Auf Sand gebaut

Mit rund 1 Milliarde US-Dollar Schaden kalkuliert Intel, weil bei den Anfang Januar vorgestellten Chipsätzen P67, H67, Q67, HM67 und HM65 eine erhöhte Ausfallrate droht. Intel hat die Produktion gestoppt, erst in einigen Wochen sind fehlerfreie Mainboards für die attraktiven „Sandy Bridge“-Prozessoren Core i3-2000, Core i5-2000 und Core i7-2000 zu erwarten.

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Inhaltsverzeichnis

Was für ein Pech: Wegen eines Fehlers in sämtlichen Chipsätzen für die jüngsten Prozessoren der „Sandy Bridge“-Generation werden Millionen von Notebooks, Desktop-PCs und Mainboards nicht mehr verkauft. Auch die Markteinführung demnächst erwarteter Geräte, etwa einer neuen MacBook-Generation von Apple, dürfte sich erheblich verzögern. Intel will zwar die Anfang Januar vorgestellten Prozessoren der Baureihen Core i3-2000, Core i5-2000 und Core i7-2000 weiter ausliefern, denn sie sind von dem Fehler nicht betroffen. Mangels Mainboards sackt die Nachfrage aber in den Keller. Mit 300 Millionen US-Dollar Umsatzausfall kalkuliert Intel, hinzu kommen 700 Millionen US-Dollar für Ersatzlieferungen und Zahlungen an Mainboard- und PC-Hersteller, die ihre bereits ausgelieferten Produkte zurücknehmen.

Sofern Sie seit Jahresbeginn 2011 einen neuen PC, ein Notebook oder ein Mainboard mit Intel-Prozessor gekauft haben, können Sie mit Hilfe unserer nachstehenden FAQ-Liste klären, ob Ihr Produkt betroffen ist.

Intels Pannen-Chipsatz PCH H67 ist üblicherweise unter einem Kühlkörper verborgen. Der SSpec-Code SLH82 kennzeichnet das Problem-Stepping B2 – B3 kommt als SLJ49.

Intel ruft keine Ware zurück, hat allerdings die Produktion aller Chipsätze der Serie 6 teilweise gestoppt. An Endkunden wurden bisher ausschließlich Geräte mit den Platform Controller Hubs (PCHs) P67 und H67 für Desktop-PC-Mainboards mit der Fassung LGA1155 ausgeliefert sowie mit HM67 und HM65 für Notebooks. Die zugehörigen Prozessoren gehören zur Baureihe Core i-2000. Die Vorgänger Core i3-500, Core i5-600, Core i5-700 und Core i7-800 sind nicht betroffen, denn sie setzen Chipsätze der Baureihe 5 voraus, etwa P55, H55, H57, Q57, PM55, HM55 oder QM57. Es gibt nur eine Ausnahme: Das Mainboard P67 Transformer von Asrock, welches einen LGA1156-Prozessor mit dem Chipsatz P67 verbindet.

Die fehlerhaften Chipsätze fallen nicht komplett aus, sondern es drohen bloß Probleme bei vier der sechs integrierten SATA-Ports. Nur die auf den alten SATA-II-Standard beschränkten Ports 2, 3, 4 und 5 sollen bei geschätzten 5 bis 10 Prozent der PCH-Chips im Laufe von etwa drei Betriebsjahren ausfallen.

Fehlerfreie Chipsätze will Intel frühestens Mitte Februar liefern können, erst ab März sollen wieder größere Mengen bereitstehen. Die Bauelemente müssen dann aber noch nach Asien reisen, wo sie auf Mainboards gelötet werden. Diese werden dann in Komplettrechner und Notebooks eingebaut oder direkt nach Europa verschickt – auf Ersatzlieferungen muss man also möglicherweise bis nach Ostern warten. (ciw )

Wie bemerke ich das Problem überhaupt?

Im c’t-Labor konnten wir auch nach mehreren Tagen Dauerbetrieb von mehreren Testsystemen den Fehler nicht provozieren. Auch aus den teils von Lesern gemeldeten Symptomen können wir auf kein eindeutiges Fehlerbild schließen. Laut Intel werden jedoch Laufwerke an den schadhaften SATA-Ports gar nicht erst erkannt oder die Bitfehlerrate bei Datentransfers steigt an.

Die Serial-ATA-Technik versucht, Bitfehler durch erneute Übertragungsversuche zu korrigieren. Diese kosten Zeit, wodurch die Datentransferrate sinkt. Möglicherweise protokolliert dann die Ereignisanzeige von Windows Fehler oder Warnungen, die auf die SATA-Bitfehler hindeuten.

Bei welchen Funktionen der Serie-6-Chipsätze drohen Ausfälle?

