Australien plant drastische Copyright-Verschärfung

Der Verband der australischen Internetwirtschaft kritisiert, dass mit dem Regierungsentwurf zur Copyright-Novelle schon das öffentliche Singen von "Happy Birthday" und viele andere Alltagshandlungen kriminalisiert würden.

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Der Entwurf der australischen Regierung zur Copyright-Novelle hat heftige Proteste ausgelöst. Insbesondere der Verband der australischen Internetwirtschaft, die Internet Industry Association (IIA), kritisiert, dass mit dem Gesetzesvorhaben schon das öffentliche Singen populären Liedguts und viele andere Alltagshandlungen der Bürger kriminalisiert würden. Auch Wissenschaftler und der für Rechts- und Verfassungsfragen zuständige Ausschuss des australischen Senats sind der Auffassung, dass die Regierung weit über ihr Ziel der Anpassung des Copyrights an die digitale Gesellschaft und internationale Vorgaben hinausgeschossen sei. Geht es nach dem Entwurf, wird Australien nach Ansicht des Informationsdienstes Intellectual Property Watch das erste Land, in dem selbst unwissentlich begangene geringfügige Urheberrechtsverletzungen strafrechtlich verfolgt werden könnten. Generell soll mit der Gesetzesreform Strafverfolgern eine breitere Palette an Möglichkeiten an die Hand gegeben werden, um gegen verdächtige Rechtsverletzer vorzugehen. Rechtehalter und Vertreter der Unterhaltungsindustrie haben das Vorhaben begrüßt, weil ihrer Ansicht nach damit Copyright-Verletzungen etwa in Tauschbörsen schon im geringfügigen Stadium unter Kontrolle gebracht werden könnten. Es gibt aber auch zahlreiche Stimmen, die vor einer unverhältnismäßigen Kriminalisierung legitimen Verhaltens warnen.

IIA-Geschäftsführer Peter Coroneos fürchtet, dass der Vorschlag wissentlich oder unbeabsichtigt "verheerende Folgen für die durchschnittliche australische Familie" entfalten könnte. Schon falls eine Gruppe bei einem Geburtstagspicknick in einer öffentlichen Anlage wie einem Zoo das noch bis 2030 geschützte "Happy Birthday" anstimme und das Trällern des Ständchens von anderen Besuchern gehört würde, riskiere sie einen "Hinweis über eine Rechtsverletzung", der mit bis zu 1320 australischen Dollar oder umgerechnet knapp 800 Euro bewehrt sein könnte. Würde die Familie eine Aufnahme des Freilandsingens mit einem Camcorder anfertigen, wäre sie von einer weiteren Strafe "aufgrund des Besitzes eines Geräts zum Zweck der Durchführung einer Copyright-Verletzung" bedroht. Für den Fall, dass ein Gast der Feier den Clip noch ins Internet stelle und öffentlich verbreite, stünden noch einmal 800 Euro Strafe im Raum.

Die Industrielobby hat mehrere Analysen veröffentlicht, in denen sie die Gefährdungen durch die geplanten Copyright-Verschärfungen etwa für Teenager, kleine Firmen und Konzerne darstellt. Strafrechtlich relevant wäre es demnach auch, wenn man eine TV-Sendung auf Video aufnimmt und Freunden oder Bekannten zum Anschauen überlässt. Sogar der Hersteller des benutzten Videorecorders soll bedroht sein. Schließlich habe er ein Gerät produziert, mit dem sich illegale Kopien erstellen lassen. Coroneos' Resümee: "Wir haben unsere Rechtseinschätzung mehrfach mit der Hilfe von Rechtswissenschaftlern und Regulierungsexperten wiederholt. Doch wir können nicht nur keine Rechtfertigung für die Härte der Strafen sehen. Darüber hinaus wird es die Komplexität der neuen Gesetze für den normalen Australier sehr schwer machen, eine mögliche Haftbarkeit zu vermeiden". Die aus dem Entwurf ableitbaren Szenarien seien "erschreckend".

Brian Fitzgerald, Leiter der School of Law der Queensland University of Technology in Brisbane, geht davon aus, dass die vorgesehenen strafrechtlichen Sanktionen auch durchgesetzt werden. Andernfalls wäre es unverständlich, wieso der Entwurf nicht stärker auf die Bekämpfung gewerbsmäßiger Urheberrechtsverletzungen ausgerichtet worden sei. Die Tatsache, dass die Regierung die Novelle durch die Instanzen peitschen wolle, ist für Fitzgerald ein weiterer Grund zur Besorgnis. Das Repräsentantenhaus des australischen Parlaments habe den Entwurf bereits Anfang November abgesegnet, mit dem Votum des Senats sei im Dezember zu rechnen. Ziel der Regierung sei es, die Verschärfungen schon Anfang Januar in Kraft treten zu lassen.

Die Rechtspolitiker des Senats haben nach einer Konsultation noch umfangreichen Änderungsbedarf angemeldet. Sie empfehlen unter anderem, die "strengen Haftungsvorkehrungen" zu korrigieren, um den "möglichen weitreichenden Einfluss ihrer Anwendungen auf gewöhnliche Australier und rechtsmäßige Unternehmungen zu reduzieren". Die Ausnahmeregeln rund um erlaubte Vervielfältigungen im Wissenschaftsbereich müssten umfangreicher gefasst werden. Auch bei dem geplanten Umgehungsverbot technischer Kopierschutzmaßnahmen sei nachzubessern. Insgesamt bedürfe es zahlreicher Änderungen, um die Copyright-Revision verbraucherfreundlich zu gestalten. Ein von Regierungsseite ins Feld geführte Handelsabkommen, das "Australia-United States Free Trade Agreement" (AUSFTA), stehe dem nicht entgegen. Ein Sprecher des federführenden australischen Justizministeriums versicherte, dass noch Zeit sei für Korrekturen.

Schmackhaft machen will die Regierung den Bürgern die Reform mit der Erlaubnis, erstmals Privatkopien von TV- oder Radioprogrammen aufzunehmen. Diese müssen dem Entwurf zufolge nach einmaligem Abspielen aber wieder gelöscht werden. Darüber hinaus sollen die Käufer von CDs, Zeitungen oder Büchern die erstandenen Werke in andere Formate wie etwa MP3s umwandeln und dann auf Abspielgeräte wie den iPod übertragen dürfen. DVDs sind laut dem Gesetzesentwurf von dieser Ripping-Klausel ausgeschlossen. Justizminister Philip Ruddock war sich bislang sicher, "dem gesunden Menschenverstand entsprechende Änderungsvorschläge" vorgelegt zu haben. (Stefan Krempl) / (se)