Rückkehr in die Old School

Publikationen wie die iPad-Zeitung "The Daily" zeigen, dass sich Verlage nach den alteingesessenen, geschlossenen Modellen zurücksehnen. Doch noch fehlt ihnen die inhaltliche Tiefe.

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Publikationen wie die iPad-Zeitung "The Daily" zeigen, dass sich Verlage nach den alteingesessenen, geschlossenen Modellen zurücksehnen. Doch noch fehlt ihnen die inhaltliche Tiefe.

Tageszeitungen sind ja eigentlich eine feine Sache: Man kann sie, wenn genügend Zeit vorhanden ist, von der ersten bis zur letzten Seite durchlesen, und hat danach das gute Gefühl, alles zu wissen, was es an diesem Morgen zu wissen gibt.

Das ist, so zeigte es uns allerspätestens das Internet, natürlich faktisch totaler Quatsch: Wichtige Neuigkeiten werden Tag für Tag von Redaktionen nicht nur aus Platzgründen herausgelassen, sondern auch, weil Blätter politische Richtungen und spezielle Themensetzungen verfolgen. "Alles Wichtige wissen" ist eine Illusion, gekratzt wird häufig nur an der Oberfläche, wenn überhaupt.

Natürlich ist der Service am Leser, den der traditionelle Tageszeitungsjournalist leistet, das Sortieren und Ordnen, das Zusammenstellen und Aufschreiben, eine feine Sache. Die Frage ist allerdings, ob die eingeschränkten Druckseiten in unserem Informationszeitalter wirklich noch ausreichen, auf dem neuesten Stand zu bleiben. Da ist der Blick ins Netz doch nicht wirklich schlecht.

Bei der neuen iPad-Zeitung "The Daily", seit zwei Wochen offiziell verfügbar, glaubt man jedoch an das alte Modell, dass nachrichtliche Neuigkeiten einen Anfang, eine Mitte und einen Schluss haben. Aus diesem Grund wird das Werk jeden Morgen vollständig publiziert, Updates über den Tag gibt es nur, wenn etwas wirklich Wichtiges passiert. Währenddessen muss sich der Leser mit den rund 100 iPad-"Seiten" begnügen, die ihm für 99 US-Cent die Woche angeliefert werden.

So innovativ die erste reine iPad-Zeitung mit ihren Videos, Virtual-Reality-Ansichten und anfassbaren Grafiken auch ist, inhaltlich ist es, so zeigen die bisherigen Ausgaben, (leider) Häppchenjournalismus. Die Texte sind kurz, trotz einer über 100-köpfigen Redaktion - für digitale Produkte sind das geradezu paradiesische Zustände - werden sogar recht häufig Agenturmeldungen zusammengebaut.

Natürlich, das Internet ist eine wilde Welt und vielen Nutzern fehlt die Zeit, sich durch die wirklich interessanten Angebote zu klicken. Aber immerhin können sie online über eine breite Auswahl verfügen, die sie beispielsweise vom "Economist" über die "Korea Times" bis zur "Augsburger Allgemeinen" führt, wenn ihnen ihr Freundeskreis nur ein paar Links mailt oder eine Empfehlung per Twitter ausspricht.

Ich denke schon, dass Zeitungen und Magazine, ob nun gedruckt oder digital, in einem abgeschlossenen Rahmen funktionieren können. Damit das aber klappt, muss eine inhaltliche Tiefe her, die den Leser hineinzieht und ihm klarmacht: Hier, schau, das ist sinnvoll, dass Du dem einmal eine halbe Stunde opferst.

Dann klappt es im Übrigen auch wieder mit der dem Leser Mehrwert verschaffenden Auswahlfunktion des Journalisten, die ihm Aggregatoren und von Algorithmen gesteuerte Inhaltefarmen gerade abzunehmen versuchen. (bsc)