Betroffen ist nur ein winziger Teil der Schaltung: Ein Transistor, der mit der Taktfrequenzerzeugung für die Serial-ATA-II-Ports 2, 3, 4 und 5 zu tun hat, kann im Laufe der Zeit versagen. Die ersten beiden, SATA-6G-tauglichen Ports (0 und 1) haben eine andere Schaltung, die intakt ist.

Wie bekomme ich heraus, ob in einem PC einer der potenziell defekten Chipsätze steckt?

Wer seinen Rechner vor dem ersten Januar erworben oder ein System mit AMD-Prozessor hat, kann erleichtert aufatmen, weil nur die seit 9. Januar verkauften Systeme mit den „Platform Controller Hubs“ (PCHs) P67, H67, HM67 und HM65 von Intel den Fehler aufweisen. Diese gehören zu den Desktop-PC- und Mobilprozessoren der Produktfamilien Core i3-2000, Core i5-2000 und Core i7-2000 (alias Sandy Bridge). Alle damit bisher ausgelieferten Rechner haben einen Chipsatz im B2-Stepping und sind potenziell betroffen.

Kann ich per Software testen, ob mein PC gefährdet ist?

Gigabyte hat für Windows ein Software-Tool veröffentlicht (siehe c’t-Link), das in unseren Tests auch auf einigen anderen Mainboards funktionierte.

Selbst herauszufinden, welche Chipsatzrevision in einem PC steckt, ist nicht ganz trivial, weil Intel nur Teile der dafür nötigen PCI-Konfigurationsregister dokumentiert. Bei Consumer-Geräten erkennt man das betroffene B2-Stepping an der Revisionsnummer „04h“ des SATA-Host-Controllers. Intel hat uns nach der Veröffentlichung eines Erkennungs-Skriptes auf heise online (siehe c’t-Link) prompt kontaktiert und darauf hingewiesen, dass diese Identifikationsmethode bei Business-PCs aus dem Stable Image Plattform Programm fehlschlägt, wenn in deren BIOS die Compatibility Revision ID aktiviert wurde. Wir vermuten, dass das fehlerbereinigte Stepping „B3“ heißen und die Revisions-ID „05“ tragen wird. Das wollte Intel aber nicht offiziell bestätigen.

Wie teste ich, ob Laufwerke an den kritischen Ports hängen?

Unter Windows zeigt das Intel-Tool „Rapid Storage Technology“ den Anschluss (SATA-Port) der einzelnen Laufwerke – zumindest wenn sie im AHCI- oder RAID-Modus arbeiten. Die dafür nötigen Informationen stehen aber auch alle in den Registern des Controllers und lassen sich mit geeigneten Tools auslesen. Wie das auch im IDE-Modus sowie unter Linux klappt, haben wir auf heise online ausführlich beschrieben (siehe c’t-Link).

Ich habe einen PC mit Serie-6-Chipsatz. Drohen nun Datenverluste?

Nur unter bestimmten Bedingungen. Meistens wird die wichtigste Festplatte oder Solid-State Disk (SSD), nämlich jene mit dem Betriebssystem, am ersten SATA-Port 0 hängen. Dieser funktioniert ebenso wie der zweite SATA-6G-taugliche Port fehlerfrei. Wer keine weiteren SATA-Laufwerke angeschlossen hat, braucht nichts zu befürchten. Intel deutet an, dass Datenfehler selbst an defekten Ports unwahrscheinlich sind – eher funktionieren sie gar nicht oder langsam.

Wer liefert Ersatz für die potenziell fehlerhaften Produkte?

Vertragspartner des Endkunden ist der Händler und folglich auch erster Ansprechpartner für Umtausch oder Umbau. Manche Board- und Notebook-Hersteller kümmern sich hingegen selbst darum. Eine Liste mit links zu den jeweiligen Regelungen finden Sie über den c’t-Link unten.

Ich will nicht auf einen Umtausch warten. Wie löse ich das Problem selbst?

Da nur die vier SATA-II-Ports gefährdet sind, hängen Sie das Boot-Laufwerk einfach an einen der beiden SATA-6G-Anschlüsse. Auf teureren Mainboards sitzen oft noch weitere SATA-Adapterchips anderer Hersteller wie JMicron oder Marvell. Auch die darüber angebundenen Laufwerke sind problemlos nutzbar. Weitere Ports können Sie über SATA-Hostadapterkarten nachrüsten. Diese gibt es für PCIe-x1-Slots ab 15 Euro, auch in SATA-6G- und RAID-tauglichen Versionen. Bleiben die SATA-II-Ports des Chipsatzes ungenutzt, spricht nichts dagegen, das System dauerhaft zu betreiben und auf einen Umtausch zu verzichten.

Welche Produkte werden zurückgerufen?

