Unterschiedliche Open-Source-Strategien in Ă–sterreich
Bund und Länder verfolgen in Österreich beim Einsatz von Open Source verschiedene Strategien.
Der Bund und die Länder verfolgen in Österreich unterschiedliche Strategien bezüglich des Einsatzes von Open Source Software (OSS) in der Verwaltung. Dies wurde gestern, Mittwoch, im Rahmen der Fachtagung "Open Source Software in der öffentlichen Verwaltung" des österreichischen Städtebundes in Wien deutlich. Auf Bundesebene wird OSS für Server, ausfallkritische Anwendungen und im E-Government-Bereich eingesetzt, die Clients werden jedoch auf absehbare Zeit weiter mit Closed Source Programmen unter Microsoft-Betriebssystemen laufen. In Wien wird indes ab dem zweiten Quartal 2005 jeder zweite Mitarbeiter der Wiener Stadtverwaltung die Chance erhalten, auf Open Source umzusteigen.
"Im Bereich der Clients erwarten wir keinen (Open-Source-Boom) in den nächsten drei bis fünf Jahren. Im Bereich der Landesverteidigung haben wir gerade ein Upgrade von NT4 auf Windows XP hinter uns", berichtete Reinhard Posch, CIO des Bundes, "Ganz anders sieht es im Bereich der Server und bei kritischen Anwendungen aus." Im Bund gäbe es einen generellen Beschluss "Linux für höhere Ausfallsklassen". Ausfallsicherheit dürfe jedoch nicht mit Datensicherheit im Sinne von Tempest und Verschlüsselung verwechselt werden: "Wir müssen in diesem Zusammenhang wohl zur Kenntnis nehmen, dass das Sicherheitsargument für Open Source nicht nachvollziehbar ist. Es sollte ein neutrales Argument sein." Denn, so Posch, die freie Veränderbarkeit von Code könne auch zu Unsicherheit führen. Allerdings könne durch Komplexitätsreduktion ein Sicherheitsgewinn erzielt werden. Gegen den Einsatz von Linux und Open Source Programmen wie Open Office sprechen aus Sicht des Bundesbeamten mehrere Gründe: "Die Einschulung muss minimal sein. Wir haben die Situation, dass bei den Anwendern meist ein Basiswissen über Microsoft-Produkte vorhanden ist." Nicht zuletzt seien die "Schulen extrem Microsoft-orientiert in ihrer Produktwahl", aber auch viele Spielehersteller und Internetprovider würden ihre Kunden oft zu speziellen Systemen "zwingen".
Nicht gelöst seien auch Probleme der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Systemen wie etwa der Synchronisation zwischen Open Source Programmen und (proprietären) Handy- oder PDA-Systemen oder der generellen Verfügbarkeit von Treibern für neue Hardware. Und: "Es gibt zurzeit noch keine Anbieter der sicheren Signatur auf Linux-Ebene. Wir sind im Bereich des Bundes bestrebt, dies zu ändern." Ab Februar solle die sichere Signatur auch unter MacOS und Linux nutzbar sein. Bis dahin müsse man auf Work-Arounds wie die Handy-Signatur zurückgreifen. Überhaupt würde der Bund dem gesamten Verwaltungsbereich Open Source Software für den Einsatz im e-Government-Bereich zur Verfügung stellen. Dadurch sollen alle Behörden zu einem koordinierten Vorgehen motiviert und erhöhte Kompatibilität bei gleichzeitig rascherer Umsetzung ermöglicht werden.
In Wien hingegen können bereits jetzt alle Mitarbeiter der Stadtverwaltung (die zugleich Landesverwaltung ist) vom zentralen Softwareverteiler Open Office abrufen und installieren. Um auch die Privatnutzung zu fördern, wird die Ausgabe einer entsprechende CD-ROM vorbereitet. Laut einer ausgiebigen Untersuchung der magistratsinternen Softwarevielfalt können etwa 7.500 von rund 16.000 PC-Arbeitsplätzen auf die freie Office-Suite umsteigen, 4.800 davon könnten sogar statt Windows ein Debian-Linux einsetzen. Ab dem zweiten Quartal können diese Mitarbeiter freiwillig umsteigen. "Für ein straffes Migrationsprojekt hätten wir zehn Millionen Euro gebraucht. Dabei haben wir gar keinen Migrationsdruck, da wir flächendeckend Windows 2000 und Office 2000 einsetzen und bis 2010 Support bekommen", begründete Brigitte Lutz vom Magistrat der Stadt Wien die "sanfte Produkteinführung", "Außerdem haben wir keine einzige Dienststelle gefunden, die komplett migrierbar ist. Es gibt zu viele Spezialanwendungen." Von 800 untersuchten Programmen seien gut zehn Prozent plattformunabhängig, für weitere knapp zwanzig Prozent gäbe es freie Alternativen, so Lutz, die durch die schrittweise Einführung von OSS Einsparungen von einigen Millionen Euro erwartet. Um das Sparpotenzial zu optimieren, werden Städte im In- und Ausland gesucht, die Interesse an einer OSS-Kooperation mit Wien haben.
Für die Stadt Salzburg referierte Roman Breitfuss über die erfolgreiche Ersetzung eines BS2000-Hosts durch einen SuSE Linux 8 Enterprise Server. Da Siemens die Wartungsverträge gekündigt hatte, konnte die S110-F-Anlage unter BS2000/OSD V3 nicht mehr weiter gefahren werden. Am 7. März habe das auf einem Compaq Prolient Computer laufende Linux-System schließlich mit der gleichzeitigen Abwicklung dreier Wahlgänge -- Bürgermeister, Gemeinderat und Landtag - seine Feuertaufe bestanden. Anders die Lage im Bundesland Oberösterreich. Beim dortigen Amt der Landesregierung erhofft sich Ludwig Aichberger Einsparungen, indem er die derzeitige Vielfalt aus verschiedenen File-, Print-, SQL-, Citrix- und Exchange-Servern auf einen Windows Server 2003 zusammenführt: Novell wird durch Microsoft abgelöst. Auch die Workstations werden allesamt auf Windows XP Professional umgestellt, was für die nächsten drei bis fünf Jahre reichen soll. Der Abschluss eines Enterprise Agreements mit Microsoft sei vorerst aber nicht beabsichtigt, so Aichberger. (Daniel AJ Sokolov) / (tol)