Medienpolitiker drängen auf Nachbesserungen bei der Providerhaftung

Vertreter der SPD- und FDP-Bundestagsfraktion sehen Teile der geplanten Vereinheitlichung der Medienordnung über das Telemediengesetz und den 9. Rundfunkänderungsstaatsvertrag skeptisch, während auch Brüssel quer schießt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 88 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Vertreter der SPD- und FDP-Bundestagsfraktion sehen Teile der geplanten Vereinheitlichung der Medienordnung über das Telemediengesetz (TMG) und den 9. Rundfunkänderungsstaatsvertrag skeptisch. Zugleich gibt es auch aus Brüssel Widerstände gegen die hierzulande von Bund und Ländern vorangetriebenen Regulierungsvorschläge für Internet- und Mediendienste. Beide Punkte standen im Zentrum eines Panels auf dem Forum zur Kommunikations- und Medienpolitik des Branchenverbands Bitkom am gestrigen Dienstag in Berlin.

Beim bisherigen TMG-Referentenentwurf kritisierten Medienpolitiker vor allem die problematische Stellung von Host-Providern. Sie fürchten, dass Anbieter interaktiver Nutzerplattformen wie Internetforen oder Auktionen nicht ausreichend von der Haftung für mögliche Rechtsverletzungen der Anwender freigestellt. "Wir sehen erhebliche Unsicherheiten und Kostenrisiken beim Host-Provider", erklärte Christoph Waitz, frischgebackener medienpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.

Gemäß den Planungen für das TMG im Wirtschaftsministerium würden diese zwar nicht verpflichtet, ihnen übermittelte Inhalte zu überwachen oder auf rechtswidrige Inhalte hin zu durchsuchen. Aber die rechtliche Stellung in Zusammenhang mit der Verletzung gewerblicher Schutzrechte bleibe dabei problematisch, gerade im Lichte der aktuellen Rechtsprechung. Waitz verwies dabei auf das "Rolex-Ricardo-Urteil". Damit habe der Bundesgerichtshof "umfangreiche Prüfpflichten auf den Host-Provider verlagert". Um ein solches Kontroll- und Überwachungsszenario zu verwirklichen, fehle den meisten Forenanbietern aber schon das nötige rechtliche Hintergrundwissen im Einzelfall. Zudem entspreche die Rechtsprechung nicht dem Wortlaut deutscher Mediengesetzen oder der E-Commerce-Richtlinie der EU. Die Regierung forderte Waitz daher auf, bei der Überarbeitung des TMG-Entwurfs eine "angemessene und praxisnahe Regelung" für die Belange der Host-Provider zu finden.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Christoph Pries ging mit Waitz konform. Dass Nachbesserungen bei den Haftungsfragen erforderlich sind, zeigt für ihn auch die Verfügungsentscheidung des Hamburger Landgerichts zur Verantwortlichkeit des Heise Zeitschriften Verlags für Äußerungen Dritter im Diskussionsforum von heise online. Dabei hätten sich die Hamburger Richter wohl an der Ricardo-Entscheidung orientiert, die aber offen lasse, welche Kontrollmöglichkeiten "zumutbar" seien. Besonders empörte den neuen Leiter des Unterausschusses Neue Medien, dass Kanzleien bereits begonnen haben, Abmahnungen an andere Forenbetreiber zu schicken. Hier sei eine gesetzliche Regelung zu finden, da bei einer Aufrechterhaltung der Kontrollpflichten auch die freie Meinungsäußerung im Internet unterwandert werden könnte.

Die von Bürgerrechtlern heftig kritisierte Fortschreibung der Neuordnung des Telemedienrechts mithilfe des TMG und der begleitenden Änderungen im 9. Rundfunkänderungsstaatsvertrag hat zudem von Brüssel aus einen Dämpfer erhalten, da die EU-Kommission das europarechtliche Plazet verweigert hat. Die so genannte Notifizierung geht daher in eine zweite Runde. Dafür müssen Bund und Länder Korrekturen an den bisherigen Entwürfen vornehmen. Brüssel stört sich etwa am deutschen Versuch, individuelle Tele- und an die Allgemeinheit gerichtete Mediendienste unter den Oberbegriff "Telemedien" zu fassen. Konkret habe dies etwa zu Auseinandersetzungen um die Regulierung des Teleshopping geführt, erläuterte Klaus-Peter Potthast, Ministerialrat in der Bayerischen Staatskanzlei. Dabei sollten laut Kommission die strengen Vorkehrungen der Fernsehrichtlinie gelten, während Deutschland die Bestimmungen der E-Commerce-Richtlinie anwenden wollte. Brüssel hat sich ferner dagegen ausgesprochen, dass hierzulande Dienste wie Streaming dem Rundfunkrecht unterstellt werden sollten.

Generell sind die Unklarheiten groß, wie mediale Angebote im Internet künftig reguliert werden sollen. Die Ängste vor dem "Schwarzen Mann", der bei Netzdiensten mit einer Regulierungsdichte wie im Rundfunk drohe, seien gewaltig, meinte Potthast. "Langfristig wird man aber davon ausgehen müssen, dass gerade die inhaltlichen Aspekte der Telemedien von den Ländern reguliert werden." Klassische "Broadcast-Dienste" hätten unabhängig davon, über welchen Kanal sie verbreitet würden, aufgrund ihrer Wirkungsweise und ihrer "Dominanz im Meinungsmarkt" eine besondere Bedeutung für das Staatswesen und müssten daher auch künftig einem engen Regelwerk unterworfen bleiben. Dieser Sichtweise widersprachen Vertreter von Mobilfunkanbietern, die sich derzeit um den Aufbau von Angeboten fürs Handy-TV bemühen. Dieses bleibe im Vergleich mit dem stationären Rundfunk immer eine sekundäre Informationsquelle und könne eventuell auch nur mit maßgeschneiderten Programmen wirtschaftlich erfolgreich sein. Eine klare Abgrenzung zwischen Telekommunikations- und Medienrecht sei gerade in diesem Bereich dringend erforderlich. (Stefan Krempl) / (jk)