Kompromissvorschlag zur Herausgabe von Nutzerdaten bei Urheberrechtsdelikten

Ein mehrstufiges und gerichtlich abgesichertes Verfahren nach US-Muster soll bei Verstößen gegen das Urheberrecht im Internet zivilrechtliche Auskunftsansprüche gegen Provider salonfähig machen.

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Ein mehrstufiges und gerichtlich abgesichertes Verfahren nach US-Muster soll zivilrechtliche Auskunftsansprüche von Rechteinhabern gegen Provider salonfähig machen. Ein entsprechender Vorschlag des Branchenverbands Bitkom findet verstärkt Beachtung. Bisher waren die Fronten in dieser umstrittenen Frage der besseren Bekämpfung von Urheberrechtsdelikten verhärtet: Vor allem die Musikindustrie forderte gleichsam einen unbeschränkten Zugriff auf die mit IP-Adressen verknüpften Nutzerinformationen, während die Providerseite mit der Unterstützung von Datenschützern die massiven Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis entschieden ablehnte.

In die hitzige Debatte sorgte eine Meldung für Verwirrung, der zufolge der Streit um die Enthüllung der Nutzeridentitäten zu den weit gehend zu den Akten gelegt werden könne. "Zwischen Vertretern der Rechteinhaber, Internet-Providern, Datenschützern und des Bundesjustizministeriums besteht Einigkeit über die Einführung eines zivilrechtlichen Auskunftsanspruches gegen Internet-Provider", hatte Pietro Graf Fringuelli von der Kanzlei Norton Rose Vieregge als Ergebnis eines Münchner Fachgesprächs festgehalten. Diskussionsbedarf würde "lediglich hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung" noch bestehen.

Die Realität stellt sich jedoch wie immer differenzierter als in PR-Mitteilungen dar. So weiß man beispielsweise weder beim Verband der deutschen Internetwirtschaft eco noch bei großen Providern etwas von der neuen Eintracht. "Die Provider wollen keine Hilfssheriffs der Content-Industrie werden", lehnt eco-Justiziarin Hannah Seiffert das Begehr der Phonoverbände weiter ab. Das Missbrauchspotenzial zivilrechtlicher Auskunftsansprüche sei immens; sie könnten beispielsweise zur Ausforschung von Providerkunden zweckentfremdet werden. Zudem sei die umstrittene Maßnahme "kein Problem des Urheberrechts allein". Vielmehr müssten zahlreiche Gesetze geändert werden, etwa das Zivilprozessrecht. Seiffert: "Das ist ein Fass ohne Boden."

Ähnlich mag auch T-Online laut einem Sprecher von Auskunftsansprüchen "grundsätzlich" nichts wissen, solange "der Datenschutz unserer Kunden nicht gewährleistet bleibt". Die Mehrheit der Nutzer des Providers würde nicht auf illegale Angebote zurückgreifen. Und die "müssen sich bei uns weiter sicher fühlen". Man werde daher nie Auskünfte "an Private" geben oder aktiv Rechtsbrecher aufspüren. Vielmehr dürfe eine Herausgabe von Nutzerdaten allein von einer richterlichen Anordnung abhängen. Till Kreutzer vom i.e. Büro für informationsrechtliche Expertise warnt zudem: "Sobald erkennbar wird, dass die Provider die Adressen ihrer Kunden herausgeben, ist der Imageschaden unabsehbar."

Nicht abgeneigt zeigen sich die Provider allerdings gegenüber dem Bitkom-Modell. Der Verband sieht einen Kompromiss bei einem Ansatz möglich, der ein Zivilverfahren des Rechteinhabers direkt gegen den Rechtsverletzer auf Schadensersatz vorsieht. Die Zugangsanbieter sollen dabei nie direkte Partei des Verfahrens werden. Konkret stellt sich der Bitkom ein vierstufiges Prozedere vor. Die Bestimmung des verdächtigen Urheberrechtsverletzers soll zunächst bei Einreichung der Klage durch seine Umschreibung als Inhaber eines Netzanschlusse durch die Angabe von IP-Nummer, Zugangszeitpunkt und Provider erfolgen. In einer Art Vorverfahren zum eigentlichen Schadensersatzklageverfahren würden so zunächst der Name und die ladungsfähige Anschrift des Beklagten festgestellt.

Möglichst gleichzeitig müsste der Zugangsanbieter dann durch richterliche Anordnung aufgefordert werden, die in Rede stehenden Nutzerdaten zu sichern und nicht entsprechend seiner datenschutzrechtlichen Pflichten zu löschen. Dafür müsste eine zusätzliche gesetzliche Regelung geschaffen werden. Nach der gerichtlichen Entscheidung, dass die Auskunftserteilung gerechtfertigt ist und der begründete Verdacht einer Rechtsverletzung durch diesen Anschlussinhaber vorliegt, würde der Provider dem Gericht Auskunft über Name und Anschrift des Anschlussinhabers geben.

"Dabei sollte auch über eine Entschädigung des Access-Providers für den entstandenen Aufwand nachgedacht werden", betont der Verband. Dem Vorverfahren könne sich dann das Hauptverfahren anschließen. Pate stand bei dem Modell die im US-amerikanischen Urheberrecht vorgesehene Klage unter Angabe einer IP-Adresse, die etwa die Musikindustrie in ihren "John-Doe-Verfahren" gegen zunächst unbekannte Nutzer anwendet. Auf Probleme wie die Tatsache, dass eine IP-Adresse -- gerade bei dynamischer Nummernvergabe -- nicht unmittelbar einem Surfer zugeordnet werden kann, geht der Bitkom nur kurz ein.

Die Auskunftsansprüche dürften auch bei einem Symposium zum so genannten 2. Korb der Urheberrechtsnovelle zur Sprache kommen, zu dem das Justizministerium gemeinsam mit dem Institut für Urheber- und Medienrecht am Dienstag nach München lädt. Bislang hält Justizministerin Brigitte Zypries an der Ansage fest, dass die Wünsche der Musikindustrie in der laufenden Reform nicht berücksichtigt werden sollen. Vertreter ihres Hauses haben in jüngster Zeit aber darauf hingewiesen, dass mit der Umsetzung der umstrittenen EU-Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte an geistigem Eigentum irgendeine Form des Auskunftsanspruchs auch hierzulande bis Frühjahr 2006 eingeführt werden müsse. Die Direktive sieht vor, dass die Informationsbegehren der Rechteinhaber im Rahmen eines bereits anhängigen Klageverfahrens gegen einen namentlich bekannten und "gewerblich" vorgehenden Rechtsverletzer geltend gemacht werden können.

Zu dem Entwurf des Bundesjustizministeriums für die weitere Novellierung des Urheberrechts siehe auch:

Zur Auseinandersetzung um das Urheberrecht siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)