Prozessorgeflüster

Während AMD und Intel kooperieren, streiten sich viele andere Firmen – nicht nur über Smartphone-Patente. AMD hat unterdessen die CPU-Pläne bis 2013 verraten, Intel füttert die Presse häppchenweise mit Sandy- Bridge-Details. Marvell kündigt derweil einen ARM-Serverprozessor an – und GreenArray verspricht einen Chip mit 144 Forth-Kernen.

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Streit um Patente gehört untrennbar zur IT-Branche. Ein besonders verwickeltes Hauen und Stechen findet zurzeit um Smartphone-Technik statt. Oft geht es ja letztlich darum, Konkurrenten Lizenzgebühren abzupressen. Ist das Ziel erreicht, präsentieren sich die einstigen Streithähne dann als dicke Freunde. Na ja, nicht immer: Von AMD und Intel jedenfalls hat man seit der Einigung im vergangenen November keine freundlichen Worte übereinander vernommen. Aber immerhin will AMD jetzt sogar bei MeeGo mitmachen, dem von Intel und Nokia aus der Taufe gehobenen Mobil-Linux. Auch im Streit zwischen Nvidia und Intel um Chipsatz-Lizenzen scheint sich eine Einigung abzuzeichnen; doch auch hier ist nicht zu erwarten, dass Nvidia-Chef Jen-Hsun Huang anschließend mit Intel-CEO Paul Otellini turtelt.

In die LGA1155-Fassung für Intels Sandy-Bridge-Prozessoren passen aktuelle Core-i-Chips nicht hinein – das verhindern Kodierkerben.

Kleinfirmen zanken sich manchmal erbitterter als große, etwa die CPU-Entwickler GreenArray und Patriot Scientific (PTSC) mit dem Lizenzvermarkter Technology Properties Limited (TPL). Hier geht es um ein Patent-Portfolio, welches mehrere Erfindungen des Forth-Entwicklers Chuck Moore schützt. 2006 hatte sich Moore nach langem Streit mit PTSC geeinigt und PTSC wiederum kam mit TPL ins Geschäft. Als Frucht dieser Dreiecksbeziehung entstand die Firma IntellaSys, die zunächst einen 24-kernigen Forth-Mikrocontroller ankündigte und 2008 den sogar 40-kernigen SeaForth 40C18. Anfang 2009 jedoch entließ IntellaSys sämtliche Mitarbeiter. Chuck Moore gründete daraufhin mit der IntellaSys-Mannschaft GreenArray und lässt jetzt einen Chip mit gleich 144 Forth-Kernen fertigen.

Ein anderer Chuck Moore entwickelte früher bei IBM PowerPC- und Power-Prozessoren und ist heute bei AMD Mikroarchitektur-Mastermind für AMD64 und APUs – also Accelerated Processing Units, die CPU-GPU-Hybriden von AMD. Schon in ungefähr einem Jahr soll der größte Teil aller verkauften AMD-Prozessoren APUs sein, nämlich Bobcat (siehe S. 24 ) und Llano. Für Server und High-End-PCs kommen 2011 aber auch „klassische“ CPUs mit Bulldozer-Kernen, über die wir schon berichtet haben. 2012 stehen dann die ersten Bulldozer-APUs auf dem Plan, nämlich Trinity als Llano-Nachfolger sowie Komodo mit bis zu acht Kernen für kräftigere Desktop-PCs.

Server sollen vorerst weiter ohne APUs auskommen, hier muss man das AMD-Mantra „Fusion“ aus separaten Prozessoren und GPU-Karten selbst zusammenbasteln. Die Kopplung übernimmt dabei PCI Express – und nicht etwa HyperTransport, wie es AMD vor vier Jahren im Rahmen des „Torrenza“-Konzepts eigentlich geplant hatte. HyperTransport spielt auch bei Bobcat, Llano sowie vermutlich Trinity und Komodo keine Rolle mehr.

