Schily: Terrorabwehr funktioniert in Deutschland gut

Der Bundesinnenminister hat eine positive Bilanz des Terrorabwehrzentrums gezogen, drängt aber auf den Aufbau einer Indexdatei von Polizei und Geheimdiensten.

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Bundesinnenminister Otto Schily hat am heutigen Montag eine positive Bilanz des Ende 2004 eingerichteten Berliner Terrorabwehrzentrums gezogen, in dem bereits 180 Antiterrorspezialisten aus 40 Behörden von Bund und Ländern unmittelbar zusammenarbeiten. "Diese Institution hat sich als ein hervorragendes Instrument für die Gewährleistung der Sicherheit unseres Landes bewährt", erklärte der SPD-Politiker. In der Einrichtung im Berliner Stadtteil Treptow kooperieren Beamte von Polizeien und Nachrichtendiensten erstmals räumlich an einem Ort zentriert miteinander. Es seien aber "keine neuen Schnittstellen entstanden", betonte der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke. Das Zentrum diene zwar als wichtiges Forum des Informationsaustausches, der aber nicht automatisiert sei. Datenschützer hatten zuvor davor gewarnt, dass die Superbehörde das verfassungsrechtliche Trennungsgebot zwischen Polizeien und Geheimdiensten aushebeln könnte.

Einen gewissen Grad an Automatisierung mithilfe der Computertechnik wünscht sich Schily noch mit der Einrichtung einer gemeinsamen Indexdatei. Sie soll dem Innenminister zufolge "einzelnen Diensten die Übersicht gestatten, ob zu einem Sachverhalt oder zu einer Person Informationen vorhanden sind". Es sei "richtig und wichtig", eine solche Datenbank jetzt zu schaffen, forderte Schily. Die von der Union gewünschte Anlage von Volltextdateien, die sämtliche bei den Geheimdiensten vorhandenen Informationen zusammenführen würde, lehnte er mit dem Argument ab, dass dies "den Quellenschutz infrage stellen und internationale Zusammenarbeit gefährden würde". Bei "bestimmten Themen" wie etwa über Personen in terroristischen Ausbildungslagern kann sich Schily aber vorstellen, auch umfassendere "Projektdateien" zu erstellen.

Die Vorteile des Terrorabwehrzentrums sieht Ziercke vor allem in "sehr viel kürzeren Informationswegen". Um die noch junge Institution zu einem "Frühwarnsystem" weiterzuentwickeln, will der BKA-Chef noch stärker die "Internetauswertung" sowie gemeinsame Analyseprojekte mit den Ländern vorantreiben. Schon jetzt sprach Ziercke aber von "vielen erfolgreich abgewehrten Bedrohungsszenarien", ohne jedoch ins Detail zu gehen. Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), August Hanning, bezeichnete den größten Vorteil des Zentrums im Zuwachs an Entscheidungssicherheit bei Aktivitäten gegen Terroristen und verdächtige Strukturen. Die Zuständigen könnten sich nun "wirklich sicher sein, dass sie das vorhandene Wissen tatsächlich zur Verfügung haben".

Nicht erforderlich für den "ganzheitlichen Bekämpfungsansatz" bei der Terrorbekämpfung scheint die bislang vielfach geforderte und inzwischen auch von der EU-Kommission verfolgte Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten über Monate und Jahre hinweg zu sein. In der Erfolgsbilanz zur Arbeit des neuen Sicherheitszentrum spielte die Nichtverfügbarkeit der Maßnahme zumindest keine Rolle. Bei dem umstrittenen Vorhaben geht es um die Aufbewahrung sämtlicher Verbindungs- und Standortdaten, die bei der Abwicklung von Diensten wie Telefonieren, E-Mailen, SMS-Versand, Surfen, Chatten oder Filesharing anfallen.

In einem gemeinsamen Positionspapier verstärken derweil der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sowie die Branchenverbände Bitkom und VATM ihre Kritik an den EU-Plänen zur Vorratsdatenspeicherung. "Seitens der Industrie bestehen erhebliche Zweifel, ob der Nutzen der geplanten Regelungen in angemessenem Verhältnis zu den Belastungen für die betroffenen Unternehmen und den Eingriffen in die Freiheitsrechte der Bürger steht", heißt es in dem sechsseitigen Papier. Das Unbehagen, das sich mit dem Vorhaben verbinde, resultiere "auch aus der Tatsache, dass eine sorgfältige und sachgerechte Rechtsfolgenabschätzung fehlt und so der Eindruck entsteht, dass weder die Bedenken der Verbraucher noch die der Industrie ernsthaft berücksichtigt wurden".

Die Zweckmäßigkeit der Maßnahme stellt die Wirtschaft erneut in Frage: "Der derzeit in Rat und Kommission diskutierte Umfang geht sowohl hinsichtlich der Datentypen als auch hinsichtlich der Speicherdauer weit über das hinaus, was deutsche Bedarfsträger in Expertengesprächen und in einer 'Anforderungsliste' als für Ermittlungszwecke ausreichend bezeichnet haben", schreiben die Verbände. Selbst die Europäische Vereinigung der Polizei (EuroCOP) habe die Entwürfe des Ministerrates mit der Begründung abgelehnt, dass es zu lange dauern würde, die nach den Entwürfen zu erwartenden enormen Datensätze zu durchsuchen. Zudem gäbe es zahlreiche Umgehungsmöglichkeiten. Als Kompromisslinie bringen die Verbände eine maximal sechsmonatige Speicherfrist ins Spiel. Zudem müssten die EU-Staaten zu 100 Prozent alle den Unternehmen entstehenden "Investitions- und Betriebskosten tragen". Bestimmte Datentypen wie die Verbindungsdaten der genutzten Internet-Dienste, nicht erfolgreiche Anrufe, die IMEI-Handynummer oder die MAC-Nummern von Netzwerkkarten dürften zudem nicht auf den Brüsseler Wunschlisten bleiben.

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(Stefan Krempl) / (anw)