Zypries stellt Entwurf zur Neuregelung der TK-Überwachung vor

Die Bundesjustizministerin will mit dem Referentenentwurf zur Telekommunikationsüberwachung den vom Bundesverfassungsgericht geforderten Schutz des Kernbereichs der Intimsphäre sowie die EU-Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung umsetzen.

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Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat am heutigen Mittwoch in Berlin einen Referentenentwurf vorgestellt, mit dem die Vorschriften zur Telekommunikationsüberwachung neu geordnet werden sollen. Mit dem Vorhaben will die SPD-Politikerin etwa den vom Bundesverfassungsgericht geforderten Schutz des Kernbereichs der Intimsphäre bei verdeckten Observationen gewährleisten, die Benachrichtigung der Betroffenen verbessern und die heftig umstrittenen EU-Vorgaben zur Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten umsetzen. Es gehe insgesamt darum, gemäß der Vereinbarung im Koalitionsvertrag eine "harmonische Gesamtregelung" der Telekommunikationsüberwachung zu schaffen, erläuterte Zypries. Ihrer Ansicht nach wird mit ihrem Entwurf der Rechtsschutz bei Ermittlungsmaßnahmen rund um die Telekommunikation "erheblich verbessert".

Beim Vorschlag zur Implementierung der Brüsseler Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung hat sich das Justizministerium laut Zypries "voll an die Maßgaben der Beschlüsse des Bundestags gehalten". Damit sei der "niedrigste Level" aus der Direktive gewählt worden. So würden "die wenigsten Datenarten" für eine Frist von sechs Monaten erfasst. Diese dürften zudem nur zu "repressiven" Zwecken dienen, also allein zur Strafverfolgung und nicht auch zur präventiven Bekämpfung von Kriminalität. Datenschützer sehen dagegen allein in der Tatsache der verdachtsunabhängigen Aufbewahrung umfangreicher Verbindungs- und Standortdaten und der damit theoretisch ermöglichten Profilbildung eine Umkehr der Unschuldsvermutung und eine Abkehr von rechtsstaatlichen Prinzipien.

Zypries versicherte entgegen dieser Befürchtungen, dass Sicherheitsbehörden nur bei richterlicher Anordnung auf die Daten zugreifen dürften und die elektronischen Spuren der Nutzer beim Provider verbleiben würden. "98 Prozent aller Bürger sind nach wie vor bei der Telekom", führte die SPD-Politikerin aus. "Die speichert ihre Daten schon heute und wir können darauf zugreifen. Wir stellen nur sicher, dass sie dann sechs Monate da sind." Bisher speichern Telefonanbieter die so genannten Verkehrsdaten knapp drei Monate, Internetprovider dagegen gerade bei der Flatratenutzung allerdings teilweise überhaupt nicht. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat gerade einen Einspruch gegen Urteile niederer Instanzen abgelehnt, woraufhin T-Online aufgrund der bestehenden Rechtslage Verbindungsdaten entgegen der bisherigen Praxis nicht aufbewahren darf. Nun werde die entsprechende Rechtsgrundlage aber auch bei Flatrates geschaffen, betonte Zypries. Die "Bemängelung" vom BGH werde damit "hinfällig". Generell seien die Daten zur Aufklärung auch terroristischer Delikte erforderlich und ihre Speicherung unter Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit vertretbar.

Der Entwurf aus dem Justizministerium hält aber gemäß dem Beschluss des Bundestags daran fest, die Sicherheitsbehörden auch bei "mittels Telekommunikation begangener Straftaten" in den Datenbergen schürfen zu lassen. Die EU-Richtlinie sieht einen Zugriff zunächst nur bei "schweren Straftaten" vor. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes hatte zudem schwere Bedenken erhoben, ob die Brüsseler Vorgaben überhaupt grundrechtskonform umzusetzen sind. "Wir können das", tat Zypries entsprechende Einwände ab. Ein Referent ihres Hauses versicherte zudem, dass man der Auffassung sei, dem Grundgesetz mit dem Vorschlag Genüge zu tun.

