Der iPhone-Tanz

Die Eitelkeit des Menschen war schon immer eine wichtige Triebkraft für Innovationen. Das spürt man nun im Video-Bereich.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Martin Kölling

Ich muss gestehen, ich bin ein Foto-Freund. Video mag ich nicht, mich auf Videos schon gar nicht. Deshalb habe ich mich wohl auch für die schreibende Zunft entschieden und mich bisher dem Übergang zur Videoberichterstattung verweigert. Dennoch scheint mir eines ganz klar: Die Technik wird mehr und mehr zum Mainstream. Aufgegangen ist mir das jüngst auf einer Tanzveranstaltung. Einer der Kollegen wirbelte auf der Tanzfläche mit einem Mädel herum und schoss dabei ein Video von sich selbst.

Ich habe mir damals mental an den Kopf gefasst und ihn für extrem eitel gehalten. Aber einer der Mitentwickler der Flip, jenes supersimplen Mini-Camcorders, der in den USA die Verkaufscharts anführt, hat mir auf der Fachmesse Flat Panel Display Show gesagt, dass ich ein bisschen daneben liege. "Es ist eine Generationenfrage", sagte mir Rick Page, zuständig für den Einkauf von Ciscos neuer Konsumelektroniksparte, zu der Flip seit kurzem gehört. "Wer über 25 Jahre alt ist, hält die Flip oder das iPhone wie eine Kamera und schießt Videos im Dokumentarstil. Die unter 25-jährigen richten die Kamera oft auf sich selbst". Und – schwupp – wird der Clip ins Netz oder auf Facebook hochgeladen.

Nun, mein Fall ist diese Form der Selbstdarstellung (noch) nicht, ich komme mir dabei albern vor. Aber ich bin ja auch über 25 Jahre alt. Doch ich glaube, dass der Technik wirklich der Durchbruch bevorsteht. Einfach schon deshalb, weil die Bedienung der Videokameras (oder Fotokameras mit entsprechender Unterstützung) samt Schnittsoftware endlich leichter wird. Denn bin ich einmal ehrlich, hält mich vor allem der Aufwand zurück, der bisher mit Filmchen verbunden war – von der Aufnahme, über die Übertragung ins Notebook, den Schnitt bis hin zum Hochladen. Heutzutage geht einfaches Editieren des Videos in der Kamera oder dem Handy. Und ein paar Klicks später zappelt der Moment im Netz.

Youtube ist der beste Beweis dafür, das viele Menschen das schon so empfinden. Denn offenbar haben wir das Bedürfnis, uns unseren Liebsten oder der Öffentlichkeit mitzuteilen. Und wir nutzen dabei die Medien, die einfach zu nutzen sind, das Wort, den Brief, das Telefon, das Foto – und nun eben Video.

Ich persönlich lade bis jetzt nur Fotos von netten Augenblicken mitsamt einer kurzen Botschaft für meine Familie und Freunde ins Netz. Aber ich kann mir auch vorstellen, bestimmte Momente auf Video einzufangen, weil es sich so schön macht. Ein japanisches Festival vielleicht, auf dem die Männer im Lendenschurz einen schweren Holzschrein durch die Straßen tragen. Und vielleicht gewöhne ich mich ja auch noch daran, mich selber zu filmen. Ich habe mich als kühler Norddeutscher ja auch an die Bussi-Kultur und das ubiquitäre Umarmen und das Verbeugen in Japan gewöhnt. (bsc)