EU-Kommissarin fordert "neuen Ansatz fürs Copyright"

Neelie Kroes, Brüssels Beauftragte für die Digitale Agenda, will sicherstellen, dass das Urheberrecht nicht zum Hindernis im vernetzten Raum wird. Sie hat einen Gesetzentwurf für "verwaiste Werke" angekündigt.

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Neelie Kroes, EU-Kommissarin für die Digitale Agenda, will sicherstellen, dass das Urheberrecht nicht zum Hindernis in der vernetzten Welt wird. "Copyright ist kein Zweck an sich", betonte die Niederländerin Ende vergangener Woche in einer Rede auf einem Kultur- und Medienforum in Avignon. Es gehe vielmehr darum, Künstlern weiterhin Schaffensmöglichkeiten zu erhalten. Immer öfter werde das Urheberrecht aber nicht respektiert. In einigen Bereichen sei die "Piraterienachfrage" so hoch, "dass wir uns fragen müssen, was wir falsch machen".

Als Beispiel nannte Kroes die Digitalisierung von Werken wie zum Beispiel für die Europeana, die als Online-Portal für Bibliotheken, Museen und Archive gelten soll. Sie warf die Frage auf, ob diese "12 Millionen Bücher, Bilder, Karten, Musikstücke und Videos umfassende Sammlung von einem Stillstand bedroht ist, weil das Copyright ihr Steine in den Weg legt". Es gebe Probleme bei der Erschließung "verwaister Werke", für die kein Urheber mehr auszumachen sei, sowie für vergriffene Bücher. Die Europeana könnte zu einem Nischendasein verdammt sein, wenn ihr keine Lizenzen für den vollen Katalog europäischer Einrichtungen erteilt werden könnten. Es sei auch frustrierend, wenn für die Vermarktung keine Partnerschaften mit Unternehmen eingegangen werden könnten.

"Unser heutiges fragmentiertes Copyright-System ist schlecht ausgerichtet auf das Wesen der Kunst, die keine Grenzen kennt", so Kroes. Es begünstige, dass die Rechteinhaber und Vermittler eine wichtigere Rolle spielten als die Künstler. "Das irritiert die Öffentlichkeit, die oft nicht auf das zugreifen kann, was ihr die Kreativen anbieten möchten." Zugleich entstehe ein "Vakuum, das durch illegale Inhalte gefüllt wird". So würden die Werkschaffenden ihrer wohlverdienten Vergütung beraubt. Gleichzeitig sei die Copyright-Durchsetzung häufig eingebettet in "sensible Fragen über die Privatsphäre, Datenschutz oder sogar die Netzneutralität".

In diesem Zusammenhang komme es einigen möglicherweise gelegen, eine Debatte zu vermeiden oder "sie in moralistische Begriffe zu verpacken, die Millionen Bürger nur dämonisiert", erklärte Kroes. Der Ansatz könne aber nicht aufrechterhalten werden. Eine Copyright-Reform müsse diskutiert werden, um den digitalen Binnenmarkt in Europa zu befördern. Es müsse über Eigeninteressen von Nationen sowie Unternehmen hinausgeblickt und einen "neuen Ansatz fürs Urheberrecht" etabliert werden.

Kroes kündigte Gesetzesentwürfe für "verwaiste Werke" zur Erhöhung der Transparenz von Verwertungsgesellschaften an. "Wir werden erneut die unterschiedlichen nationalen Vergütungssysteme für Privatkopien untersuchen", sagte sie weiter. Die EU-Kommission werde verfolgen, ob multi-territoriale beziehungsweise gesamteuropäische Lizenzen geschaffen werden. Es sollen zusätzliche Ideen gesammelt werden, "bis das System richtig funktioniert". Zuvor hatte bereits der britische Premierminister David Cameron von den Konservativen in Aussicht gestellt, das Copyright für das Internet-Zeitalter fit machen zu wollen, und dabei Lockerungen des Rechtsrahmens ins Auge gefasst. (anw)