Unterhaltungsindustrie gewinnt vor dem obersten US-Gericht

Anbieter von Tauschbörsen-Software können nach Meinung des Supreme Court für illegale Handlungen mit ihren Produkten verantwortlich gemacht werden.

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In dem Verfahren von 28 Film- und Musikkonzernen gegen Grokster und Streamcast Networks (Morpheus) hat der oberste Gerichtshof der USA ein Urteil der Vorinstanz aufgehoben, nach dem die beiden nicht angeklagt werden könnten. Es gebe genügend Hinweise darauf, dass die Filesharing-Software der Beklagten für illegale Zwecke gedacht gewesen sei beziehungsweise dafür, dass die Nutzer zu illegalen Handlungen angestiftet werden sollten. Grokster und Streamcast hätten es beispielsweise in ihrer Werbung darauf abgesehen, Nutzer der ehemaligen Tauschbörse Napster für ihre Dienste zu gewinnen, als diese unter juristischem Druck stand. Auch hätten sich die Beklagten dagegen gesträubt, Filter oder andere Software zu nutzen, um illegale Aktivitäten zu blockieren.

Hersteller von Geräten oder Software, die mit der Möglichkeit zur Copyright-Verletzung promotet würden, könnten auch für die Rechtsverletzungen Dritter, die die Geräte oder die Software nutzten, verantwortlich gemacht werden. Demnach könnten Grokster und StreamCast Networks verklagt werden, wenn die Software von Nutzern für das unerlaubte Tauschen von Musikstücken und Filmen genutzt wird. Filesharing-Dienste sollen keinen Blanco-Scheck für unrechtmäßiges Verhalten bekommen.

Im oft als Vergleich und vor allem von den Beklagten herangezogenen Betamax-Urteil von 1984 hatte der Supreme Court noch entschieden, dass die "signifikanten" rechtmäßigen Nutzungsmöglichkeiten der Geräte wie das Aufzeichnen von TV-Sendungen das von Hollywood geforderte Verbot der Technik nicht rechtfertige. Nun meint das Gericht, wenn ein Unternehmen ein Produkt zum unerlaubten Kopieren von Copyright-geschütztem Material anbietet, dann habe es auch für Rechtsverstöße Dritter geradezustehen.

Die Hersteller der Tauschbörsen-Software haben sich in der Vergangenheit erfolgreich damit verteidigt, dass sie für den Missbrauch ihrer Produkte durch Verbraucher nicht verantwortlich sind. Unterstützung erhielten Grokster und Streamcast nicht nur vom Medienmogul Mark Cuban und von einzelnen Musikern, sondern unter anderem von IT-Verbänden: Der Schutz geistigen Eigentums dürfe nicht auf Kosten technischer Innovationen durchgesetzt werden. Das Betamax-Urteil habe es möglich gemacht, dass sich eine angeblich zerstörerische Technik in Videorecordern, CD-Playern, Apples iPod bis hin zum Computer als solchem entfalten konnte.

Der Fall erregte aber nicht nur das Interesse der User, sondern rief auf beiden Seiten Verbündete auf den Plan; auch unter Musikern ist die Haltung nicht einheitlich. So schlugen sich die Christian Coalition of America, aber auch das Hip-Hop Summit Action Network auf die Seite der Medienbranche. Künstler Tom Jones und Avril Lavigne oder die der Songwriters Guild of America unterstützen die Musik- und Filmverbände ebenfalls in ihrem Vorgehen gegen die beiden Hersteller von Tauschbörsensoftware. Die Medienbranche sieht das Betamax-Urteil falsch interpretiert: Wenn ein Produkt oder ein Service hauptsächlich für illegale Zwecke genutzt werde, müsse ein Provider oder Anbieter zur Rechenschaft gezogen werden. Ähnlich wie im Fall von Napster lautet der Vorwurf gegenüber Grokster und Streamcast gar, sie hätten die Software explizit dafür entwickelt, damit Anwender Urheberrechtsverletzungen begehen könnten.

Mit der am heutigen Montag veröffentlichten Entscheidung hat der Supreme Court nun nicht entschieden, dass Tauschbörsensoftware grundsätzlich illegal sei. Vielmehr schloss er sich insoweit der Argumentation der Unterhaltungsindustrie an, dass er bei Grokster und Streamcast Anzeichen dafür sah, die Software sei explizit mit der Möglichkeit zur Verletzung des Urheberrechts beworben worden. Und wenn dies so sei, dann könnten die Hersteller auch für die Rechtsverletzungen durch Dritte zur Verantwortung gezogen werden. Dies zu überprüfen obliegt nun der Vorinstanz, an die das Verfahren zurückgegeben wurde. Die Ablehnung, ein Verfahren überhaupt nur einzuleiten, sei falsch gewesen, entschied das oberste US-Bundesgericht. Vor Gericht ist nun der Beweis zu führen oder sind die Vorwürfe zu entkräften, Grokster und Streamcast hätten ihre Software gezielt zur Verletzung des Copyrights entwickelt.

Siehe auch: (anw)