Justizministerin für "Vorratsdatenspeicherung light"

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat sich im Internetbereich für das Verfahren "Quick-Freeze-Plus" ausgesprochen, mit dem Verbindungsdaten für sieben Tage verdachtsunabhängig aufbewahrt werden sollen.

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Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat sich im Internetbereich für das Verfahren "Quick Freeze Plus" ausgesprochen. Bei diesem auch als "Vorratsdatenspeicherung light" bekannten Ansatz sollen Verbindungsdaten einige Tage verdachtsunabhängig von den Providern aufbewahrt werden. Die FDP-Politikerin plädiert in einem Eckpunktepapier für einen entsprechenden Gesetzesentwurf, über den die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) berichtet, konkret für eine siebentätige Speicherfrist. Hinzukommen soll die Möglichkeit, dass Ermittler bei "hinreichendem Anlass" auf Verdacht einer Straftat ein Einfrieren von Verkehrs- und Standortdaten bei allen Telekommunikationsanbietern anordnen können sollen. Um darauf zugreifen zu können, bräuchten sie dann eine richterliche Genehmigung.

"Sobald der Polizist einen Verdacht auf eine Straftat hat, kann er einen Sicherungsantrag stellen", erläuterte die Ministerin diesen Teil des Quick-Freeze-Konzepts gegenüber der Zeitung. Das sei ein "grundrechtsschonender Ansatz", der in der Koalition aber "zweifellos" umstritten sein werde. Vertreter der CDU/CSU-Fraktion drängen seit Längerem auf eine Wiedereinführung der allgemeinen Vorratsdatenspeicherung. Dagegen hatte sich die FDP-Ressortchefin immer wieder gewehrt. Eine "anlasslose" und verdachtsunabhängige Protokollierung von Nutzerspuren werde es mit ihr nicht geben, hatte es im Justizministerium noch Ende Dezember geheißen. Auch die FDP-Bundestagsfraktion hat sich entsprechend positioniert.

Mit dem Quick-Freeze-Plus-Modell, das hierzulande ursprünglich der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar ins Spiel gebracht hat, will Leutheusser-Schnarrenberger nun offensichtlich auf ihre Kritiker im Regierungslager zugehen und einen Kompromissvorschlag auf den Tisch legen. Entschiedene Gegner einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung reagierten aber gereizt auf die Überlegungen Schaars. Die Grünen fürchten, dass damit "ein Dammbruch" einhergeht. Für sie kommt nur eine komplette Abkehr von der "Speicherorgie" in Frage. Die derzeit auf dem Prüfstand stehende EU-Richtlinie zur Protokollierung von Nutzerspuren, die Speicherverpflichtungen zwischen sechs und 24 Monaten vorsieht, sei abzuschaffen. Auch der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung erklärte jüngst, dass "eine Verkürzung des Speicherzeitraums nichts an den fatalen Wirkungen jeder verdachtslosen Totalspeicherung ändern würde".

Leutheusser-Schnarrenberger betonte demgegenüber in der SZ, das ihr Vorschlag "ja überhaupt keine Vorratsdatenspeicherung im bisherigen Sinn vorsieht". Die "eng befristete Speicherung" von Verbindungsdaten im Online-Sektor für eine Woche solle vor allem Bestandsdatenauskünfte ermöglichen, also die Zuordnung von IP-Adressen zu Personen beziehungsweise den bei den Providern angemeldeten Kundendaten. Das sei "nichts im Vergleich zu dem Aufwand, der nach der Vorratsdatenspeicherung anfiel". Es würden keine Informationen mehr "uferlos" erfasst und monatelang gesammelt.

Der Hannoveraner Staatsanwalt Dieter Kochheim hatte zuvor Quick Freeze ohne Plusvariante als im bürgerrechtlichen Sinne bedrohlicher im Vergleich zur Vorratsdatenspeicherung bezeichnet. Dabei müssten Strafverfolger "ständig" die Aufnahmetaste für "Verkehrsdaten" drücken, also jedwede Internet- und Telekommunikation per se als verdächtig einstufen. Die Ermittler seien dabei unter Zeitdruck und würden so häufig Datenaufzeichnungen bei den Providern anordnen, auch wenn sie diese letztlich nicht bräuchten. Dies führe zu einem "Orwell-Staat". Bei der klassischen Vorratsdatenspeicherung könnten Strafverfolger dagegen "erst einmal andere Ermittlungsergebnisse abwarten" und dann gegebenenfalls einen Zugang zu Verbindungs- oder Standortdaten begehren. (uma)