HyperTransport bleibt nur den Multiprozessor-Opterons erhalten – und auch die kommenden mit Bulldozer-Kernen tragen die Namen von Rennstrecken: Für 2011 hat AMD Interlagos (16 Kerne) sowie Valencia (8 Kerne) versprochen, ersteren für Server-Dickschiffe mit zwei oder vier G34-Fassungen, letzteren für die schlankere C32-Plattform. 2012 folgen Terramar (G34) und Sepang (C32) mit 20 beziehungsweise 10 Kernen. 2013 fährt dann der „Next-Generation Bulldozer“ vor – vielleicht im neuen CPU-Gehäuse G42 oder G44.

Interlagos soll ab dem dritten Quartal 2011 erhältlich sein, aber auf aktuellen Boards mit G34-Fassungen laufen. Diesbezüglich verfolgt Intel eine ganz andere Politik, denn auf den im Januar erwarteten Mainboards mit Serie-6-Chipsätzen und LGA1155-Fassung werden bisherige LGA1156-Prozessoren nicht funktionieren. Schon rein mechanisch passen sie wegen einer Kodierkerbe nicht hinein. So vermeidet Intel einerseits Pannen, zwingt andererseits aber Kunden dazu, sich zum neuen Prozessor auch ein neues Board mit frischem Chipsatz zu kaufen. Das fördert den Absatz von Chipsätzen, deren Bedeutung in dem Maße schrumpft, wie der Funktionsumfang von Prozessoren wächst. Deshalb auch knüpft Intel CPU-Funktionen wie ECC-Fehlerkorrektur oder VT-d an den jeweils vorhandenen Chipsatz.

Genau komplementär profiliert sich AMD: Beispielsweise lässt Brazos – die Kombination aus Bobcat-Prozessor und Hudson-Chipsatz (siehe S. 24) – Intels Pine-Trail-Plattform aus Atom und NM10 alt aussehen, nicht nur bei Netbooks. Auch etwa für Home-Server bietet Hudson alles Wünschenswerte, darunter sechs SATA-6G-Ports. Doch nicht nur AMD will Intel bei den Mini-Servern ausstechen, sondern auch ARM: Marvell sendet Entwicklern bereits Muster des Armada XL mit vier ARMv7-Kernen und 1,6 GHz Taktfrequenz (siehe S. 32). Viele I/O-Funktionen sind darin gleich enthalten, etwa vier Gigabit-Ethernet-, ein SATA- und ein USB-Controller – ganz ohne Chipsatz.

Intel plant Ähnliches mit dem Stellarton-SoC, das einen Atom-Kern mit einem Field Programmable Gate Array (FPGA) eines anderen Herstellers kombiniert. Dabei betätigt sich Intel quasi als FPGA-Auftragsfertiger und hat dafür eigens die Technology Manufacturing Group unter Sunit Rikhi eingerichtet. Der betreut auch die Firma Achronix, die asynchron getaktete Hochleistungs-FPGAs mit Intels 22-Nanometer-Fertigungstechnik produzieren lässt. Ganz patriotisch betonen Achronix und Intel, dass ihre Produkte komplett in den USA entstehen und sich somit besonders fürs Militär und die NASA eignen. Das ist auch ein Seitenhieb gegen Globalfoundries, also die ehemalige, heute mehrheitlich in arabischer Hand befindliche AMD-Fertigungssparte.

Vielleicht zielen Achronix und Intel sogar auf IBM: Die in den USA gefertigten Power- und PowerPC-Prozessoren sind in vielen Waffensystemen zu finden. Man munkelt aber, dass Globalfoundries künftig auch Aufträge von IBM übernimmt – schließlich ist Globalfoundries Partner der IBM Alliance und IBM hat schon länger keine großen Investitionen mehr angekündigt für das Werk East Fishkill, welches schließlich bloß 120 Meilen von der künftigen Fab 8 entfernt liegt, die Globalfoundries gerade aufbaut. Dabei droht jedoch Verspätung: Eine Lokalzeitung aus Saratoga Springs meldet, dass die Verwaltung des Luther Forest Technology Campus, auf dem die Fab 8 gebaut wird, mit einigen wichtigen Infrastrukturarbeiten im Verzug ist. So fehlen etwa noch eine Gas- sowie eine zweite Wasserleitung. Nun will die Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Bundesstaats New York das Projekt selbst in die Hand nehmen. (ciw)