenn durch Computerbearbeitung der Anschein eines echten Dokuments erweckt wird, müssen die typischen Merkmale des Originals vorhanden sein, um eine ernsthafte Verwechslungsgefahr zu begründen. Ebenso wenig sah das BayObLG den Tatbestand der Fälschung beweiserheblicher Daten gemäß Paragraf 269 Strafgesetzbuch (StGB) erfüllt.

Diese Klausel wurde einst geschaffen, um Manipulationen an nicht physisch verkörperten Datenbeständen wie elektronischen Registern zu ahnden. Die Münchner Richter unterstrichen aber, dass eine Bilddatei, die erkennbar nur das Foto eines Schriftstücks darstellt, lediglich als sekundärer Beleg fungiert. Sie behaupte nicht, selbst die originale Erklärung zu sein, sondern verweis nur auf eine – hier manipulierte – Papierquelle. Damit fehle ihr die Qualität eines originären Erklärungsträgers, die für eine Verurteilung nach dem „Digital-Paragrafen“ zwingend erforderlich wäre.

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Diese juristische Differenzierung hat laut dem IT-Rechtler Jens Ferner enorme praktische Auswirkungen, da sie ein Signal gegen eine pauschale Kriminalisierung digitaler Kopien setze. Nutzer bewegten sich im straffreien Raum, solange Anhänge eindeutig als Reproduktionen erkennbar blieben und nicht den Anschein eines „digitalen Originals“ erweckten. Leichtsinn sei aber nicht angebracht. Wer gefälschte Scans einreiche, um sich Vorteile zu erschleichen, könne weiterhin wegen Betrugs belangt werden. Voraussetzung: Ein Vermögensschaden ist nachweisbar. Im vorliegenden Fall war das wegen fehlenden Vorsatzes und Schadens nicht gegeben.

(wpl)