Mit multiplen Online-Persönlichkeiten gegen Feindpropaganda

Mit Hilfe virtueller Persönlichkeiten will das US-Militär in Social Networks versuchen, die öffentliche Meinung im Nahen Osten zu beeinflussen.

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Das Regionalkommando für den Nahen Osten des US-Militärs hat die Entwicklung von Software in Auftrag gegeben, durch die die in Social Networks verbreitete öffentliche Meinung insgeheim beeinflusst werden soll. Das US Central Command (Centcom) wolle ein Persona-Management betreiben, bei dem ein Armee-Angehöriger bis zu zehn verschiedene virtuelle Identitäten in sozialen Netzwerken wie Facebook oder auf Twitter steuern kann, berichtet die britische Tageszeitung The Guardian. Diese sollen sich beispielsweise mit amerikafreundlichen Äußerungen in Online-Diskussionen einmischen und auch von erfahrenen Anwendern nicht als Fälschungen erkannt werden. Über das Projekt ursprünglich berichtet hatte das US-Magazin The Raw Story.

Der mit 2,76 Millionen US-Dollar dotierte Auftrag ging an die noch sehr junge kalifornische Firma Ntrepid. Dessen Chief Technology Officer Lance Cottrell hat laut The Raw Story 1995 die auf Identitätsschutz und Verschlüsselung spezialisierte Firma Anonymizer gegründet und betreibt das Weblog theprivacyblog.com. Das US-Militär wollte laut dem Zeitungsbericht nicht bestätigen, ob im Internet bereits künstliche Persönlichkeiten unterwegs sind. Nach Angaben des Centcom-Sprechers Bill Speaks sollen sie gegen gewalttätige Extremisten und feindliche Propaganda außerhalb der USA eingesetzt werden. Die Kunstfiguren sollen ihre Beiträge unter anderem auf Arabisch, Farsi, Urdu und Paschtunisch verfassen. Englisch beziehungsweise US-amerikanische Bürger anzusprechen hingegen sei gesetzlich nicht zulässig.

Um den Auftrag des US-Militärs beworben hatte sich auch die Sicherheitsfirma HBGary. Das Konzept der Firma wurde durch E-Mails aus von Anonymous veröffentlichten Archiven bekannt. In den E-Mails wird dargestellt, wie sich ein menschlicher Anwender vorgefertigter virtueller Maschinen bedient, in denen Personas mit bereits installierten E-Mail-Accounts, Web-Seiten und Mitgliedschaften in sozialen Netzen stecken. Dabei könnten gleichzeitig viele Personas auf Twitter, in Blogs, Foren und Myspace erstellt und mit passenden Namen ausgestattet werden. Die Accounts würden automatisch durch RSS-Feeds, Retweets und Verlinkungen untereinander mittels Social-Media-Kommentaren gewartet und aufdatiert.

Das Persona-Management des US-Militärs könnte Teil der Operation Earnest Voice (OEV), der psychologischen Kriegsführung werden, die die USA zunächst im Irak unter anderem gegen Unterstützer des al-Qaida-Netzwerks eingesetzt haben. Seitdem sei der Etat der OEV auf 200 Millionen US-Dollar gewachsen, heißt es im Guardian; die Operation erstrecke sich mittlerweile auf Pakistan, Afghanistan und den Nahen Osten. Ziel der OEV ist laut einer Beschreibung in einem Bericht (PDF-Datei) des US-Verteidigungsministeriums, durch Informations- und Überzeugungsarbeit die Sichtweise und das Verhalten der Menschen zu beeinflussen. Beispielsweise soll so die Rekrutierung und das Training von möglichen Selbstmordattentätern unterbunden werden. Aus dem Bericht geht auch hervor, dass das US-Centcom die Operation Earnest Voice nicht allein, sondern zusammen mit den internationalen Truppen im Irak (Multi-National Force-Ira, MNF-I) betrieben hat. (anw)