Mitglied der Piratenpartei wird Staatssekretär in Tunesien

Der tunesische Blogger und Unternehmer Slim Amamou, der am 6. Januar noch verhaftet worden war, ist zum Staatssekretär für Jugend und Sport der neuen tunesischen Regierung berufen worden.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 84 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Erstmals übernimmt ein Mitglied der Piraten-Bewegung Regierungsverantwortung. Slim Amamou, IT-Unternehmer, Blogger sowie Piratenpartei-Mitglied, ist zum Staatssekretär für Jugend und Sport der neuen tunesischen Regierung berufen worden. Laut einem Eintrag im Weblog netzpolitik.org hat die tunesische Piratenpartei nicht bestätigen können, dass Amamou die Partei "repräsentiere", solange er die Interims-Position in der Regierung innehabe.

Am 6. Januar war Amamou noch verhaftet worden. Er hatte sich gegen die tunesische Zensur und für die Freiheit der Meinungsäußerung eingesetzt. Amamou spricht sich außerdem für Netzneutralität und gegen geistiges Eigentum aus. Berichten zu Folge soll sein Blog in der tunesischen Internetszene sehr bekannt sein. Offiziell soll ihm bei seiner Verhaftung versuchtes Hacken von Regierungswebseiten vorgeworfen werden. Diesen Vorwurf stellt der Aktivist in Abrede.

Der neuen tunesischen Regierung gehören neben Vertretern der Zivilgesellschaft wie Amamou auch drei führende Politiker der legalen Opposition an. Regierungschef bleibt aber Mohamed Ghannouchi von der Partei des gestürzten Diktators, auch die Minister für Inneres, Äußeres, Finanzen sowie Verteidigung bleiben in ihren Ämtern. Amamous Bestellung ist wohl als Signal an die besonders unzufriedene Jugend gedacht. Welchen Einfluss Amamou haben und wie lange er ein Regierungsamt bekleiden wird, bleibt abzuwarten. In spätestens einem halben Jahr sollen Präsident und Parlament neu gewählt werden.

Die neue Regierung hat die Zensur für beendet erklärt und angekündigt, alle Gefangenen freizulassen, die wegen ihrer politischen Meinung eingesperrt wurden. Verbotene Organisationen wie die kommunistische Partei, die islamistische Partei oder die Human Rights League sollen zugelassen werden.

In den letzten Wochen der Herrschaft Ben Alis war die Internetzensur in Tunesien weiter verschärft worden. Außerdem bekämpfte das Regime seine Gegner einzeln. Https-verschlüsselte Datenübertragung wurde unmöglich gemacht, gleichzeitig dürfte Javascript-Code in bestimmte Webseiten eingeschleust worden sein. So kamen die Zensoren an Passwörter und übernahmen zahlreiche Konten bei Gmail, Facebook und anderen Kommunikationsdiensten. Sie unterbrachen damit nicht nur den Kommunikationsfluss ihrer Gegner, sondern erhielten auch Adress- und Kontaktlisten. Zudem konnten sie sich neue Passwörter für diverse andere Seiten wie etwa Blogs zuschicken lassen. Innerhalb von Stunden löschten die Zensoren zahlreiche Facebook-Pages und Blogs, die damit auch außerhalb Tunesiens nicht mehr verfügbar waren.

Slim Amamou soll selbst von diesen Machenschaften betroffen gewesen sein. In einem Interview mit dem französischen Sender TF1, das ein Kommentator auf netzpolitik.org ins Deutsche übersetzt hat, sagte Amamou, das Internet habe während der jüngstgen Ereignisse in Tunesien eine große Rolle gespielt. Am Ende hätten aber die Menschen auf der Straße den Regierungswechsel bewirkt. (anw)