Intel hat die Chipsätze der Serie 6 nicht zurückgerufen, sondern bloß deren Produktion zeitweilig gestoppt und warnt vor einer erhöhten Fehlerrate bestimmter SATA-Ports. Viele Hersteller von Geräten mit Intels Serie-6-Chipsätzen bieten aber deren Rücknahme an oder einen Umtausch, sobald fehlerfreier Ersatz bereitsteht. Weitergehende Informationen und Produktlisten veröffentlichen viele Firmen auf ihren Webseiten, siehe c’t-Link unten.

Mehr Infos

Verwirrung im neuen Jahr

Eines muss man Intel lassen: Der Chipriese hat den Bug umgehend eingestanden und eine stolze Summe zurückgestellt, um die Schäden der Partnerfirmen zu begleichen. So weit, so gut.

Reichlich Verwirrung ist jedoch auf den verschlungenen Pfaden zwischen Intels Partnern und den Endkunden entstanden. Manche Händler reagierten prompt und nahmen alle Sandy-Bridge-Systeme aus ihren Regalen, andere verwiesen lediglich auf die gesetzliche Gewährleistung.

Wie sehr es uns eben doch kümmert, wenn in China ein Sack Reis umfällt, zeigen die Reaktionen der Board- und Systemhersteller mit asiatischen Hauptquartieren. Denn die waren wegen des chinesischen Neujahrsfestes teils unerreichbar. So verschickte die deutsche Niederlassung eines der größten PC-Hersteller noch zwei Tage nach der Hiobs-Botschaft von Intel munter Pressemitteilungen, dass Sandy-Bridge-Rechner „ab sofort im Handel erhältlich“ seien. Zu diesem Zeitpunkt hatte eine große Handelskette eben diese PCs bereits von der Webseite entfernt.

Ein namhafter deutscher Hersteller hat beim Aufräumen des eigenen Online-Shops gleich mehrere PCs mit Serie-6-Chipsätzen übersehen – vielleicht auch, weil die eigenen technischen Daten so unübersichtlich waren. Ein weltweit agierender Versandhändler besserte sein „offizielles Statement“ fast eine Woche lang täglich nach. (bbe )

Ist der Händler zur Rücknahme oder zum Umtausch verpflichtet?

Im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Gewährleistung müssen Händler für verkaufte Waren geradestehen. Wenn also tatsächlich einer der vier laut Intel betroffenen SATA-Ports versagt, dürfte auch die „Beweislastumkehr“ sechs Monate nach dem Kauf kaum ein Problem sein. Nach Ablauf von 24 Monaten wird es knifflig, sofern nicht Händler oder Hersteller weitergehende Garantieleistungen zusichern. Sind auch diese abgelaufen, steht man als Käufer im Regen, selbst wenn ein Gerät schadhaft ist.

Wenn Ihr Produkt zurzeit fehlerfrei funktioniert, ist der Händler aber nicht zur Rücknahme oder zum Umtausch verpflichtet, meint Rechtsanwalt Ronny Jahn. Im Versandhandel erworbene Produkte können Käufer aber bekanntlich innerhalb von 14 Tagen zurückschicken.

Einige Hersteller von Geräten mit Serie-6-Chipsätzen bieten deren Umtausch oder Rückgabe an; die Abwicklung soll dabei jedoch meistens über den Händler erfolgen. Informieren Sie sich schon jetzt, ob Ihr Händler diesen Service kostenlos übernimmt.

Ich brauche jetzt einen neuen Rechner, was soll ich tun?

Für viele Zwecke ist Intels Vorgängergeneration (Core-i-Prozessoren mit dreistelligen Nummern) immer noch eine gute Wahl. Ein gutes Preis/Leistungsverhältnis bieten insbesondere die Vier- und Sechskern-CPUs von AMD.

Schlechter sieht es bei Quad-Core-Notebooks aus: Fast alle Firmen haben die Auslieferung der neuen Generation mit Sandy Bridge gestoppt und die Vorgängermodelle laufen aus. So ging Dell bereits vier Tage nach Bekanntwerden des Bugs davon aus, dass die Bestände der Notebooks XPS 15 mit Vorgängerchipsatz keine vier Wochen mehr reichen dürften.

Ich brauche nur zwei SATA-Ports, kann ich jetzt ein Schnäppchen machen?

Das dürfte schwer werden, weil kaum noch ein Händler die Systeme verkauft und fast alle Hersteller den Nachschubhahn zugedreht haben. Im Gespräch mit c’t bekräftigte Intel zudem, dass sie den Board-Herstellern nur dann Ersatzchipsätze liefern, wenn diese die defekten auch zurückgeben.

Eventuell dürfte jedoch der eine oder andere Händler in den kommenden Wochen seine Lagerbestände an Sandy-Bridge-CPUs reduzieren wollen, um nicht unnötig Kapital zu binden. Vielleicht ist da der eine oder andere Euro Rabatt drin.

www.ct.de/1105018 (bbe)