EU gewährt USA Einblick in Daten der Staatsanwaltschaft

US-Sicherheitsbehörden dürfen nach einem Beschluss des EU-Ministerrates künftig eng mit der Strafverfolgungsbehörde Eurojust kooperieren. Datenschützer zeigen sich besorgt über den zunehmenden Datenabfluss.

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US-Sicherheitsbehörden dürfen nach einem Beschluss des EU-Ministerrates künftig eng mit der Strafverfolgungsbehörde Eurojust kooperieren. Das Gremium der Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten billigte nach eigenen Angaben vom gestrigen Dienstag ein entsprechendes Abkommen. Es soll Fahndern aus den USA Einblick in die Akten der europäischen Staatsanwaltschaft geben. US-Beamten dürfen demnach an gemeinsamen Arbeitstreffen teilnehmen, wobei sie Einblicke in die Eurojust-Daten erhalten sollen. Laut dem Rat ist die Vereinbarung besonders wichtig "für die Untersuchung von Fällen, die mit Terrorismus zu tun haben". Bei Eurojust in Den Haag sind Fahnder und Staatsanwälte aus allen 25 EU-Staaten vertreten. Sie sollen die Kooperation nationaler Strafverfolgern bei grenzüberschreitenden Ermittlungsfällen verbessern.

Mit dem Argument der effektiveren Terrorismusbekämpfung rechtfertigen Brüssel beziehungsweise Washington immer tiefere Einschnitte in die Privatsphäre der EU-Bürger und den zunehmenden Abfluss persönlicher Informationen in die USA. So einigten sich beide Seiten Anfang Oktober auf ein Zwischenabkommen über die Weitergabe von Flugpassagierdaten (Passenger Name Records, PNR) an eine erweiterte Zahl von US-Sicherheitsbehörden. Terrorfahnder aus den USA dürfen die Datenbestände europäischer Fluggesellschaften mindestens 72 Stunden vor dem Start einer Maschine ohne konkreten Tatverdacht einsehen.

Der in Belgien beheimatete Finanzdienstleister SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunications) leitet zudem Daten zu internationalen Überweisungen an US-Behörden weiter, was ihm gerade hierzulande einen Big Brother Award eingebracht hat. Mit dem Segen der EU-Kommission sollen die Mitgliedstaaten außerdem die künftig mindestens sechs Monate lang zu speichernden Verbindungs- und Standortdaten aus dem Telekommunikationsbereich an US-Behörden transferieren dürfen.

Im Rahmen einer Konferenz (PDF-Datei) über den "internationalen Transfer von persönlichen Daten" machten sich Datenschützer Anfang der Woche große Sorgen über den verstärkten Zugriff öffentlicher Stellen einschließlich von Sicherheitsbehörden auf die wachsenden Datenbestände, die von Firmen für eigene Geschäftszwecke gespeichert werden. Mit Blick auf das PNR-Abkommen und die SWIFT-Affäre wiesen sie auf die Notwendigkeit hin, ein angemessenes Datenschutzniveau zu gewährleisten.

Peter Schaar, Vorsitzender der so genannten Artikel-29-Gruppe der europäischen Datenschutzbeauftragten und Bundesdatenschutzbeauftragter, sprach nach der auch vom US-Heimatschutzministerium mitorganisierten Tagung von dem "gemeinsames Ziel, die in immer größerem Umfang zwischen Europa und den USA ausgetauschten personenbezogenen Daten effektiv zu schützen und damit die demokratische Gestaltung der globalen Informationsgesellschaft sicherzustellen". Gleichzeitig machte er deutlich, dass auch in Europa die Regelungen für den Datenzugriff der Sicherheitsbehörden dringend verbesserungsbedürftig seien: "Es ist wichtig, dass wir so schnell wie möglich zu einem tragfähigen Rahmenbeschluss für den Datenschutz bei der Zusammenarbeit der Polizei- und Justizbehörden kommen." Darin sieht Schaar "eine wichtige Herausforderung für die im Januar beginnende deutsche Ratspräsidentschaft", während sich die USA querstellen.

Der EU-Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx warnte unterdessen in einem Gespräch mit dpa vor dem Entstehen einer "Überwachungsgesellschaft", wenn Europa den Datenwünschen der USA weiter nachgebe. Das verlängerte Abkommen zu den Passagierdaten sei "ein rutschiger Abhang, der viele Zweideutigkeiten enthält und Raum für Interpretationen lässt". Auch den Pakt zwischen SWIFT und den US-Behörden kritisierte Hustinx scharf. Er warf die Frage auf: "Jede Überweisung überwacht –­ ist das die Gesellschaft, in der wir leben wollen?". Letztlich "werden wir uns nicht sicherer fühlen, wenn wir ständig kontrolliert werden". (Stefan Krempl) / (jk)