Schweiz: Kopierschutzknacken für private Zwecke

Die Novellierung des Schweizer Urheberrechts geht auf die Zielgerade: Der Rechtsausschuss des Schweizer Parlaments hat nur geringfügige Änderungen an der Regierungsvorlage; Kopierschutzknacken für private Zwecke soll so erlaubt werden.

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Der Rechtsausschuss des Schweizer Parlaments hat nur geringfügige Änderungen an der umstrittenen Regierungsvorlage zur geplanten Urheberrechtsrevision vorgeschlagen. Es soll damit zu einer Regelung kommen, wonach einerseits "wirksame technische Maßnahmen zum Schutz von Werken und anderen Schutzobjekten nicht umgangen werden dürfen". Andererseits sieht der von den Rechtspolitikern im Prinzip befürwortete Gesetzesentwurf des Bundesrates im Gegensatz zum geltenden Urheberrechtsgesetz in Deutschland vor, dass Kopierschutzknacken für private Zwecke erlaubt wird.

Ziel der Revision ist es, Möglichkeiten zum Kopieren für den rein privaten Gebrauch sowie für andere "gesetzlich erlaubte Verwendungen" wie etwa "wissenschaftliche Zwecke" nicht durch Systeme zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) einzuschränken. Auch das Herunterladen von Werken aus dem Internet zum persönlichen Gebrauch soll uneingeschränkt zulässig bleiben. Der Entwurf wird nun dem Plenum des Schweizer Ständerates "im Hinsicht auf die Wintersession 2006" zur weiteren Beratung und Verabschiedung unterbreitet.

Generell zeigte sich die "Kommission für Rechtsfragen des Ständerates" mit dem Papier des Bundesrates weitgehend einverstanden. Mit 7 zu 5 Stimmen beantragte sie, dass das Recht, Archivwerke von Sendeunternehmen unverändert zu senden und zugänglich zu machen, nur über die zugelassenen Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden kann. Hierzulande stößt eine entsprechende Klausel zur "Kabelweitersendung" im Rahmen der 2. Stufe der Urheberrechtsreform auf Kritik.

Zudem drängt die Kommission auf mehr Freiheiten für Archive mit geschützten Werken. So soll eine Bestimmung über die Nutzung "verwaister Werke" neu in das Urheberrechtsgesetz aufgenommen werden. Die Verwertung muss dabei laut dem Änderungsantrag öffentlich zugängliche Archive oder Archive von Sendeunternehmen betreffen, die Rechtsinhaber müssen unbekannt sein und die Ton- beziehungsweise Tonbildträger vor mindestens zehn Jahren in der Schweiz produziert oder hergestellt worden sein. Das Nutzungsrecht soll ferner nur über die zugelassenen Verwertungsgesellschaften im Zusammenhang mit der Zahlung einer Vergütung geltend gemacht werden dürfen. Eine Minderheit des Rechtsausschusses beantragt zudem, dass Benutzer eines Werks pro Verwendung nur eine Entschädigung bezahlen müssen.

Im Vorfeld der parlamentarischen Behandlung des Revisionsvorhabens hatten unter anderem Künstler und Forscher im Rahmen der Initiative Kunstfreiheit.ch insbesondere gegen den geplanten Rechtsschutz für DRM-Systeme Stellung bezogen und eine Unterschriftenaktion gestartet. Mit dem Entwurf würden die "Interessen der traditionellen Verwertungsindustrien einseitig bevorzugt", lautete die Kritik. Bei einer Diskussion in Zürich Mitte Oktober fürchtete Felix Stalder, Mitinitiator der Petition, dass die Revision zu "größerer Rechtsunsicherheit sowohl bei Kulturschaffenden wie bei Verbrauchern" führt. Es drohten sich diejenigen durchzusetzen, "welche die höchsten Anwaltsbudgets haben".

Unterschiedliche Interessen prallten Ende Oktober bei einer Debatte in Aarau auf Einladung des Schweizer Musikrates SMR und des Studienzentrums Kulturmanagement der Universität Basel zusammen. Schweizer Musiker wie Andreas Vollenweider und Urs Frauchiger zeigten sich dort skeptisch über die rechtlichen und technischen Schutzmaßnahmen. Das Urheberrecht "wird über kurz oder lang so oder so kollabieren", prognostizierte Vollenweider. Sein Kollege mahnte zur Wachsamkeit, dass Staat und Wirtschaft nicht mit Hilfe von DRM "einen gigantischen Überbau und eine riesige Bürokratie produzieren, welche die Kreativität ersticken."

Richard Schneider und Leszek Oginski von der Firma Logistep warben derweil offen für den "Überwachungsstaat Internet" und priesen ihre speziell zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen entwickelte Software an. Raubkopierer könnten damit über längere Zeit observiert werden, auch wenn sie zwischenzeitlich Namen, Domain oder Server wechseln würden. So aufgespürte "Sünder" würden dem Staatsanwalt gemeldet. In Deutschland sei es auf diese Weise bereits zu über 100.000 Strafanzeigen gekommen, was Politiker als schwerwiegende Belastung der Justiz beklagen. In der Schweiz stünden der Umsetzung der Anzeigenmaschinerie aber noch juristische Hindernisse entgegen.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)