Große Koalition hält RFID-Regulierung derzeit für unnötig

Die Union und die SPD stimmten der vertieften Beratung eines Antrags der FDP für klare Normen zum Einsatz von Funkchips im Bundestag zwar zu, sieht den Gesetzgeber aber noch nicht zum Handeln verpflichtet.

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Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD im Bundestag wollen Ängste von Verbrauchern vor RFID ernst nehmen, halten das Einschreiten des Gesetzgebers aber derzeit nicht für erforderlich. "Wir werden uns an keiner Panikmache beteiligen, die die Befürchtungen von Bürgern vor Überwachung oder gar Datenspionage unter dem Deckmantel des Fortschritts schürt", erklärte die CDU-Innenpolitikerin Beatrix Phillip bei der Beratung eines Antrags (PDF-Datei) der FDP-Fraktion zur Datenschutzsicherung bei der Warenetikettierung mit Funkchips. Das Parlament hatte den Vorschlag der Liberalen, noch bis Ende des Jahres der Wirtschaft Spielraum für eine klare Selbstverpflichtung zur Sicherung der Privatsphäre beim RFID-Einsatz zu geben, in der Nacht vom Donnerstag zum Freitag auf der Agenda. Angesichts der vorgerückten Stunde gaben die Redner ihre Beiträge zu Protokoll (ZIP-Datei).

Die smarten Labels unterscheiden sich nach Ansicht Phillips trotz der Verheißungen eines "Internet der Dinge" mit Datenbankeinträgen für sämtliche mit RFID eindeutig gekennzeichneten Produkte von dem bisherigen Barcode oder Strichcode auf jeder Verpackung "lediglich dadurch, dass der Zahlencode auf dem Chip durch Radiowellen vom Lesegerät abgerufen wird." Nach dem derzeitigen Entwicklungsstand seien die Anwendungen der RFID-Technologie in Deutschland durch das Bundesdatenschutzgesetz hinreichend abgedeckt, betonte die CDU-Politikerin. Der Einsatz von RFID-Chips in Verbindung mit EC- oder Kundenkarten nebst der damit einhergehenden persönlichen Identifizierbarkeit des Verbrauchers sei datenschutzrechtlich nur dann bedenklich, "wenn die im Bundesdatenschutzgesetz vorgeschriebenen Informations- und Hinweispflichten sowie der Grundsatz der Zweckbindung nicht erfüllt sind."

Theoretisch sei es möglich, räumte Phillip ein, "dass durch den RFID-Code, zum Beispiel an Kleidungsstücken, Bewegungsprofile von Objekten erstellt werden." Da die Chips selbst derzeit aber keine personenbezogenen Daten enthalten würden, greife hier das Datenschutzrecht generell nicht. Generell sehe ihre Fraktion momentan keinen Handlungsbedarf, da auch die Vorschläge zur RFID-Regulierung der EU abgewartet werden sollten. Da es aber schon "so viele Aktivitäten auf diesem Gebiet gibt", komme es auf die letztlich beschlossene Überweisung des Antrags in Fachausschüsse zur vertieften Diskussion "nicht mehr an".

Michael Bürsch von der SPD wollte potenzielle Risiken für die informationelle Selbstbestimmung durch die Funkchips ebenfalls nicht von der Hand weisen. "Aber deshalb sollten wir nicht in übertriebenen Aktivismus verfallen und bei dem Auftauchen einer neuen Technologie sofort nach Selbstverpflichtungserklärungen oder neuen Gesetzen rufen", demonstrierte er Einigkeit mit dem Koalitionspartner. Es sei aber "selbstverständlich, dass wir die Entwicklung der RFID-Technologie und ihre Verwendung weiter genau beobachten und die geltenden Gesetze laufend dahin gehend überprüfen, ob sich Schutzlücken ergeben oder nicht."

Die FDP-Innenexpertin Gisela Piltz schilderte ein Szenario, in dem ein bereits älterer Mantel beim Besuch eines Kaufhauses seinen Jahrgang preisgibt und der Kunde daraufhin nach dem heimlichen Auslesen seiner persönlichen Daten aus dem bald RFID-bestückten Personalausweis ungefragt Post über aktuelle Angebote an neuen Bekleidungsgegenständen für die kühleren Jahreszeiten erhält. Bei den bisherigen Versuchen der Bundesregierung, der Wirtschaft eine aussagekräftige Selbstverpflichtungserklärung "abzuringen", sei nur "Wischi-Waschi" herausgekommen. Notfalls müsse der Staat daher alsbald selbst für die nötigen Regeln sorgen, sollte die Funktechnik nicht mit dem Image von "Schnüffelchips" gebrandmarkt werden. Schon heute erzeuge die "Unkontrollierbarkeit, das Gefühl, nicht feststellen zu können, ob gerade Daten abgerufen werden, bei den Menschen Misstrauen." Dies sei eine schwere Bürde für die Vermarktung der RFID-Technik.

Nach dem "Sündenfall" der Metro mit ihrer heimlichen Verknüpfung von RFID und Kundenkarten sieht Jan Korte von der Fraktion der Linken dagegen das Vertrauen in die Selbstregulierungskräfte der Wirtschaft bereits verspielt. "Ich bin daher der Auffassung, dass wir gleich zu Punkt zwei Ihres Antrages springen und eine gesetzliche Regelung durchsetzen sollten", so der Linkspolitiker. Auch für Silke Stokar von den Grünen enthält der Antrag zwar einige richtige Fragestellungen, kommt aber zu früh und greift in der Lösung zu kurz. "Wir erwarten eine verbindliche Selbstverpflichtung aller Marktanbieter. Gleichzeitig bin ich der Auffassung, wir werden darüber hinaus Details auch rechtlich regeln müssen", befand die Innenpolitikerin. Gefragt sei "ein Bündel von Maßnahmen, national, europäisch und international, um Daten- und Verbraucherschutz zu gewährleisten." Stokar plädierte für eine Expertenanhörung, um zu erörtern, "mit welchen Instrumenten wir unsere Ziele am ehesten erreichen". (Stefan Krempl) / (pmz)