Allgemein will Zypries mit dem Entwurf der vielfach kritisierten ungebremsten Zunahme der Telekommunikationsüberwachung Einhalt gebieten. Das Abhören von Telefonaten sei zwar weiter "als eine mögliche Ermittlungsmaßnahme" zu ermöglichen. "Wir müssen gleichzeitig aber die Freiheitsrechte der Bürger bestmöglichst schützen", erklärte die Ministerin. Mit dem Entwurf wird so zum einen der Katalog der Straftaten, bei dem ein "kleiner Lauschangriff" durchgeführt werden kann, neu gefasst. Künftig darf demnach nur noch bei Ermittlungen rund um Delikte abgehört werden, bei denen das Höchststrafmaß bei über fünf Jahren liegt. Neu aufgenommen werden sollen etwa schwere Straftaten der Wirtschaftskriminalität wie Korruptionsdelikte, gewerbs- oder bandenmäßiger Betrug oder Urkundenfälschung oder schwere Steuerdelikte. Zudem wird die Telefonüberwachung den Vorstellungen des Justizministeriums nach bei der Aufklärung aller Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch, bei Menschenhandelsdelikten sowie bei jeder Form der Verbreitung von Kinderpornographie möglich sein.

Mit der Übernahme des Schutzes des Kernbereichs privater Lebensgestaltung aus den Anforderungen zum großen Lauschangriff kommt Zypries zudem trotz zuvor geäußerter Bedenken Forderungen von Datenschützern entgegen. Immer dann, wenn Informationen aus dem intimsten Privatbereich abgehört werden, sollen diese künftig auch beim kleinen Lauschangriff sofort gelöscht werden. Wenn die Ermittler wissen, dass solche sehr privaten Daten anfallen, dürfte eine Abhörmaßnahme ferner gar nicht gestartet werden. Weiter soll generell bei der Telekommunikationsüberwachung ein verschärfter Richtervorbehalt gelten. "Bei allen Maßnahmen muss künftig der Richter am Sitz der Staatsanwaltschaft entscheiden, die das Verfahren leitet", erläuterte Zypries. So solle eine "gewisse Sachkompetenz" anhand von Vergleichsmodi aufgebaut werden.

Das Abhören bestimmter Berufsgruppen will die Ministerin ausschließen, wenn diese als Zeugen oder Nachrichtenübermittler betroffen sein könnten. Dabei sieht ihr Entwurf zwei Kategorien bei den so genannten Berufsgeheimnisträgern vor: Zum einen Seelsorger, Strafverteidiger und Abgeordnete, die mit einem umfassenden Verwertungsverbot ganz besonders geschützt werden sollen. Diese Gruppe sei vom Bundesverfassungsgericht in den engeren Kreis schützenswerter Personen übernommen oder ausdrücklich im Grundgesetz erwähnt worden, so Zypries. Bei Ärzten, Rechtsanwälten, Journalisten sowie weiteren Geheimnisträger sei ferner nur noch "bei ganz sorgfältiger Entscheidung im Einzelfall abzuhören". Der nachträgliche Rechtsschutz soll zudem verbessert werden, indem bei allen verdeckten Ermittlungsmaßnahmen Benachrichtigungspflichten eingeführt und spezifisch konkretisiert werden. Bislang sind diese etwa beim Einsatz des IMSI-Catchers nicht vorhanden gewesen. Gerichte sollen die Einhaltung der Informationspflichten zudem kontrollieren. Betroffene können dem Entwurf nach auch ohne verfahrensrechtliche Hürden gegen Observationen klagen.

Siehe dazu auch:

Zur Auseinandersetzung um die Vorratsspeicherung sämtlicher Verbindungs- und Standortdaten, die etwa beim Telefonieren im Fest- oder Mobilfunknetz und der Internet-Nutzung anfallen, siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online):

(Stefan Krempl) / (jk)